Mein Kongress-Lieblingsfilm: Ein
entfesseltes Melodram, ein einziger, nur ganz an der Oberfläche
unterkühlt anmutender Gefühlsexzess, fast unbehauen hineingestellt
ins noch etwas steife deutsche Nachkriegskino und auch in die noch etwas steife
deutsche Sprache der frühen Sechziger.
Barbara kann man nur übers Meer
erreichen; und auch dann muss man noch einmal eine mehrtägige Fahrt
übers Land auf sich nehmen, bis in den hintersten Winkel der Färöer.
Da, am Ende der Welt, lebt sie, die von den anderen Insulanern
begehrt, verflucht und verteufelt wird, eigentlich ein
kleinbürgerliches Leben in einem adretten Landarzthaus, kann sich
nicht einmal gegen die Kontrollblicke des Gärtners wehren. Das
Freie, Ekstatische, wild-Romantische und das Beengte, Kleine,
Angepasste stehen oft eng beieinander in Barbara; und immer stehen
sie so beieinander, wie man es handlungslogisch / küchenpsychologisch keineswegs erwarten würde.
Erst wenn man einen freimütig mit
seinen Figuren umgehenden Film wie Barbara sieht, merkt man, wie sehr
in den meisten anderen Filmen alles immer schon entschieden ist. In
Barbara kann man mehrmals direkt dabei zusehen, wie die Figuren sich
umentscheiden, wie sie erst das Eine tun wollen, und dann plötzlich
und ohne, dass man bis ins Letzte nachvollziehen könnte, wie es dazu
gekommen ist, genau das Andere tun: Barbara kann man dabei zusehen,
wie sie das Aufbegehren gegen den Ehemann sein lässt und ihm
plötzlich in die Arme fällt, obwohl er sie unangemessen einengt.
Ein Schock ist das, weil das in dem Moment nichts von Taktik oder
gequält-sich-dem-Schicksal-ergeben hat, weil sie dabei nichts
zurückhält, weil sie sich vollständig ergibt. Wenn sie dann später
ihre Jugendliebe nach einigen Widerständen küsst, mit ihm bald
abhaut und dann schließlich ein „Leben jenseits der
konventionellen Moral“ zwischen zwei Männern führt, bis sie vor
einem kalten Ofen fast erfriert, streicht das die vorherige Umarmung
nicht aus; sie galt, in letzter Instanz, nie einem einzelnen Mann.
Ob Dominik Graf Barbara gesehen hat,
bevor er Der Felsen, seinen eigenen Inselfilm, gedreht hat? Zumindest
habe ich jetzt einen würdigen Vorgängerfilm entdeckt.
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