Tuesday, May 24, 2011

Die Siedler (Erinnerte Computerspiele 1)

Das Deutsche am Deutschtum kann man durchaus bestimmen (zum Beispiel als einen Traditionszusammenhang und den spezifischen Modus seiner Aktualisierung, wobei letzterer möglicherweise das größere Problem darstellt); aber was ist das Tümelnde am Deutschtum? Vielleicht zeigt es sich in der deutschen Computerspielserie Die Siedler als "Wuseln". Das "Wuseln" auf dem Bildschirm, von dem damals die Computerspielkritik sehr angetan war und das unbestritten ästhetischen Reiz hat, ist kein ungeordnetes, auch kein kreatives Chaos, sondern Effekt einer wohlgeordneten Strukturierung. Das gilt in mancher Hinsicht für alle Strategiespiele, schon wegen des zugrundeliegenden Codes, doch Die Siedler weißt einige Besonderheiten auf. Zum einen sind die Spielfiguren ganz eindeutig zunächst als Menschen ausgewiesen, erst hinterher werden sie ausdifferenziert und verschiedenen zivilen und militärischen Berufungen zugeführt. Nicht einfach Spiel-, sondern Menschenmaterial ist verfügbar. Zum anderen gibt es allerdings eine spezifische Form der Verfügbarkeit. Man kann die Figuren (mit Ausnahme der Militärs in Die Siedler 3, spätere Versionen kenne ich nicht) nicht direkt anwählen und steuern. Die Figuren werden als Menschen, aber nicht als Individuen gedacht, unter anderem fällt dadurch die identifizierende Rückmeldung ("Yes, Sir!", "Zu Befehl") weg, die viele Echtzeitstrategiespiele prägt. Statt dessen werden die Figuren anhand einer manipulierbaren Prioritätenliste einzelnen Funktionen zugewiesen, denen sie dann vollautomatisch nachgehen. In Die Siedler 2 musste man den Figuren noch Wege bauen, im dritten Teil entstehen diese von alleine: oft begangene Strecken wechseln durch Abnutzung ihre Farbe und erleichtern damit ihre eigene Benutzung. Ein selbstverstärkendes System.
Die Eigenart des "Wuselns" liegt in dieser Doppelfigur: unbedingte, auf cuteness ausgelegte Vermenschlichung der Figuren auf der einen Seite, komplette Entsubjetivierung der Figuren durch indirekte Steuerung auf der anderen. Der Siedler-Spieler verfügt über Menschen, aber er spricht sie nicht an, muss sich nie vor einem (und sei es noch so fiktiven) Individuum rechtfertigen; statt dessen lässt er die Gesamtheit der Figuren zu dem volksgemeinschaftlich wuselnden Ornament werden, das dem Deutschtum als Projektionsfläche zugehörig ist (gut, über den letzten Punkt muss ich mir wohl noch einmal genauer Gedanken machen).
(Das exakte Gegenteil wäre die großartige Civilizations-Reihe, die auf der Ebene der Systemelemente vom Menschen radikal abstrahiert, aber jedes einzelne Element dem Spieler direkt - und eben auch nicht in der immer grenzfaschistischen Echtzeit, sondern mit der Möglichkeit der Reflektion des rundenbasierten Strategiespiels - unterstellt.)

2 comments:

orcival said...

Lustig, dass zu den "Filmen gegen Deutschland" nun noch die Spielanalysen gegen Deutschland hinzu kommen. Zu Deinem Versuch, das Tümeln über das Wuseln zu erklären: was mir dabei fehlt ist eine Art von Beschränkung auf das "Eigene", also die Selbsteinengung auf den Tellerrand bzw. den auch lautlich verwandten eigenen Tümpel. Nur so als meine 5 cent...

Lukas Foerster said...

den Aspekt findet man in Die Siedler schon auch, glaube ich: es geht ja darum, ein autonomes, sich selbst tragendes Wirtschaftssystem aufzubauen, Handel (oder überhaupt Geldwirtschaft) ist nicht vorgesehen bzw spielt eine sehr geringe Rolle. Allerdings ist das in den meisten verwandten Spielen, die ich kenne (wieder mit der großartigen Ausnahme von Civilization) ähnlich, deswegen habe ich das im Text ausgelassen.