Monday, September 23, 2013

Hofbauerkongress: Barbara - Wild wie das Meer, Frank Wisbar, 1961

Mein Kongress-Lieblingsfilm: Ein entfesseltes Melodram, ein einziger, nur ganz an der Oberfläche unterkühlt anmutender Gefühlsexzess, fast unbehauen hineingestellt ins noch etwas steife deutsche Nachkriegskino und auch in die noch etwas steife deutsche Sprache der frühen Sechziger.

Barbara kann man nur übers Meer erreichen; und auch dann muss man noch einmal eine mehrtägige Fahrt übers Land auf sich nehmen, bis in den hintersten Winkel der Färöer. Da, am Ende der Welt, lebt sie, die von den anderen Insulanern begehrt, verflucht und verteufelt wird, eigentlich ein kleinbürgerliches Leben in einem adretten Landarzthaus, kann sich nicht einmal gegen die Kontrollblicke des Gärtners wehren. Das Freie, Ekstatische, wild-Romantische und das Beengte, Kleine, Angepasste stehen oft eng beieinander in Barbara; und immer stehen sie so beieinander, wie man es handlungslogisch / küchenpsychologisch keineswegs erwarten würde.

Erst wenn man einen freimütig mit seinen Figuren umgehenden Film wie Barbara sieht, merkt man, wie sehr in den meisten anderen Filmen alles immer schon entschieden ist. In Barbara kann man mehrmals direkt dabei zusehen, wie die Figuren sich umentscheiden, wie sie erst das Eine tun wollen, und dann plötzlich und ohne, dass man bis ins Letzte nachvollziehen könnte, wie es dazu gekommen ist, genau das Andere tun: Barbara kann man dabei zusehen, wie sie das Aufbegehren gegen den Ehemann sein lässt und ihm plötzlich in die Arme fällt, obwohl er sie unangemessen einengt. Ein Schock ist das, weil das in dem Moment nichts von Taktik oder gequält-sich-dem-Schicksal-ergeben hat, weil sie dabei nichts zurückhält, weil sie sich vollständig ergibt. Wenn sie dann später ihre Jugendliebe nach einigen Widerständen küsst, mit ihm bald abhaut und dann schließlich ein „Leben jenseits der konventionellen Moral“ zwischen zwei Männern führt, bis sie vor einem kalten Ofen fast erfriert, streicht das die vorherige Umarmung nicht aus; sie galt, in letzter Instanz, nie einem einzelnen Mann.


Ob Dominik Graf Barbara gesehen hat, bevor er Der Felsen, seinen eigenen Inselfilm, gedreht hat? Zumindest habe ich jetzt einen würdigen Vorgängerfilm entdeckt.

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