Sunday, July 08, 2007

The Island, Michael Bay, 2005

Von Anfang scheint sich die Diegese für einen SF-Blockbuster, der sich zuallererst über seine Schauwerte, über die technischen Spielzeuge und State-of-the-Art CGI-Effekte definiert, etwas zu nah an der Realität zu situieren. Schon die innermatrixschen Räumlichkeiten unterscheiden sich zwar durchaus noch von den modernen, verglasten, allenthalben verkabelten, digitalisierten und verspiegelten Großraumbüros, jenen Showcases des glonalen Kapitals, in welchen, so stelle ich mir das zumindest vor, selbstverständlich auch ein Film wie The Island produziert wird (wo sonst?), doch ist die differenz nicht allzu groß. Extrapoliert man den aktuellen Stand der technischen Entwicklung nur um ein paar Jahre, (und ist dabei auch nur annähernd so technoeuphorisch wie Christian in seinem Futurplom), so erscheinen ähnliche Technoscapes durchaus realistisch.
In der Tat fahren später unter den Blade Runner-like über den Straßen LAs verkehrenden Jetbahnen noch herkömmliche Automobile, die Kommunikationsmittel übersteigen selten die Komplexität eines iPhones (oder desse, was ich mir darunter vorstelle) usw. The Island gibt einen Teil seiner möglichen Schauwerte, eben die un- beziehungsweise übermenschlich erscheinende Komponente des Techno-Science Fiction Filmes auf und stellt sich selbst dadurch automatisch näher an der Gegnwart auf. Diese wird allerdings weniger durch konkrete soziale oder politische Diskurse eingeholt (wie in Children of Men durch die großartige Photomontage zum Beispiel - der Oganhandel in The Island konstituiert sich höchstens sekundär, in Verbindung mit den zahlreichen anderen Distributionsketten, die sich in und um den Film ereignen, als selbstreflexiver Überschuss einer ansonsten jedem Realismuskonzept weit enthobenen Filmform) als durch gezieltes Product Placement, welches wohl auch den einzigen wirklichen grund für die Verankerung der Diegese in der fast unmittelbaren Gegenwart darstellt: MSN, Calvin Kline und Co werden wohl auf ein angemessenes, in der unmittelbaren Lebenswelt der Zuschauer anschlussfähiges Produktumfeld bestanden haben. (zu dem Themenkomplex Product Placement / Scarlett Johansson / Blockbusterform siehe auch Simon Rothöhlers 16-Zeilen-Dissertation zum Thema)
The Island synkretisiert Blade Runner, The Matrix, Logan's Run, The Truman Show, Metropolis, Minority Report und mit Sicherheit noch zwei Dutzend weitere Science-Fiction Filme samt ihrer zugehörenden Universen zu einer neuen, gesichts- und im strengeren Sinne stillosen Einheit, die natürlich alles andere als "originell" ist. Diesbezüglichen Vorwürfen setzt der Film so wenig Widerstand entgegen, dass bereits dadurch klar wird, dass Originalität keine Kategorie mehr ist, um einen Film wie The Island zu fassen, zumindest nicht, wenn man diese Originalität auf eine ausdifferenzierte Diegese bezieht, die dazu einlädt, das dargebotene Universum als ein textuelles zu ergründen. Solche Versuche sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt, The Island existiert nur in den 130 Minuten der Konsumption und auch in diesen eher als ein sich ständig transformierendes Angebot zur Erneuerung der Selbsterfahrung im utopische Raum als im Sinne eines in sich geschlossenen Erzählerlebnisses (was der Film natürlich gleichzeitig trotzdem auch ist und vielleicht sogar sein muss, die beiden Ebenen stehen in diesem Film, anders als beispielsweise tendenziell in Bad Boys 2 auch nie in Widerspruch zueinander).
Reine Kinetik, die auf eine rein körperliche Erfahrungsform zielt, welche es natürlich nicht gibt und auch nicht geben kann, die aber als Versprechen, als Ahnung stark genug ist. So auch in der großartigen, gewaltigen LA-Actionszene, in welcher Michael Bay unter anderem eines seiner Auteur-Trademarks ausspielt: Gegenstände, die von Transportfahrzeugen auf die jeweiligen Verfolger geworfen werden. In diesem Fall sind es keine explodierenden Fässer (Bad Boys), Autos (Bad Boys 2) oder Leichen (Bad Boys 2), sondern seltsam geformte Stahlträger, die an überdimensionierte Hanteln erinnern und ihre Form einzig der Tatsache verdanken, dass ihre simulierten physikalischen eigenschaft ein Maximum an Wucht und Schlagkraft mit einem Maximum an Beweglichkeit vereinen. Selten ist Michael Bays Kino so bei sich selbst wie in diesen Stahlträgern.

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Liste von High-Concept-Actionfilmen, deren beste Actionsequenzen auf einer Autobahnbrücke spielen (als Tribut an mein derzeitiges Lieblingsblog Limitless Cinema in Broken English)

The Island (Michael Bay, 2005, A++)

Deja Vu (Tony Scott, 2006, A+++)

Speed (Jan de Bont, 1994, A+++) (?)

Bad Boys 2 (Michael Bay, 2003, A+)

Bad Boys (Michael Bay, 1995, A+)

M:I:3 (J.J. Abrams, 2006, A)

Live Free or Die Hard (Len Wiseman, 2007, A-)

The Matrix Reloaded (Wachowski Bros., 2003)

True Lies (James Cameron, 1994, A+)

The Peacemaker (Mimi Leder, 1997)

Gone in Sixty Seconds (Dominic Lena, 2000)

xXx (Rob Cohen, 2002)

Leathal Weapon 4 (Richard Donner, 1998)

weiter Filmhinweise willkommen!

7 comments:

Anonymous said...

Die Hard 4.0 kann in die Liste.

Lukas Foerster said...

Ja, habe ich gerade gestern gesehen... tolle Szene

Anonymous said...

hmm. spielt die eine lange sequenz in "matrix 2" mitunter auch auf einer autobahnbrücke? wobei ich die jetzt soooo dolle nicht unbedingt fand, aber jetzt auch nicht schlecht. (wenn ich das recht erinnere, steht im videodrom-review diese sequenz betreffend, dass sich mit dieser william friedkin mal eben den arsch abgewischt hätte, haha! :-D )

Anonymous said...

äh, das eben war icke, thomas :-)

Lukas Foerster said...

Matrix 2 hab ich noch nicht gesehen, kommt aber trotzdem auf die Liste...

Anonymous said...

Was mir spontan einfällt:

Die Mutter aller Autobahnbrückenshowdowns stammt wohl aus "True Lies" (1994):
http://www.aliensview.com/index.php?option=com_detail&Itemid=1000&id=4839

Sehr bewegend - für Autofanatiker - auch der Showndown in "Gone in Sixty Seconds" (2000), als Nicolas Cage mit dem Mustang "Eleanor" über die Vincent Thomas Bridge im Hafen von Los Angeles springt:
http://en.wikipedia.org/wiki/Vincent_Thomas_Bridge

Laut IMDB ist die Brücke auch in "Close Encounters of the Third Kind (1977)", "Lethal Weapon 4" (1998) und "To Live and Die in L.A." (1985) zu sehen. Ja, da findet man noch andere Brücken ,)

Eine Schlüsselszene in "The Peacemaker" (1997) spielt auf einer Brücke. George Clooney greift mit einem Hubschrauber einen LKW mit gestohlenen Kernwaffen an ...

Und, nun, in "xXx" (2002) stürzt sich Vin Diesel gleich zu Beginn mit einer gestohlenen Corvette von einer Brücke.

Übrigens, auch sehr beliebt: Showdowns auf Staumauern ...

Lukas Foerster said...

Danke für die Hinweise. Ich muss wohl demnächst mehr 90-er Action sehen...
Close Encounters und To Live... gehören meiner Erinnerung nach noch deutlich einer anderen Epoche an und passen nicht ganz...