Monday, March 02, 2009

Cadena perpetua, Arturo Ripstein, 1979

Der Tarzan war ein Kleinkrimineller, Taschendieb und Teilzeitzuhälter. Dann sitzt er im Gefängnis ein und als er wieder herauskommt, arbeitet er bei der Bank. Es ist zu vermuten, dass er bei und für diese Bank auch das eine oder andere krumme Ding dreht und vielleicht sogar mehr Unheil anrichtet als zuvor, aber für ihn selbst ist die Festanstellung ein Schritt in Richtung Rechtschaffenheit. Dann taucht ein korrupter Polizist auf und beginnt, ihn zu erpressen.
Bunuel-Schüler (das merkt man fast in jeder Einstellung) Ripstein erzählt seine Geschichte, die sich deutlich am klassischen film noir orientiert, nicht linear, die Zeitebenen werden parallel montiert. Die Übergänge sind nicht markiert, es dauert eine Weile, bis man sich in der Geschichte zurecht findet. Die zeitweilige Verwirrung ist jedoch nicht der Punkt. Es geht eher darum, den Entwicklungsroman auch rhetorisch zu untergraben. Tarzans Geschichte nimmt eine fatalistische Wendung und der Film nimmt diese in seiner Filmsprache schon vorweg. Den Banker-Tarzan unterscheidet vom Kleinkriminellen-Tarzan nur der fehlende Schnurrbart, die jeweiligen Welten, in denen er sich bewegt, unterscheiden sich, wenn es drauf ankommt (unter anderem sind Frauen in beiden nur Verfügungsware, eine Tatsache, zu der sich der Film vielleicht insgesamt doch etwas zu wenig verhält), so gut wie gar nicht. Am Ende wird Arturo wieder dort landen, wo er angefangen hat.
Die eine Szene, die über den Fatalismus hinausweißt, den der Film ansonsten brillant und nicht ohne Humor durchexerziert (running gag ist ein Fußballspiel Mexiko - Deutschland, dessen Ergebnis ebenfalls schon von Anfang an fest steht), findet in Arturos Arbeitsplatz, der Bank, statt. Er sucht dort Hilfe, seine Chefs sollen ihm gegen den korrupten Polizisten beistehen. Minutenlang irrt Arturo durch diese Bank, in der plötzlich niemand mehr zu arbeiten scheint. Anstatt, wie vorher im Film stets, den Aufzug zu benutzen, nimmt er das Treppenhaus und scheint in einer anderen Welt zu landen. Schon im Treppenhaus trifft er auf ein knutschendes Paar, weiter oben auf eine sonderbare Feier. Die meisten Büros sind leer. Tarzan läuft ins Nichts, je aufgeregter er nach seinem Chef fragt, desto indiferrenter werde die Antworten der wenigen Menschen denen er überhaupt noch in der Bank, die davor von - gleichfalls freilich nur scheinbar zielgerichteten - Wichtigtuern bis zum Rand gefüllt war. Hier, in der ihre Funktionalität nicht mehr preisgebenden Architektur des Geldinstituts, bricht Arturo zusammen und findet sich damit ab, dass er in Zukunft wieder Handtaschen stehlen muss. Sein Glaube an die eigene Handlungsmacht, an die Möglichkeit, Herr seines eigenen Schicksals zu werden, verschwindet angesichts einer nicht nur entpersonalisierten, sondern gleichzeitig enträumlichten institutionellen Logik.

Demnächst im Videodrom

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