Die Actionszenen sind Michael Bay auf Valium. We Own the Night interessiert sich genauso wenig wie Transformers für räumliche Kontinuität, setzt aber statt auf Überwältigungsmontage und CGI darauf, derangierte Bewußsteinszustände mithilfe hypnotisch-langsamer Bewegungen nachzustellen. Deutlicher erkennbar wird dadurch der auch bei Bay enthaltene Angriff auf die Sichtbarkeit, der hier ein ums andere Mal inszeniert wird: Während der grandiosen Autoverfolgungsjagd (Autos und Menschen scheinen nicht mehr zusammenzupassen, das Gewehr gehört nicht mehr dem Gangster, sondern dem Auto; die Kamera filmt vom Beifahrersitz, bar jeder Kontrolle über das Geschehen), anlässlich der Stürmung des Stash houses (dazu unten mehr), und schließlich im rauchdurchzogenen Schilfwald des Finales.
Auch so könnte man We Own the Night zusammenfassen: Männer gehen mit gezückter Waffe in die Dunkelheit um zu killen. Zuerst jedoch muss Bobby Green (Joaquim Phoenix) aus der Dunkelheit heraustreten: Nach der Eingangsmontage aus schwarz-weißen Fotos, die bereits die Dominanz der Waffe etablieren, tritt der Lebemann aus dem Schatten in buntes Licht und nähert sich seiner Freundin Amada (Eva Mendez). Dass deren Prostitiuiertenaufmachung nur Spiel ist, wird erst später deutlich, hier zunächst heavy petting, doch bald klopft es an der Tür. Im weiteren Verlauf des Films wird sich die Beziehung der beiden grundlegend wandeln. Bald ist da nichts mehr kinky, irgendwann auch nichts mehr romantisch, die Verbürgerlichung führt schließlich zu Frustration und Trennung. Eines ändert sich jedoch nicht: Noch jedes Mal werden Amada und Bobby vom Sex durch Türklopfen abgehalten werden. Bis Amada irgendwann von all den Türklopfern genug hat und das Weite sucht.
We Own the Night zeichnet sich durch strikte Zeichenhaftigkeit aus, dafür ist die langsam vor die Hunde gehende Vorspiel-Türklopfbeziehung zwischen Amada und Bobby nur ein Beispiel. Auch mit dem Grundwiderspruch des Films, dem zwischen dem im Semigangstermilieu souverän agierenden Bobby und dessen Bruder, dem aufrechten Polizisten Joe Grusinsky verfährt Gray auf dieselbe Weise. Hier die ausgelassene Feier im Nachtclub voller schöner Menschen unterschiedlichster Ethnien, da der spießige Polizeiball voller hässlicher weißer Männer. James Grays Erzählweise ist funktionell, ausgestellt zeichenhaft und gleichzeitig ironiefrie. Kurz und gut: Konsequent. Und so nah an den Tugenden des klassischen Hollywoodkinos wie wenig in den letzten Jahren. Ausnahmen sind, siehe oben, in mancher Hinsicht die Actionszenen. Freilich sind auch diese stärker an den Plot und die Figurenpsychologie (absichtlich schematisch ist diese Figurenpsychologie, aber schematisch nicht aus Unvermögen, sondern als zwangsläufige Folge eines künsterischen Projekts, das hier ausnahmsweise einmal weiß, was man mit einer vernünftigen Figurenpsychologie anstellen kann, wenn man es nicht darauf anlegt, Schauspieleroskars zu erhalten) gebunden, als man dies derzeit gewohnt ist.
Der Film spielt in den späten Achtziger Jahren. Zu nahe ist diese Epoche noch, als dass sie sich widerstandslos fetischisieren ließe. We Own the Night ist kein Pastiche, kein Zitatfilm, hat aber vielleicht doch etwas mit den beiden großen Gangsterfilmen der Epoche zu tun, in der er sich selbst situiert: Carlito's Way und The Godfather: Part 3. Eine ähnliche Melancholie durchzieht den Film, eine Melancholie, die sich gleichzeitig innerhalb der Handlung breitmacht und auf das klassische Hollywoodkino bezogen zu sein scheint. Ein Kino, das bereits für Coppola und De Palma unerreichbar war. Was aber auch sie nicht daran gehindert hat, weiter Filme zu machen.
Die Achtziger Jahre in We Own the Night wollen nichts evozieren. Die Bilder, die sich kaum von denen der Gegenwart unterscheiden, trauern nicht um die Vergangenheit, eignen sich nicht zur nostalgischen Verklärung. Auch nicht zur Kritik an irgendwas. Dennoch bringen sie eine Differenz ins Spiel, in der Musik, in den Kleidern und Frisuren, die das gerade aus der Mode gekommene, aber noch nicht vom Retro-Trend wiederentdeckte, ins Bild setzen. Im Sinne Benjamins? Vielleicht auch das.
We Own the Night zeigt, wie gut das amerikanische Kino auch 2007 noch sein kann.
Stash house und Sweatshop
Das Stash house (heißt das überhaupt so? Oder hat die innerstädtische Drogenlagerungs und -weiterverarbeitungsanlage einen anderen Namen?) ist vielleicht die einzige Option des zeitgenössischen amerikanischen Kinos, von Produktion zu sprechen. Nicht umsonst wird die Stürmung einer solchen Einrichtung sowohl in James Grays We Own the Night als auch in Ridley Scotts American Gangster zum Höhepunkt des jeweiligen Films. Das Motiv des Stash houses zeigt einerseits Produktion als institutionalisierte ausbeuterische Gewalt in der denkbar radikalsten Art und Weise: Fast beziehungsweise vollkommen nackte Frauen arbeiten zwischen ekelhaten Drogenausdünstungen, wohin sie sich auch wenden werden sie bedroht von bis an die Zähne bewaffneten Männern. Die längst in Entwicklungsländer ausgelagerte (oder, was noch näher am Filmmotiv bleibt, an Immigranten delegierte) totale Ausbeutung wird auf gespenstische Weise mitten in der amerikanischen Großstadt sichtbar, der chinesische Sweatshop steht plötzlich wieder in New York und rührt direkt am Kern der amerikanischen Jugend: an deren Jugend, für die die Produktion des Stash houses gedacht ist (Freilich: Junkies sind öfter weiß in amerikanischen Filmen als in der amerikanischen Realität; Dealer seltener). Gleichzeitig ist die Produktion des Stash houses von vornherein und nichthinterfragbar illegitim und das Gebäude taucht im Film meist nur auf, um gleich wieder zerstört zu werden. Dabei ist bei weitem nicht klar, ob hier nur die Produktion als illegitime zerstört werden soll, oder die Repräsentation von Produktion insgesamt in Frage gestellt wird.
Doch damit nicht genug. In American Gangster zerstört die Polizei nicht nur eine Stätte der illegitimen Produktion. Denn das Stash house repräsentiert hier eine gesamte kulturelle Sphäre - die der urbanen Afroamerikaner. Die entsprechende Sequenz im Film hat ein sonderbar realistisches Timbre, und sticht auch deshalb aus dem Film heraus, weil das Drogenhaus eben nicht von Gangsterfilmzitaten besetzt wird, sondern von realen Menschen. Wenn die Elitetruppen das Gebäude stürmen, fällt nicht einfach nur ein Drogenring, gleichzeitig macht das weiße Amerika eine ihm zutiefst fremde Kultur platt. American Gangster ist auch deshalb ein guter Film, weil Ridley Scott genau dies nicht verschleiert, sondern offen ausstellt.
In We Own the Night ist die entsprechende Szene soziopolitisch weniger stark aufgeladen, aber deswegen kaum weniger radikal. Gray inszeniert das Stash house konsequent aus Joaquim Phoenix' Perspektive, die Stürmung führt erst zur hyperintensiven Wahrnehmung, dann zum kompletten Subjektverlust. Tasten, Stolpern und Rauschen in den Überresten der Produktion, die sich ihrer eigenen Repräsentation widersetzt.
Übersteigert und (unfreiwillig?) parodiert wird dasselbe Motiv natürlich in Bad Boys 2. Die illegitime Produktion ist nur noch Behauptung, der Film gibt sich keine Mühe, die kubanischen Slumbewohner tatsächlich beim Drogenmischen zu zeigen. Umso emphatischer sind diese dafür ganz reale Slumbewohner, die von Martin Lawrence und Will Smith im Jeep aus ihrem Alltagsleben gerissen werden. Kaputt gemacht wird hier nicht nur der Lebensentwurf einer spezifischen Bevölkerungsgruppe, sondern Kuba mit allem drum und dran.
Mehr Stash house-Filme anyone?
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