Friday, February 15, 2008

Chop Shop, Ramin Bahrani, 2007

New York sieht aus wie Rio, Chop Shop transportiert Third Cinema-Vibes in die erste Welt. Weder melodramatischer Ghettokitsch noch obsessives Wühlen im Slumschlamm, aber eben auch nicht das dröge Mittelding aus beidem: Betulich-pädagogisches Besserwisserkino mit dezentem Ekelfaktor. Ramin Bahrani nimmt seinen Protagonisten voll und ganz ernst, etabliert nie eine Außenperspektive, sondern leiht dem jungen Alejandro für 87 Minuten seine gesamte Aufmerksamkeit. Das weiße Amerika existiert hier nicht. Eventuell sind einige Freier weiß, doch für deren Gesichter interessiert sich niemand in der Welt von Chop Shop.
Die Filmsprache ist zugegebenermaßen konventioneller als in Bahranis tollem, vielleicht noch tollerem Vorgängerfilm Man Push Cart. Weniger elegisch, weniger flächig, weniger Bresson, mehr Bewegung, mehr Öffnung auf die Stadt. Dennoch finden sich wieder kunstvolle Inszenierungen, die Alejandro aus der Crowd an der U-Bahn-Haltestelle lösen, ihn isolieren, während er Autofahrern Eratzspiegel andrehen möchte. Die Kamera macht zwar vieles ähnlich wie die von Innaritu, aber sie weiß eben immer genau Bescheid, warum und wozu sie dies tut. Chop Shop ist (in mancher Hinsicht) konventionell und Chop Shop ist (emphatisch) sozialrealistisch. Aber Chop Shop ist eben nicht konventionell sozialrealistisch. Wieder geht es, wie in Man Push Cart, darum, ein Fahrzeug in Besitz zu bringen, wieder ist das Scheitern des Versuchs nicht die Moral von der Geschichte, sondern nur ein Aspekt der conditio humana im Ghetto. Bahrani möchte nicht lügen und dass er es auch in einem Film nicht tut, der so ähnlich ausschaut wie zahllose Lügenfilme der letzten jahre, ehrt ihn umso mehr.
Chop Shop ist subtil auf gute Art. Subtilität heißt hier nicht Kryptik oder Verleugnung sozialer Realität via Ästhetisierung, sondern Respekt vor dem vorgefundenen Material, nicht zuletzt vor den Schauspielern. Alejandros Schwester muss sich zwar prostituieren, aber die schnellen Blowjobs in LKWs machen aus ihr keine Cracknutte. Und Alejandro wird nicht zu ihrem Rächer.
Wenn es im amerikanischen Kino einen neuen Neorealismus geben kann, dann sieht er aus wie Chop Shop und wie Man Push Cart. Dass Bahrani immer noch höchstens ein director to watch ist und in punkto Breitenwirkung noch weit entfernt von der Miramax-Liga, ist ein Skandal und beweist wieder einmal, in was für einem ärgerlichen Zustand sich der amerikanische Indiefilm befindet. Außerdem beweist Chop Shop, dass die Schuld an diesem Zustand eben doch hauptsächlich das System trägt und ehen nicht die Filme selbst beziehungsweise eine abstrakte Nichtrepräsentierbarkeit von irgendwas. Denn in Chop Shop steckt sehr viel von Amerika. Mehr wahrscheinlich als im Gesamtwerk P.T. Andersons.

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