Chatrichalerm Yukol hat seit der Jahrtausendwende seine Karriere grundlegend neu justiert und drei große, für thailändische Verhältnisse extrem hoch budgetierte Historienfilme gedreht: zuerst Suriyotai, dessen internationale Version von niemand geringerem als Francis Ford Coppola produziert wurde, danach zwei Teile einer geplanten Trilogie über das Leben des legendären Königs Naresuan, der im 16. Jarhundert Siams Unabhängigkeit von Burma erstritt. Ich kenne nur deren zweiten Teil, Yukols neuesten Film, der auch als alleinstehendes Werk sehr gut rezipierbar ist. Der dritte Teil der Trilogie ist seit längerem angekündigt, scheint aber derzeit auf Eis zu liegen, eventuell, weil Yukol ernsthaft erkrankt ist. Dieses Youtube-Video scheint etwas in diese Richtung nahe zu legen. Leider beschäftigen sich die zugehörigen Kommentare mehr mit der Moderatorin Aff als mit dem Grund ihres Besuchs. Ich wünsche jedenfalls dem - Apichatpong hin, Weerasethakul her - nach wie vor wichtigsten Regisseur seines Landes gute Genesung.
Wenn man ältere Filme des Regisseurs gesehen hat, muss man zunächst, was diese Karrierewendung angeht, mindestens skeptisch sein. Deren prekärer Sozialrealismus und subversiv-energische Genreaneignungen weichen nationalistisch gefärbtem Ausstattungskino. Eine ähnliche Karriereentwicklung musste man zuletzt bei einigen Regisseuren der chinesischen fünften Generation beobachten und selbst Jia Zhang-ke und der Großmeister Hou Hsiao Hsien arbeiten derzeit an entsprechenden Projekten.
Freilich ist dieser erste Yukol-Historienfilm, den ich gesehen habe, doch einigermaßen weit entfernt von den zur Zeit nicht selten mehr oder weniger offen faschistoid daherkommenden modernen Wuxias (ganz abgesehen davon ist der Film schon deshalb von besonderem Interesse, weil die Welt, die sie entwerfen, eine ganz andere ist als die der chinesischen und japanischen Historienfilme; ein wenig kann man sich diese Welt der südostasiatischen Königsreiche über Wikipedia erschließen, ein guter Ausgangspunkt ist der Eintrag zu Ayutthaya).
Zwar bleibt Naresuan 2 in den Grenzen des Genres: Bilder aus der Perspektive der Macht, Geschichte aus der Perspektive der Nation. Imperialer Prunk in Aufsicht, fließende Kamerabewegungen, dem Herrscher gehört die Großaufnahme, seine Untergebenen fasst er in die Totale. Shakespearesque Königsdramen und das Fußvolk, das sie blutig ausagiert. Allerdings scheint mir in Yukols Film das Verhältnis der Herrscher zu ihren Untertanen doch ein wenig anders beschaffen zu sein als in den chinesischen Filmen (und insgesamt nehme ich dem Film eher als seinen eleganteren Pendants ab, dass in ihm tatsächlich eine Gesellschaft über ihre Geschichte nachdenkt).
Die Unterschiede sind (wenn ich sie mir nicht ohnehin nur einbilde) nicht in jeder Hinsicht offensichtlich und sie sind schwer zu beschreiben. In den chinesischen Filmen ist der Herrscher ein Künstler, der sein Volk als Ornament arrangiert und der Regisseur hilft ihm dabei. Bei Yukol wirkt das einerseits organischer, andererseits handwerklicher, brachialer. Zunächst: keine aufwändigen Martial-Arts-Arrangements, statt dessen schlagen die Krieger humorlos zu, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die Streitaxt. Vor allem aber gibt es Momente, in denen der Film gegen seine Struktur eine Kontinuität zwischen seinen historischen Helden und ihrer namenlosen Gefolgschaft aufscheinen lässt. Wenn die Kamera vor den Schlachten über die Reihen der Soldaten schwenkt, sucht sie weniger die mechanistische Gesamtheit, die militärischer Drill und Uniformierung als serielles Moment hervorbringen, sondern es geht um eine organische Gesamtheit, die nicht nur der bloßen funktionalisierbaren Variation, sondern qualitativer Unterschiede bedarf. Vielleicht: im europäischen Historienfilm löst sich das Ornament im Moment der Schlacht, im Angesicht des Todes auf und kritisiert dadurch das Ornament; das neue Wuxia strebt danach, die Ordnung (als visuelle) in den Schlacht, in den Tod zu verlängern und setzt das Ornament als transzendentale Instanz; Yukols Film bleibt als Ganzes nicht vor dem Ornamentalen, aber vor dem totalitären, vollendeten Ornament.
Yukols Autorenhandschrift ist weitgehend unsichtbar und prägt sich eher in das ein, was der Film nicht macht. Zum Beispiel verzichtet Naresuan 2 auf Triumphalismen, sein Pathos ist in den entscheidenden Momenten melancholisch grundiert. Freilich habe ich in zweieinhalb Stunden Laufzeit nur eine einzige "echte" Yukol-Szene ausmachen können: In der besucht Naresuan, Haupt- und Identifikationsfigur der geplanten Trilogie, anonym seine Untertanen. Wenn die Kamera für einmal nicht imperial motiviert auf das Volk blickt, verschwindet der Piktorialismus zwar nicht, aber er wird als eine Konvention sichtbar, die lügt und als eine Lüge, die Naresuan und Yukol eigentlich aufdecken sollten und irgendwie auch wollen. Allein, man lässt sie nicht und nach einer anekdotischen Nacht bei einer schrulligen Alten, die ihren Herrscher nicht erkennt, macht man sich wieder auf in Richtung Geschichtsbuch.
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