Was man in dem Supermarkt, in dem The Promotion zu weiten Teilen spielt, am wenigsten sieht, sind die Kunden. Die tauchen lediglich über Beschwerdebriefe auf, die sie auf dem Parkplatz vor dem Markt einwerfen. Der Kunde ist eine reichlich abstrakte Entität in diesem Film, eine, die den Mikrokosmos Supermark antreibt und die dessen Rechtfertigung darstellt, von der dieser Mikrokosmos aber am leichtesten zu abstrahieren vermag - und der Film auch. Folglich ist The Promotion kein Film über den Neoliberalismus, sondern ein Film über das Leben im Neorealismus. Der Supermarkt interessiert als Biotop, als Versuchsanordnung im sozialen Raum. Die Kunden sind mobil, sie gelangen über den Parkplatz in den Markt und verschwinden auf demselben Weg. Die Kunden werden auch für einen wie Doug (Seann William Scott, immer brav gekämmt und oft nervös lächelnd) nie zum Problem. Dafür aber alle anderen.
Die schwarzen Jugendlichen (Gangmitglieder wäre etwas hoch gegriffen, es fliegen schließlich lediglich Kakaoflaschen) lauern auf dem Supermarktparkplatz und lassen sich von Doug nicht vertreiben. Die schwulen, banjospielenden Nachbarn lauern im Appartment nebenan. Ein dunkeläutiger Schnauzbartträger starrt durchs Wohnzimmerfenster auf Doug und seine Frau (Jenna Fischer, die hier mehr oder weniger ihre Rolle als durch und durch lauwarmes Objekt der Begierde aus The Office weiterführt). Diese Frau wiederum könnte, wenn es Doug die angestrebte Beförderung nicht erreicht, bald mehr verdienen als er selbst. Die Kassierer, die er zu beaufsichtigen hat, haben ebenfalls dunkle Hautbarben und an ihrem Arbeitsplatz haben sie eindeutig mehr kulturelles Kapital als Doug. Doug fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Auch hier gibt der weiße Heteromann nicht mehr den Ton an, eigentlich müsste er Auto fahren, doch als er einmal in ein Auto einsteigt, gehört das seinem kanadischen Kollegen und Kontrahenten Richard (wieder einmal großartig: John C. Reilly als White-Collar-Aspirant wider Willen). Und der hat es noch viel schwerer als Doug. Prekäres Mittelklasseleben und ethnische Spannungen als awkward comedy.
Für einen wie Doug müssen die Transformationen des Amerikas der Gegenwart wie ein langsames aber nicht mehr aufzuhaltendes fade to black erscheinen. Und Doug weiß, dass er kein early adapter ist. Der einzige Ausweg ist der gesellschaftliche und ökonomische Aufstieg. Ein eigenes Haus würde räumliche Distanz schaffen. Das Board of Directors der Supermarktkette ist und bleibt auch noch bis auf weiteres weiß. Ein Refugium für einen, der das offene Visier scheut eher denn ein Karriereziel für das Subjekt des Neorealismus, das Doug natürlich trotzdem irgendwie ist. Toll, wie der Film es schafft, Doug in seinem Bestreben weder zu affirmieren, noch zu diskreditieren. Der macht einfach nur das, was ein Mann mit seiner Hautfarbe und seiner Frisur in seiner Situation zu tun hat.
Ich kann mich nicht an viele Filme der jüngeren Vergangenheit erinnern, die sich auf so interessante Art und Weise wie The Promotion - nominell nur eine unter vielen Komödien irgendwo zwischen Indie und Mainstream - auf die vor allem multiethnischen Realitäten Amerikas eingelassen hätte. In einer großartigen Szene hält Doug eine Rede in einem afroamerikanisch geprägten Community Center, die zu einer komplexen Verhandlung soziokultureller Selbstverständnisse wird. Seine genau klakulierten Scherze funktionieren zwar nicht wirklich, sie zeigen aber genau so viel guten Willen, wie nötig ist, um das angespannte Verhältnis zwischen Community und Supermarkt (nicht: zwischen Supermarkt und Kundschaft) ein wenig zu entspannen. Dann allerdings kommt Richard und erzählt etwas von einem "black appel"... So lange der US-Komödie Szenen wie diese im Community Center gelingen, wird sie die relevanteste Spielart des nordamerikanischen Kinos bleiben.
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