Diese Fortsetzung eines bislang nicht auf DVD, VHS oder VCD verfügbaren Films gehört mit Sicherheit zu Yukols schönsten Werken: Eine düster schimmernde Großstadtballade, ehrlich-romantischer Sozialrealismus, pumpende Discomusik als Hintergrund für Schießereien in Tiefgaragen, Neonreklamen färben die notdürftige Unterkunft, in der der aus der Haft entlassene ehemalige Taxifahrer Thongphun und die unter prekären Bedingungen aufgewachsene Jugendliche Lamai sich notdürftig von der sie umgebenden Stadt abzuschirmen versuchen (nicht nur vor den Neonreklamen gibt es kein Entkommen). Erst kurz vor Ende entwickelt sich ein klassischer Thrillerstoff, davor erkundet der Film mit seinen Figuren in episodischer Form Bangkok. Die inszenierte Schlägerei im Restaurant, um die Rechnung nicht bezahlen zu müssen. Der Polizist, der den Gangsterboss, der sich immer wieder aus dem Gefängnis freikauft, stellt und damit sein eigenes Todesurteil unterzeichnet (das der Film dann aber nicht, oder wenigstens nicht ganz, vollstreckt). Die Diebin, die eine andere Diebin bestehlen möchte und bei dem Versuch aus Versehen eine reguläre Anstellung erhält. Einmal bleibt die Kamera auch einfach nur für ein paar Sekunden an einem Mann hängen, der auf der Straße liegt und sich in Schmerzen windet.
Großartig auch in diesem Film, wie Yukol seine Figuren entwirft: nie als handlungsmächtige Individuen im engeren Sinne natürlich, aber eben auch nie als bloße Opfer oder Funktionen ihrer jeweiligen Milieus. Es geht immer um spezifische Haltungen zum eigenen Leid, Haltungen, die eher ethischer als epistemischer Natur sind. Es geht um die Wahl zwischen verschiedenen derartigen Haltungen und darum, dass eine solche Wahl auch dann möglich ist, wenn man noch nicht in der Lage ist, das große Ganze in den Blick zu bekommen. (Immer wieder kommt mir Brocka in den Sinn, erst recht in diesem Fall, weil der Film mit einem Gewaltausbruch endet, der zu dem vorherigen Verhalten des Protagonisten in keinem Verhältnis steht. Dennoch verhält es sich bei Brocka glaube ich etwas anders: Zwar geht es dem philippinischen Regisseur ebenfalls immer wieder um eine prä-revolutionäre Selbstermächtigung nicht als Ergebnis von, sondern als Voraussetzung für politische Kritik, aber der Wandel, auf den seine Filme zielen, ist genau die Konstitution eben der ethischen Haltung zum eigenen Schicksal, die Yukols deutlich näher an den Figurenkonzeptionen Hollywoods angelegte Filme bereits voraussetzen.)
Thongphuns Vorgeschichte wurde in einem anderen Film erzählt, man kann sie jedoch recht genau rekonstruieren: Er ist ein idealistischer Taxifahrer, der mit Gangstern in Konflikt geraten war und irgendwann beschloss, sich zu wehren. Die Tatsache, dass er bei der Gelegenheit im ersten Film nicht einfach nur zuschlug, sondern ein waschechtes Blutbad anrichtete (vier Tote, zwei Verletzte), schwebt von Anfang an als irritierendes Moment über dem Nachfolger, als Potential, das auf seine Realisierung wartet - und natürlich, da verrate ich nicht zuviel: nicht umsonst warten muss. Im Grunde weiß Thongphun die ganze Zeit, worauf seine Odyssee auch diesmal wieder hinauslaufen muss. Der eher lakonisch als emphatisch inszenierte Gewaltausbrauch am Ende, nach einigen yukoltypischen Drehbuchmanövern, denen man eigentlich nur bedingt folgen möchte, kommt nicht überraschend, aber er verändert den Film überraschend radikal. In wenigen Minuten stellt Thongphun sich und seine Welt auf den Kopf, beziehungsweise vom Kopf auf die Füße und im federleichten Happy End (begleitet von einem unter mehreren großartigen Thai-Popsongs - Citizen 2 ist tatsächlich mal ein Film, dessen Soundtrack ich mir kaufen würde) ist seine eigene Unmöglichkeit schon mitgedacht.
No comments:
Post a Comment