Erst nicht ganz sicher war ich mir bei Goodbye Solo, Ramin Bahranis drittem Spielfilm. Zunächst kam es mir so vor, als machte sich Bahrani hier mit großen Schritten auf in Richtung Arthausmainstream. Nicht, weil zum ersten Mal in Bahranis Filmografie das weiße Amerika eine wichtige Rolle spielt; ganz im Gegenteil, Red Wests William hat mir von Anfang an eingeleuchtet als Ex-Harleyfahrer mit irgendwie eher jämmerlicher Tätowierung - die richtige Mischung aus Western-Pose und fast schon ausgestelltem White-Trash-Klischee, einen pickeligen Enkel an der Kinokasse gibt es auch noch, aber das war's dann auch schon. Das weiße Amerika geistert ein wenig durchs Bahrani-Kino, aber es bleibt auf Abstand und nähert sich vorsichtshalber in seiner provinziellsten Ausprägung. Vielleicht war das Problem eher, dass ich kurz zuvor Kelly Reichardts Wendy and Lucy gesehen hatte; und dass dort Michelle Williams doch etwas zu adrett-ätherisch auf den Spuren Umberto Ds durch Americana wandelt (dazu vielleicht demnächst mehr). Fast könnte man meinen, dass Bahrani die andere Hälfte dieses (natürlich: großartigen) De Sica-Films einlösen möchte: nicht den verlorenen Hund, dafür aber den (ein wenig grumpy aber liebenswerten) alten Mann.
Mit ein wenig Abstand wurde mir dann aber doch klar, dass Bahran auch diesmal wieder fast alles richtig gemacht hat. Zunächst ist der Film, an dem der Regisseur sich abarbeitet, selbstverständlich nicht Umberto D, sondern Kiarostamis Taste of Cherry, aber darauf kommt es nicht an. Goodbye Solo ist tatsächlich nicht mehr von derselben Dringlichkeit geprägt wie die beiden Vorgänger, aber das liegt lediglich daran, dass er einen systematischen Schritt weiter geht.
Sowohl in Man Push Cart als auch in Chop Shop versuchten die jeweiligen Protagonisten, die Besitzrechte an einem Fahrzeug, das gleichzeitig für Mobilität und für den Lebensunterhalt steht, zu erwerben. Solo, der Hauptfigur im Nachfolger, ist dies bereits gelungen, er ist Taxifahrer und Besitzer seines Arbeitsgefährts. Die materiellen Grundlagen für ein erfolgreiches Leben im us-amerikanischen System (eben diese: Mobilität und Geld) sind vorhanden, jetzt tauchen andere Probleme auf und wenn die Ästhetik sich bei dieser Gelegenheit ein wenig verbürgerlicht, ist das nur konsequent. Solo hat eine Familie, ein Network, eine Welt gefunden, in der er eigentlich glücklich sein und sich im weiteren lediglich um mehr von allem bemühen sollte, wenn man den Versprechen des Kapitalismus glauben könnte. Aber das kann man natürlich nicht. Dass und wie Solo doch nicht glücklich ist, verhandelt der Film - und er hält sich dabei genauso fern von den falschen Bildern wie die beiden ersten Werke.
Toll sind unter anderem wieder die kleinen Zwischenszenen: Solo während den Taxifahrten, frontal durch die Scheibe gefilmt, hinter ihm schon ein wenig in der Unschärfe die Kundschaft, kleine Geschichten deuten sich an, Alternativgeschichten, die der Film nicht verfolgt, aber verfolgen könnte.
Absolut souverän sieht dieser Film aus, deutlich ruhiger als der handkamerageprägte Chop Shop, wieder näher an Man Push Cart, aber ohne dessen manchmal doch etwas prätentiöse Teleobjektiv-Ästhetik. Eine Form, die sich tendenziell unsichtbar macht, außer in wenigen, herausgehobenen Einstellungen: Einmal löst sich Solos Silhouette, als er allein eine Straße entlang läuft, sonderbar ab vom urbanen Hintergrund: das Bild zeigt keinen materiellen Ausschluss aus einer Gemeinschaft, sondern einen Selbstausschluss als Ergebnis einer reflexiven Geste, ein Wegdriften von der Gemeinschaft auf der Suche nach Freiheit. Freiheit von den kleinkriminellen Netzwerken, in die Solo peripher eingebunden ist, Freiheit von den Familienbanden, in die er eingeheiratet hat. Die Idee eines alten, vergangenen, nicht die Realität des gegenwärtigen, neuen weißen Amerikas ist es dann, die Solos Freiheitssuche antreibt. Auch zu dieser Idee verhält sich Bahrani natürlich nicht einfach affirmativ, sie bleibt weit weg und vage, Solo weiß genau, dass er sein Glück anderswo finden muss. Willie Nelson läuft nur einmal kurz im Radio, Gangster Rap gibt's an jeder Tankstelle.
Erst recht großartig dann kurz vor Schluss die schwebende Kamera, die Freiheit kann im Leben nicht realisiert werden und im Film auch immer nur für einen Moment - schon im zweiten Moment würde sie zum filmsprachlichen Klischee werden.
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