Eine Reihe langer Handkamerapassagen durchs Chinesenviertel von Bukarest sind das Kernstück von Oceanul mare, einem österreichischen Dokumentarfilm (produziert von ua Maren Ades Komplizen Film) über einen genau präparierte ethnoscape: Chinesische Exilanten und Geschäftsleute leben und arbeiten in Rumänien, zwischen den Ruinen des Sozialismus und dem entstehenden Kapitalismus, dem seine eigene Institutionalisierung noch immer nicht so recht zu gelingen scheint. Es sind gerade diese Handkamerapassagen, die an Provisorien vorbeigleiten und Menschen zeigen, die sich diese Provisorien zu eigen machen, Bilder eines Landes im Übergang und diese Bilder erscheinen im Vergleich mit mitteleuropäischen Großstädten teilweise derartig fremd, dass man sich diese düsteren Gassen in der näheren Zukunft nicht so recht im festen Griff der globalisierten Konsumkultur vorzustellen vermag.
Ein Teil der Irritation stammt aus dem orientalischen Einschlag, der mit der stalinistischen, bzw ceausescuschen Monumentalarchitektur einerseits und den knallbunten Artefakten des weniger Casino- als Spielhallenkapitalismus eine sonderbare Allianz eingeht. Dazu passend sind die meist abwesenden Dritten zwischen Chinesen und Rumänen die Araber, deren Märkte immer wieder das Ziel von Attacken einheimischer Schläger werden und die am Rand der Einstellung dann manchmal auch auftauchen.
Natürlich sucht der Film aktiv nach dem Hybriden. Der Modus des Dokumentarischen orientiert sich stark an Jia Zhang-ke, unter anderem auch darin, dass kein einziges Bild als dokumentarisches markiert ist. Katharina Copony verfolgt einige der porträtierten chinesischen Geschäftsleute sowohl während ihrer Arbeit als auch im Privatleben. Was Inszenierung ist und was nicht, bleibt völlig offen. Und wie bei Jia ist der dokumentarische Modus einer des Abschweifens, nicht der Konzentration. Wenn die Kamera in den Passagen durch den öffentlichen Raum zur Seite schwenkt, ist das keine anthropomorphe Anwandlung an den chinesischen Geschäftmann, den sie verfolgt, sondern ein genuin filmsiches Erkentnisinteresse. Gegen Ende des Films zeigt Copony ein Picknick am Fluss. Während die Erwachsenen sich unterhalten, unternimmt ein Kind einen Ausflug in die Wiese und der Film folgt ihm.
Über den Bildern liegen als Off-Kommentar immer wieder die Erzählungen der Chinesen. Sie berichten über ihren Lebensweg. Einer war der chinesische "Slipper King", bevor er in Rumänien in Immobilien investierte, ein anderer war Sänger in Shanghai und laut eigenen Aussagen hauptverantwortlich dafür, dass in der shanghaier Musikszene "erotiv music" zu einem Begriff wurde. In Konsequenz verbrachte er viel Zeit im Gefängnis und schafft irgendwann den Absprung nach Rumänien. Hier in Rumänien, gab es für die Chinesen einiges zu tun nach dem Fall Ceausescus. Rumänien habe im Jahr 1989 modetechnisch so ausgesehen wie ein Dorf in China, erzählt einer.
Auch den transkulturellen Austausch setzt der Film ins Bild, allerdings nur als Gelungenen. Über sein Misslingen, beispielsweise in den Attacken Einheimischer auf Chinesen und Arabern, lässt er lediglich erzählen. Gezeigt wird dagegen, wie eine rumänische Sekretärin ein paar Brocken Chinesisch beigebracht bekommt, wie im Gegenzug eine chinesische Schulklasse rumänisch lernt und schließlich, in einer vielleicht dialektischen Wendung, wie ein in Rumänien geborenes chinesischstämmiges Kind sich sträubt, die sonderbare Sprache ihrer Vorfahren zu üben.
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