Wednesday, May 27, 2009

Die Generalprobe, Werner Schroeter, 1980

Auf dem Papier ist das: ein Dokumentarfilm über ein Theaterfestival in Nancy, über ein Theaterfestival von einer Sorte (gegenkulturell, vulgärbrechtianisch osä, was weiß ich) um die ich einen noch großeren Bogen machen würde, als ich ihn um Theater(festivals) im Allgemeinen ohnehin schon mache. Wie kann ausgerechnet dieser Film mich derart ergriffen haben?
Zunächst und ganz unbedingt: Ich weiß es nicht. Vielleicht aber: hat es etwas damit zu tun, dass Schroeters Film das Theater von allem befreit, was sein Ambiente oder sein Dispositiv ist. Die Kamera nimmt zum Akt des Schauspiels / zum Körper des Schauspielers verschiedene Positionen ein, aber nie die des Publikums. Dabei filmt Schroeter nicht nur die Künstler, doch die Menschen, die er außerdem filmt, sind solche, die mit dem Festival als Milieu so wenig wie möglich am Hut haben: einen Clochard beispielsweise filmt er oder einen Jugendlichen, der lässig vor einer Zeltplane posiert. Das Publikum im Theater interessiert Schroeter am allerwenigsten. Zum Schluss des Films macht es sich dann doch bemerkbar, erst nur akustisch durch den Applaus, der nach der zweiten Aufführung der Umarmungsroutine aufbrandet (diese Nummer ist auch bereits anders gefilmt als die ansonsten identische erste, voyeuristischer, die Kamera versteckt sich hinter dem Vorhang, schreibt den Körpern ihre Präsenz auf nicht mehr ganz angemessene Weise ein), dann kurz darauf und ganz am Ende auch im Bild, verschwommen, im Hintergrund: ein Muster aus isolierten Köpfen, ein Muster, das der Film nicht dahaben zu mögen scheint, weil es dem Schauspiel nur etwas wegzunehmen, ihm aber nichts hinzuzufügen hat, ein Muster, das der Film aber nicht mehr ignorieren kann.
Dass in der letzten Einstellung das Publikum auftaucht (und dass es genau so auftaucht, wie es auftaucht), kennzeichnet den Film endgültig als einen melancholischen, als einen über Desillusionierung. Von Syberbergs Hitler-Film, mit dem Die Generalprobe beginnt, habe ich noch nicht gesehen, doch schon an diesem Film macht der Off-Kommentar seinen Pessimismus fest, einen Pessimismus, der sich auch auf Deutschland, aber nicht nur auf Deutschland und vor allem nicht nur auf Deutschland als Heimat bezieht. Über die Tonspur legen sich dann immer wieder düstere Zeitdiagnosen wie ein eisgrauer Schleier über die wunderschönen Bilder. Vielleicht liegt der eigentliche Grund dieses Pessimismus, der sich im Lauf des Films mal am Krieg, mal an der Natur, die fehlt, mal an der Liebe, die auch fehlt, festmacht, ja tatsächlich darin, dass sich der Film am Ende mit der Idee vom Publikum-als-Muster abfinden muss. Ein Publikum, das der Kamera tausendmal unterlegen ist, das ein beileibe nicht nur körperlich/architektonisch fixiertes Publikum bleiben muss und all die Überschreitungen, die Schroeters Film gelingen, hin zur Kunst als Verkörperung von Sprache, Idee, Gefühl, Politik nicht nachvollziehen kann.

Von allen Schroeter-Filmen, die ich in dieser Reihe (und damit überhaupt) bisher gesehen habe, ist mir dieser der liebste gewesen, gemeinsam vielleicht höchstens noch mit dem anderen Dokumentarfilm, Abfallprodukte der Liebe. Die Spielfilme fand ich mal interessant und schön (Willow Springs), mal einfach nur sonderbar (sonderbar-faszinierend: Der Rosenkönig, eher sonderbar-egal: Nuit de Chien), mal schlichtweg unerträglich (Malina). Vielleicht benötigt das Schroeter-Kino tatsächlich etwas, an dem es sich mit all seinen Obsessionen brechen und abarbeiten kann. Vielleicht braucht es Körper und Stimmen, die ihm bis zu einem gewissen Grad äußerlich sind. Es macht sich dann zwar schnellstens daran, sich diese Körper und Stimmen anzuverwandeln, aber der eigentliche Reiz besteht wahrscheinlich darin, dass diese Anverwandlung nie ganz gelingt. Oder nur in Ausnahmefällen, wie etwa in der unglaublich großartigen letzten Szene aus Abfallprodukte der Liebe. Und im Moment des Gelingens, in dem Moment, in welchem die Stimme der Opernaufnahme vom Körper der Sängerin absorbiert wird, kommt der Film zu seiner Erfüllung, hat sich ganz folgerichtig selbst erledigt und wechselt zum Schwarzbild.

4 comments:

Unknown said...

Fast off topic, aber als Tipp: ein Theaterfestival, um das du vielleicht ausnahmsweise keinen Bogen machen solltest:
http://www.hebbel-am-ufer.de/de/kuenstler/kuenstler_15217.html?HAU=2

Lukas Foerster said...

Danke für den Hinweis. Wenn Du dafür bürgst, werde ich mich vielleicht tatsächlich überwinden...

Ekkehard Knoerer said...

Ich bürge. Würde sagen: Das ist neben der sehr anderen Wooster Group meine Lieblings-Truppe im weiten Reich des Postdramatischen. Entweder man liebt es oder hasst es. (Zwei Texte zu anderen FE-Sachen hier: http://www.jump-cut.de/theater.htm)

Anonymous said...
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