Ikite iru magorouk / The Living Magoroku, Keisuke Kinoshita, 1943
Hakai / Apostasy, Keisuke Kinoshita, 1948
Die richtig weirden Kinoshita-Filme haben Arsenal und Forum dann wohl doch ausgelassen bei der kleinen Retrospektive im letzten Monat. Zum Beispiel The Living Magoroku, sein erster, ein faschistischer Propagandafilm, dessen politischen Gehalt man nicht so einfach beiseite schieben kann wie im Fall von Jubilation Street. Trotzdem ein rührendes, sonderbares, wirres kleines Ding. Das mit einer jidaigeki-Sequenz, einer Schlacht im vormodernen Japan beginnt, in der ein eher lustlos wirkender Krieger sich in einer Plansequenz durch die auch nicht allzu motiviert scheinenden Feindeshorden schlachtet. Eine anschließende Plansequenz lässt ihn dann im hohen Gras verschwinden, aus dem urplötzlich mit Gewehren bewaffnete Soldaten auftauchen; der Sprung in die Gegenwart führt aber nur auf einen Truppenübungsplatz, der Krieg selbst ist in diesem Film aus dem Jahr 1943 noch weit weg. Überraschend weit dafür, dass andauernd über ihn geredet wird, dass sich alle Handlungen eigentlich auf ihn beziehen sollten. So recht kann man sich aber nicht vorstellen, dass die dezent verwirrten jungen Männer mit den offenen aber doofen Gesichtern, die einen Großteil des Personals ausmachen, den Worten Taten folgen lassen und sich bald todesmutig in die Schlacht stürzen werden.
Der propagandistische Gehalt ist in sich reichlich widersprüchlich: Einerseits soll, schon durch den Zeitsprung nach dem Prolog, eine Kontinuität hergestellt werden zwischen dem Edelmut der Samurai und der faschistoiden Opferbereitschaft der gegenwärtigen Jugend. Von altehrwürdigem Blut, das durch die Adern fließt ist viel die Rede, auch von Familienstammbäumen, die krudeste der vielen kruden storylines beschäftigt sich mit einem historischen Schwert, das vielleicht eine Fälschung ist, vielleicht auch nicht; irgendwann war mit dieses spezielle Ideologem etwas zu doof, um es bis ins Einzelne weiterzuverfolgen, offen gestanden. Andererseits aber geht es darum, Vergangenes vergangen sein zu lassen, das Schlachtfeld, auf dem sich einst die Samurai an die Gurgel gingen, zu entehren und zur Nahrungsmittelproduktion zweckzuentfremden. Der antinostalgische Zug des Films kippt zwar immer wieder ins offen Menschenfeindliche, doch hinter der falschen Befreiung im Namen der großjapansichen Nation scheint immer mal wieder die Möglichkeit einer richtigen auf.
Die dann fünf Jahre später im wunderschönen, aber schon auch ziemlich wahnwitzigen Apostasy versucht wird, der durchaus auch ein Propagandafilm ist; ich weiß nichts über die Produktion, aber es würde mich nicht wundern, wenn dieses Traktat wider das traditionelle Klassensystem und insbesondere die Diskriminierung der Burakumin ein pet project der damals noch idealistischen amerikanischen Besatzungsmacht war. So ganz einfach komme ich nicht damit klar, wie da ein offensichtlicher Systemregisseur (wenn auch einer, der sich filmästhetisch nicht infizieren lässt) plötzlich zum liberalen, progressiven Prediger mutiert. Ich bilde mir ein, dass man da eigentlich mehr von einem biografischen, existenziellen Bruch spüren müsste, als ich spüren kann; andererseits wäre es anmaßend, Kinoshita deswegen einen Vorwurf zu machen. Und wenn ich dann bedenke, dass Kinoshita im selben Jahr wie Apostasy auch Onna gedreht hat, also zwei Filme, die tonlagenmäßig kaum weiter voneinander entfernt sein könnte (über-Moll vs Weirdo-Dur), dann entzieht sich dieser komische, große Regisseur gleich noch ein Stück weiter meinem immer schon auteuristischen Zugriff (ach, hätte ich doch ordentlich Japanisch gelernt und könnte jetzt, begleitend zu meiner Privatretrospektive dieses Buch lesen).
Apostasy ist ein einziges Martyrium, das der melodramatischen Grundierung, die alle Kinoshita-Filme prägt, endgültig freie Hand gibt, ein einziger Verzichtsexzess, angetrieben von einer stets wiederkehrenden Melodie, die beim ersten Mal noch leichtfüßig-berückend wirkt, sich dann aber mit jedem Abspielen mehr in einen ultradepressiven Trauermarsch verwandelt, der den gesamten Film mit sich reißt. Nur wohin? Nicht wirklich ins Verderben, auch wenn zwischendurch Gesichter bluten und Tränen fließen. Am ehesten vielleicht in eine tragische Variante der Aufklärung, in der der Sieg der Vernunft nur zu haben ist nach vielen Opfergaben und mit einem soundtrack from hell.
Hakai / Apostasy, Keisuke Kinoshita, 1948
Die richtig weirden Kinoshita-Filme haben Arsenal und Forum dann wohl doch ausgelassen bei der kleinen Retrospektive im letzten Monat. Zum Beispiel The Living Magoroku, sein erster, ein faschistischer Propagandafilm, dessen politischen Gehalt man nicht so einfach beiseite schieben kann wie im Fall von Jubilation Street. Trotzdem ein rührendes, sonderbares, wirres kleines Ding. Das mit einer jidaigeki-Sequenz, einer Schlacht im vormodernen Japan beginnt, in der ein eher lustlos wirkender Krieger sich in einer Plansequenz durch die auch nicht allzu motiviert scheinenden Feindeshorden schlachtet. Eine anschließende Plansequenz lässt ihn dann im hohen Gras verschwinden, aus dem urplötzlich mit Gewehren bewaffnete Soldaten auftauchen; der Sprung in die Gegenwart führt aber nur auf einen Truppenübungsplatz, der Krieg selbst ist in diesem Film aus dem Jahr 1943 noch weit weg. Überraschend weit dafür, dass andauernd über ihn geredet wird, dass sich alle Handlungen eigentlich auf ihn beziehen sollten. So recht kann man sich aber nicht vorstellen, dass die dezent verwirrten jungen Männer mit den offenen aber doofen Gesichtern, die einen Großteil des Personals ausmachen, den Worten Taten folgen lassen und sich bald todesmutig in die Schlacht stürzen werden.
Der propagandistische Gehalt ist in sich reichlich widersprüchlich: Einerseits soll, schon durch den Zeitsprung nach dem Prolog, eine Kontinuität hergestellt werden zwischen dem Edelmut der Samurai und der faschistoiden Opferbereitschaft der gegenwärtigen Jugend. Von altehrwürdigem Blut, das durch die Adern fließt ist viel die Rede, auch von Familienstammbäumen, die krudeste der vielen kruden storylines beschäftigt sich mit einem historischen Schwert, das vielleicht eine Fälschung ist, vielleicht auch nicht; irgendwann war mit dieses spezielle Ideologem etwas zu doof, um es bis ins Einzelne weiterzuverfolgen, offen gestanden. Andererseits aber geht es darum, Vergangenes vergangen sein zu lassen, das Schlachtfeld, auf dem sich einst die Samurai an die Gurgel gingen, zu entehren und zur Nahrungsmittelproduktion zweckzuentfremden. Der antinostalgische Zug des Films kippt zwar immer wieder ins offen Menschenfeindliche, doch hinter der falschen Befreiung im Namen der großjapansichen Nation scheint immer mal wieder die Möglichkeit einer richtigen auf.
Die dann fünf Jahre später im wunderschönen, aber schon auch ziemlich wahnwitzigen Apostasy versucht wird, der durchaus auch ein Propagandafilm ist; ich weiß nichts über die Produktion, aber es würde mich nicht wundern, wenn dieses Traktat wider das traditionelle Klassensystem und insbesondere die Diskriminierung der Burakumin ein pet project der damals noch idealistischen amerikanischen Besatzungsmacht war. So ganz einfach komme ich nicht damit klar, wie da ein offensichtlicher Systemregisseur (wenn auch einer, der sich filmästhetisch nicht infizieren lässt) plötzlich zum liberalen, progressiven Prediger mutiert. Ich bilde mir ein, dass man da eigentlich mehr von einem biografischen, existenziellen Bruch spüren müsste, als ich spüren kann; andererseits wäre es anmaßend, Kinoshita deswegen einen Vorwurf zu machen. Und wenn ich dann bedenke, dass Kinoshita im selben Jahr wie Apostasy auch Onna gedreht hat, also zwei Filme, die tonlagenmäßig kaum weiter voneinander entfernt sein könnte (über-Moll vs Weirdo-Dur), dann entzieht sich dieser komische, große Regisseur gleich noch ein Stück weiter meinem immer schon auteuristischen Zugriff (ach, hätte ich doch ordentlich Japanisch gelernt und könnte jetzt, begleitend zu meiner Privatretrospektive dieses Buch lesen).
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