Der neben Amore schönste Fierek / Kretschmer / Leme-Film, den ich bisher gesehen habe ist Ein komischer Heiliger. Fierek steigt da am Anfang im Münchner Hauptbahnhof mit der Bibel in der Hand aus dem Zug, am Ende steigt er dann wieder ein, die Kretschmer denkt, er fährt weg, er steigt aber auf der anderen Seite wieder aus dem Zug und schaut sie einen Moment lang an, während sie noch den Waggons hinterher blickt. Sie sieht ihn dann auch (sie steht mit dem Rücken zur Kamera, ein reaction shot ist nicht notwendig, ihr kurzer Aufschrei "Wolfgang" genügt), sie überquert die Gleise und schließt den komischen Heiligen in die Arme. Das Bahngleis kommt dabei nicht ins Bild, die Kretschmer taucht einfach kurz nach unten weg. Ich dachte erst, das wäre ein trick shot, so wundervoll schwebend und märchenhaft ist die Szene, aber selbstverständlich gibt es Bahnhöfe, an denen so etwas funktioniert.
Kurz vorher: ein kurzer Blick auf ein paar Münchner Jungs.
An einem anderen Volkskino habe Lemke gearbeitet, an einem, in dem das Volk sich selber spielt, schrieb Hans Blumenberg damals in der Zeit. Ich würde vielleicht eher sagen: Lemke dreht ein Volkskino, das an die Stelle des Volkes Kretschmer und Fierek setzt. Die beiden vermitteln schon etwas von der Art widerständiger "Volkskultur", die zum Beispiel Pasolini interessiert hat, aber gleichzeitig sind sie zu exzentrisch, als dass man sie ernsthaft als Repräsentanten von irgend etwas nehmen könnte.
Alle Kretschmer / Fierek / Lemke-Filme, die ich bisher gesehen habe, sind im Grunde zwei Filme: Der eine erzählt jeweils eine generische Romkom-Geschichte (oft mit durchaus interessanten Wiederverheiratungspointen), der andere konfrontiert die beiden Volksschauspieler, denen das Volk abhanden gekommen ist, mit dem gesellschaftlichen Raum und protokolliert eine Kollision, aus der die Gesellschaft nie, Kretschmer und Fierek aber manchmal durchaus einen Nutzen ziehen. Toll ist in Ein komischer Heiliger zum Beispiel die Szene mit dem Fotografen; am tollsten aber eine Anhörung vor Gericht, die eindrücklich zeigt, dass Kretschmers unermüdliches Mundwerk von keiner Geschäftsordnung der Welt zu bändigen ist.
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