Der integre Teil des Weltkinos hat längst eine Filmgrammatik entwickelt, die mindestens ebenso konventionalisiert ist wie sein böses anderes, Hollywood. Tatil kitabi ist Teil dieses Kinos und sein Regisseur Seyfi Teoman beschreibt in seinem Director's statment mit bewundernswerter Präzision die dieser Filmform zugrundeliegende Ästhetik: "The combination of long wide shots with functional close-ups, amateur actors, minimal acting and natural lighting are the determing characteristics for the style and atmosphere of this film."
Selbstverständlich bietet diese Filmsprache - wie die Hollywoods - unendliche Variationsmöglichkeiten und so durchzieht Tatil kitabi denn auch ein völlig anderer Tonfall als beispielsweise die Filme der Berliner Schule oder, naheliegender, Nuri Bilge Ceylans. Mit letzterem verbindet Teoman die unaufdringliche Stilisierung des Dargestellten, oft mittels kunstvoller Schärfeverlagerung (beispielsweise während eines assymetrischen Blickwechsels, der für die eine Seite Beginn eines Flirts, für die andere höchstens ein kurzer Ausbruch aus dem ehealltag darstellt), allerdings steht diese weit weniger im Mittelpunkt. Stärker als Ceylan ist Teoman seinem Schauplatz verpflichtet, einer türkischen Provinzstadt, deren Porträt ist Tatil Kitabi im Grunde mehr als das der Großfamilie, welche im Zentrum der Handlung steht.
Die Parameter sind längst bekannt, Tatil kitabi orientiert sich wie andere gute neue türkische Filme (und wie nebenbei bemerkt noch fast jede Neue Welle der letzten 30 Jahre) in letzter Instanz am italienischen Neorealismus. Dennoch gefällt Teomans Film: Die Kamera weiß in jedem Moment, was sie tut, die Figuren geraten nicht ins Schwatzen, wollen uns nichts beweisen sondern höchstens einen kleinen ausschnitt ihres Lebens präsentieren.
Der Film, auch das gehört zum Konventionsarsenal dieses Kinosegments, findet keine inhaltliche, wohl aber eine formale Schließung. Insofern ist der Schluss von Teomans Director's statement eigentlich nur halb richtig: "I think a film should try to be as loose as life itself."
Natürlich existieren im "life itself" keine motivisch-zirkulären Schließungen wie in Tatil kitabi (obwohl: die wiederkehrenden Schulbänke am Ende der Sommerferien sind zumindest Teil einer Serie), keine stringende Motivik und so weiter. Und natürlich ist es letztlich willkürlich, Film auch nur irgendwie mimetisch einer so allgemeinen Kategorie wie dem Leben angleichen wollen. Was jedoch bleibt, ist ein Film, der ein Fenster zur Welt sein will, mit all den Problemen, die eine solche Konzeption mit sich bringt (unter anderem dem Verzicht auf jede falsche Unmittelbarkeit, da der Zuschauer sich immer schon auf der falschen Seite des fensters befindet). Und irgendwie ist ein Film wie Tatil kitabi vielleicht tatsächlich dieses Fenster.
1 comment:
Good Job! :)
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