Thursday, May 10, 2012

Vénus et Fleur, Emmanuel Mouret, 2004

Mein dritter Mouret und jetzt bin ich endgültig hin und weg. Mit dem neuesten, dem spielerischen aber dabei ungemein souveränen L'art d'aimer, der nächste Woche in die deutschen Kinos kommt, hatte ich angefangen, inzwischen habe ich ihn zweimal gesehen und ich glaube nicht, dass dieses Jahr noch viel ins Kino kommen wird, das mich mehr begeistert; dann Promène-toi donc tout nu! (1999), der erste, halblange Film, eine Skizze eher, in der aber schon alles angelegt schien, was in L'art d'aimer zur Reife gelangt: die sanfte Ironie, die Auflösung von Liebe in Kommunikation und Spiel, die Experimente mit dem Voice-over, die Modulation von Raum eher innerhalb der Einstellung als im Schnitt. Die tolle Art, mit Schauspielern umzugehen, natürlich, in diesem Fall vor allem mit dem Regisseur-als-Schauspieler.

Vénus et Fleur aber öffnet das Werk noch einmal komplett neu. Der Film nimmt das Moment von Versuchsanordnung, den ironischen Laborblick (der auch in den anderen Filmen keine Beengung, keine Begrenzung impliziert, aber doch so etwas wie einen Behälter) weg und scheint sich von seinen eigenen Figuren überraschen zu lassen, von den eigenen Schauspielern, die auch keine Profis mit Profitricks sind, wie in L'art d'aimer, sondern Laien, von denen der Film lediglich manchmal zu behaupten scheint, dass sie Stars sind, aber nur, um ihnen in der Pose eine ganz spezielle Individualität abzugewinnen (tatsächlich musste ich, der immer noch sehr kontrollierten, eleganten Form zum Trotz, manchmal an Lemke denken, an dessen besten Filme natürlich nur). Vor allem von der russischen Vénus, die, vermittelt über zwei identische Handtaschen (das ist dann wieder Mouret pur) in den Film und in das Leben Fleurs (anfangs allein in der Marseiller Villa, auf Urlaub, die Verandatür öffnet sich hin auf eine Hochhaussiedlung, die etwas zu versprechen scheint, bei der der Film dann aber doch nie anlangt, die Hintergrund bleibt, wie unten, im zweiten Bild) eindringt, lässt Mouret sich überraschen, von ihrem Oberteil, auf das ein grünes Monster gedruckt ist, von ihren wilden Schreien den Jungs hinterher und von jeder Menge Tattoos auf ihrem Körper, an die die Kamera ganz nah heranfährt, vieleicht fahren muss, weil sie diesen Körper nie so ganz in den Griff bekommt.

Vénus und Fleur teilen sich ihre Kleider und irgendwann teilen sie sich auch ihre Männer, ein bisschen, da ihnen manchmal schon Knie als Sexualobjekte reichen, ist das gar kein so großes Problem. Sie reden lieber über die Zukunft als über die Vergangenheit, allein in der Stadt und Urlaub: das ist gleich doppelt Freiheit, vielleicht zieht es sie auch deshalb nicht ins Zentrum, sondern an die Ränder, an die Strände und in die Natur "vor dem Hintergrund der Hochhäuser", in denen doch wieder nur Verpflichtungen sich ergeben würden).

 Vénus und Fleur heißen die Frauen, Bonheur und Dieu die beiden jungen Männer, die irgendwann auch in der Villa aufkreuzen, am Anfang jagt Vénus am Strand noch ein paar anderen Typen hinterher, versucht sie, mit einem rot-weißen Ball einzufangen, aber dann gibt es irgendwann nur noch diese vier jungen Menschen mit den seltsamen Namen; Namen wie auf Urlaub von der Welt der Gegenwart und ihren bürgerlichen Identitäten, Namen, die schon auch irgendwie symbolisch sind, aber vor allem wie zufällig zugeteilt wirken (ich mag da einiges überhört haben, ich kann kein Französisch), provisorisch, weil man sich noch nicht ganz entscheiden will und lieber große, luftige, ein wenig wirre, als kleine, fieße, verbiesterte Gedanken haben möchte.




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