Helmut K. war in den 90ern als Söldner auf dem Balkan. Jetzt sitzt er vor einer Filmkamera, angetan mit Militärkluft, vor den Augen eine Sonnenbrille und erzählt darüber. Wie er während seines Wehrdienstes entschlossen hatte, seine Fähigkeiten auch anzuwenden. Dass er schon immer ein Fan der deutschen Wehrmacht war und sich deshalb für die kroatische Seite entschieden hat, die mit den Deutschen Seite an Seite kämpfte (er erzählt dann noch etwas von alten KuK-Traditionen...). Wie er in Zagreb von ehemaligen NVA-Soldaten in ein Gebäude geführt wurde, an dem auf deutsch "Rekrutierungsbüro" zu lesen war. Wie er nicht mit der klapprigen AK 47 ausgerüstet werden wollte, sondern mit der schneidigen 74er (?). Wie er seine erste Abschussprämie kassiert. Wie sein bester Freund in der dritten Woche gefallen ist ("zwei, drei Tage lang war das richtig schlimm"). Dass man nur im Krieg lerne, was es heißt, ein Mann zu sein, dass außerdem das erste Mal auf dem Schlachtfeld vergleichbar sei mit dem ersten Mal Sex und so weiter und so fort.
In seiner Erzählung werden die Kämpfe zu einem sonderbaren Durcheinander aus spätpubertärem Kriegsspie und wirklichem Krieg. So ganz stößt der Krieg rückwirkend nicht mehr durch ins Reale, der Balkan bleibt ein Kinderspielplatz voller durchgeknallter Milizen, Soldaten und Söldnern. In aller Seelenruhe erklärt Helmut alle Kampfbeteiligten für verrückt, aus welcher Perspektive er dabei urteilt, das reflektiert er nicht. (Der Verzicht auf Reflektion ist sein Lebensprinzip, seltsamerweise wird ausgerechnet dieser Reflektionsverzicht seinerseits dann doch reflektiert)
Helmut K. inszeniert sich ohne Ende mit seiner Sonnenbrille, seinem Pferdeschwanz, seinem Machotum. Als er gebeten wird (es ist einer von wenigen Momenten, in denen die Stimme des Interviewers zu hören ist), zu beschreiben, wie das genau aussieht mit dem dreckigsten Teil des Krieges, dem Häuserkampf, sagt er erst nein, das möchte er nicht erzählen. Dann schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen. Er fügt hinzu, dass solche Beschreibungen für empfindliche Gemüter zu krass wären. Dann schweigt er ein wenig und lächelt noch einmal. Dann beginnt er zu erzählen.
Der Film stellt sich nicht gegen diese Inszenierung. Im Gegenteil, zunächst verstärkt er sie. Interviewort ist, und man sieht Helmut an, dass ihm dieser Ort gefällt, ein baufälliges Haus im Wald das selber aussieht wie zerschossen. Die einzigen Sequenzen des Films, in denen Helmut nicht vor der Kamera steht und spricht, sind Einschübe, in denen eine steady cam dem Soldaten über grasüberwucherte Eisenbahngleise folgt, dazu auf der Tonspur pulsierende Electro-Sounds.
Diese Einschübe sind freilich weit weniger aufdringlich, als man jetzt vielleicht denken mag. Vor allem sind sie allesamt recht kurz. Überhaupt wäre es schon arg kurzsichtig, dem Film seine scheinbar affirmative Haltung gegenüber dem Interviewten zum Vorwurf zu machen. Schließlich dekonstruiert Helmut K. seine eigene Attitüde selbst und unfreiwillig besser, als es jede distanzierende Kamera zu Wege bringen würde. Hak-Hagirs Ästhetisierungen verleihen dem Film eine sanft absurde Qualität, Urlaub vom Frieden ist ein kurzer, grotesker Fiebertraum über einen Menschen, mit dessen Mitbürgerschaft man sich zwar wohl oder übel arrangieren muss, der aber in diesem Film auf Sicherheitsabstand bleibt.
1 comment:
Hab den Film gestern in Neubrandenburg gesehen. Hattest Du nicht auch das Gefühl, dass das alles ein Fake ist? Der Söldner reagiert meiner Ansicht nach viel zu perfekt. Ich hatte eher den Eindruck, das hier ein Schauspieler einen Text aufsagt. Einen Text, der vielleicht ein realer Söldner-Bericht ist, aber nicht von ihm gesprochen wurde.
Jule
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