Boogie macht Urlaub mit blonder, kurzhaariger, schwangerer Frau und Kind am Schwarzmeerstrand. Schon die erste Szene am Strand etabliert Konstellationen und Atmosphäre. Der Strand ist fast menschenleer, im Hintergrund sind Prachtbauten zu sehen, die höchstwahrscheinlich zu einer nicht mehr ausgelasteten Tourismusinfrastruktur gehören. Auch Boogie ist mit seiner Familie nur hier (und nicht in der Türkei oder in Griechenland, wohin es alle, die es sich leisten können, inzwischen zieht), weil er über seine Arbeit den Urlaub kostengünstig organisieren konnte. Jetzt sitzt er mit seiner Frau am Strand und die beiden reden und blicken konsequent aneinander vorbei.
Die Einstellungen sind lang, oft werden ganze Szenen ohne Schnitte aufgelöst, doch bereits nach einer Viertelstunde Laufzeit muss man schon sehr genau darauf achten, um das überhaupt noch als formale Besonderheit wahrzunehmen, so unaufdringlich sind diese Sequenzeinstellungen. Es ist - und in mancher Hinsicht trifft dies auch auf andere, ambitioniertere Vertreter des neuen rumänischen Kinos zu - als hätte Muntean herausgefunden, dass die berühmten unsichtbaren Schnitte noch unsichtbarer werden, wenn man sie tatsächlich weglässt. Beziehungsweise, dass sich durch dieses Weglassen eigentlich erstaunlich wenig ändert, zumindest dann, wenn die Kamera zwar etwas mehr Abstand hält von ihren Figuren als im intensified-continuity-Kino, aber den Bildraum dennoch in ähnlicher Weise um die Figuren als sein Zentrum herum organisiert und auf Destabilisierungen verzichtet.
Schon am Strand trifft Boogie einen Kumpel aus Studientagen. Ein weiterer stößt wenig später dazu und bald stürzen sie sich zu dritt ins wenig aufregende Nachtleben des Strandortes. Während Boogies Frau beleidigt zu hause wartet und per SMS nervt (es gibt dann noch ein Zwischenspiel mit ihr im Schlafzimmer), gabeln die drei eine der vielen Prostituierten auf und nehmen sie mit in die Unterkunft der beiden anderen Jungs.
Dieser imdb-Kommentar (= der oberste) freut sich über den Film als programmatische Abkehr vom bedeutungsüberladenen, politisch überfrachteten Festivalkino des Landes und dessen obsessiven Beschäftigung mit Rumäniens traumatischer Geschichte. Imdb-Kritiker "veo" scheint in Boogie eine Öffnung zu erkennen nicht nur hin auf allgemeinere / weniger prätentiöse Themen, sondern auch hin auf ein breiteres rumänisches Publikum. Er / sie liegt sicherlich nicht ganz falsch damit und irgendwie kann man auch verstehen, dass "veo" es dem Film als eine Tugend anrechnet, dass er genauso in Uruquay oder Frankreich hätte spielen können. Tatsächlich: Die Stranbadszenerie ist wenig spezifisch, dito die Figurenbiografien (die in den Gesprächen recht ausführlich ausgebreitet werden), allgemein ist der Sozialismus lange vorbei, statt dessen viel Kapitalismus, als Folge Deterritorialisierungen, die in Verbund mit post/neopubertärer Maskulinität in viele Richtungen führen, unter anderem nach Schweden und in die Arme der besagten Prostituierten, aber sicher nicht auf geradem Wege zum Glück.
Man kann sich aber doch zumindest aus nicht-rumänischer Perspektive fragen, ob es wirklich eine so revolutionäre Angelegenheit ist, dass jetzt endlich auch Rumänien denselben gut gemeinten und nach seinen eigenen Maßstäben auch gut gemachten, recht subtil vor sich hin psychologisierenden, filmästhetisch übervorsichtig agierenden Festivalstandartfilm produzieren kann.
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