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Tuesday, April 30, 2019

Konfetti 32: Artefakte

Mit dem analogen Kino verschwinden seine Artefakte – all die Schrammen, Laufstreifen und sonstigen Fehler, die eigentlich keine Fehler sind, sondern Gebrauchsspuren. Beziehungsweise Verbauchsspuren. Einen Film vorführen heißt, ihn zu zerstören. Wie Narben auf dem Körper eines Soldaten verweisen die Artefakte des analogen Bilds auf vergangene Einsätze. Und wie die Narben auf dem menschlichen, können auch die auf dem filmischen Körper schön sein. Vielleicht könnte man sogar sagen: Wenn man sich lange genug mit den Narben des analogen Kinos beschäftigt, werden sie fast alle schön. Klar: manche mehr, manche weniger. Ein dicker Laufstreifen im Zentrum des Bildess sicherlich eher weniger; da überträgt sich der Akt der Aggression, dem der Filmstreifen einst einheimgefallen war, fast ungefiltert auf die Zuschauerin.

Das schönste Artefakt auf dem diesjährigen 18. außerordentlichen Kongress des Hofbauerkommandos, einem der analogen Filmprojektion verpflichteten Off-Festival im Kommkino Nürnberg, ist dezenter, es ziert ein paar Minuten des atmosphärischen, dabei weniger hypnotischen als selbst etwas schläfrigen Exorzistenfilms L‘osceno desiderio (Giulio Petroni, 1978). Auf der Leinwand erscheinen plötzlich zwei grünliche Flecken. Sie befinden sich auf der rechten Bildhälfte, senkrecht übereinander, mit gleichbleibendem Abstand voneinander. Vom Fleck bewegen sie sich nicht, aber sie sind auch nicht ganz stabil. Sie flackern und morphen, mal sind sie fast rund, mal schlagen sie ein bisschen zur Seite aus, vor allem nach rechts oben, mal strecken sie sich in die Länge und bilden einen Winkel. Insbesondere in letzterem Zustand ähneln sie zwei Vögeln, die flügelschlagend durch den Film gleiten. Oder vielleicht eher, weil sie sich ja nicht vom Fleck bewegen: Der Film gleitet um sie herum. Sie, nicht der Film, sind der (doppelte) Fixpunkt der filmischen Welt.

Bei einer früheren Vorführung muss, lasse ich mir erklären, der Filmstreifen aus seiner Laufbahn gesprungen und von einem der Zahnräder des Projektors erfasst worden sein. So lässt sich die relativ scharf umrissene Form der Schädigung erklären, ihre stabile Stellung im Bild, sowie der stabile Abstand der beiden Schädigungen. Es ist also die den Filmstreifen antreibende Mechanik, die einige Szenen lang direkt im Bild aufscheint. Genauer: Sichtbar werden – im Moment und aufgrund ihres vorübergehenden Zusammenbruchs – die mechanischen, regelhaften, mathematisch exakt durchkalkulierten physischen Voraussetzungen des in sich deutlich amorpheren, variableren, weicheren ästhetischen Erlebnisses Film.

Wobei die Pointe darin besteht, dass auch der mechanistische Überschuss im Bild sich im Moment der Projektion in ästhetischen, nichtmechanischen Mehrwert verwandelt. Eben, weil mich die Schrammen, sobald sie nicht mehr als physische (potentiell ertastbare) Makel des Zelluloidstreifens, sondern als auf die Leinwand projizierte Lichtphänomene erscheinen (die Leinwand selbst ist schließlich nicht beschädigt), an wie von Zauberhand in den Illusionsraum hineinprojizierte abstrakte Vogelkreaturen erinnern.

Nicht zuletzt passen sich diese Artefakte perfekt ins Farbschema des Films ein; oder genauer: ins Farbschema der Kopie. Die hat, wie viele aus dieser Zeit, inzwischen einen gehörigen Rot-, beziehungsweise Rotbraunstich. Das passt gar nicht so schlecht zum somnambulen Minimalismus eines Films, der die Erwartungen, die das zeitgenössische Publikum an Genrekino dieser Art gestellt haben dürfte, weitgehend gar nicht erfüllt: wenig Nacktheit und Sex, noch weniger Horror, zumindest bis kurz vor den Exorzismus nicht einmal allzu viel Hysterie. Stattdessen zumeist nur eheliche Tristesse in schummrig-großbürgerlichen Interieurs, schöne aber kaum wagemutige Siebzigerjahrekleidung mit vielen Stickereien, außerdem ein ziemlich verrücktes Bett, an dessen Kopfseite strudelartige Holzstrahlen befestigt sind. Jetzt hat sich, dem Lauf der Zeit und den photochemischen Eigenschaften des Zelluloidmaterials sei es gedankt, auch visuell alles saftig Grelle aus dem Film verabschiedet, insbesondere die Blau- und Gelbtöne sind fast komplett verschwunden. Nur das Grün ist noch weitgehen erhalten, es stemmt sich gegen die rote Flut und wird zum entscheidenden Element der Formgebung. In den Innenszenen ornamentalisiert das hier dezent eingesetzte Grün die Garderobe und die Inneneinrichtung, in den wenigen Außenszenen überschwemmt es das Bild komplett, lässt es, aufatmen, Energie tanken.

Und dann sind da eben noch die beiden grünen Zahnradvögel. Die fügen sich perfekt ein in die gedämpfte Visualität von L‘osceno desiderio; aber natürlich ohne je komplett mit dessen Illusionsraum zu verschmelzen. Eher sind das Urzeitvögel, Zeugen einer anderen, älteren bildlichen Dimension, die durch einen Riss in der audiovisuellen Matrix geschlüpft sind, sich ein wenig in einem vergessenen italienischen Genrefilm der späten 1970er umsehen – und bald wieder spurlos verschwinden.
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Wednesday, January 11, 2017

16. Hofbauerkongress: ranking

***** Eva nera, Joe D'Amato, 1976

Sogar Laura Gemser träumt vom Schlangentanz der Laura Gemser.

***** Syrtaki - Erotik ohne Maske, Giorgos Papakostas, 1966

**** Dirty Love, Joe D'Amato, 1988

**** Der Liebe auf der Spur, Folge 1-4, Mietek Lewandowski, 1988

**** Mit der Pille umso toller / Il ginecologo della mutua, Joe D'Amato, 1977

Ein Film, der auf der gnadenlosen Analyse der comedia sexy beruht: Will man möglichst viel Sex in möglichst vielen Variationen und mit möglichst viel Frauen aus möglichst vielen unterschiedlichen sozialen Schichten, und außerdem noch möglichst viel männliche Überforderung in einem Film unterbringen, dann kommt fast automatisch ein Gynäkologenfilm dabei heraus, der Beischlaf als therapeutische Fließbandmaloche präsentiert. Wunderbarerweise ist die deutsche Synchronisation dieser irgendwann nur noch in sekundenkurzen szenischen Fragmenten vor sich hin delirierenden Ultrafarce komplett gewachsen und labert die Tonspur konsequent mit nicht einmal besonders zotigen Nonsensemonologen voll. Zoten beruhen schließlich auf einer Restscham, die man sich durch Selbstvulgarisierung vom Leib zu halten sucht. D'Amato ist das Konzept der Scham, und deshalb auch das der Zote fremd.

**** Verbotene Spiele auf der Schulbank, Jürgen Enz, 1980

*** amerikanischer Überraschungsfilm

*** Delizia, Joe D'Amato, 1986

*** Verflixt nochmal... wer hat, der hat / O Bem Dotado - O Homem de Itu, Jose Miziara, 1978

Ewiger Ehrenoscar für die bestmögliche Vertonung der Kollision eines steifen Riesenpenises mit einer Ritterrüstung.

** Heubodengeflüster, Rolf Olsen, 1967

** Das Bad auf der Tenne, Volker von Collande, 1943

** japanischer Überraschungsfilm

Saturday, January 07, 2017

16. Hofbauerkongress: Auto-Erotik

Ein Leben auf dem Beifahrersitz: Schon in der ersten Szene von Joe d'Amatos sehr schönem Dirty Love ist Terry Jones den Blicken und Handgreiflichkeiten eines Kraftfahrers ausgesetzt, der über ihren Körper so selbstverständlich verfügt wie über den Schaltknüppel, welcher wiederum auf einen anderen Knüppel verweist. Auf ihrer Flucht aus der Heimat in Richtung Tanzschule landet sie auf zwei weiteren Beifahrersitzen, die fast wie automatisch dieselben Mechanismen, Blickachsen reproduzieren. Die Männer mögen am längeren Hebel sitzen, letztlich sind auch sie dem Sexualdispositiv Auto ausgeliefert. D'Amato - ein Materialist des Begehrens.

Eine tolle Gegenszene eine Vorführung später in der vierten Episode der gleichfalls sehr schönen FWU-Serie "Der Liebe auf der Spur": Ein fast schon fiebrig verträumtes Teeniemädchen mit "Vom Winde verweht"- und sonderbarerweise auch Blauwal-Fantasien lehnt sich in abenteuerlicher Fantasie-Raubtierkluft an eine ebenso stylisch aufgetakelte amerikanische Limousine, die im Westdeutschland der 1980er wie ein UFO wirkt. Der junge Mann, den sie sich mit dieser Pose anlachen will und der die ganze Szene über an einem eher jämmerlichen Moped herumschraubt, aber nicht einmal das in Gang bekommt, ist hoffnungslos überfordert.

Wenig später sitzt er mit einer Anderen in einem Auto, aber er sitzt auf dem Trockenen. Das Auto fährt nicht, er tut lediglich so, als würde er über die Highways in seinem Kopf rasen. Als er sich dann endlich der bereits ziemlich frustrierten Beifahrerin zuwendet, stellt er sich ziemlich ungeschickt an und wird von ihr schnell zur Ordnung gerufen. Freilich ist ihre Vorstellung einer automobilen Romanze, die sie wenig später in die Tat umsetzt, auch nicht nur ein wenig creepy. Denn während sie ihn zärtlich zu streicheln beginnt, fragt sie ihn gleichzeitig über seine Karrierepläne aus. Ohne seinen Meisterbrief und sein commitment zur Rolle als Familienvater wird sich der Mechanismus ihres Begehrens nicht in Gang setzen.

Insofern ist Dirty Love bei aller Härte, mit der Körper in Begehren und Begehren in Geld umgerechnet wird, nicht unbedingt der pessimistischere, resigniertere Film. Der eine Mann, der ihren Körper nicht gleich bei der ersten Begegnung in Stimulationssegmente zerlegt, schenkt ihr aus heiterem Himmel ein Fahrrad. Ein Fahrrad hat keinen Beifahrersitz. Insofern sind die langen Passagen, in denen d'Amato Terry Jones beim Radeln filmt und sie in deep focus langsam in den Bildvordergrund gleiten lässt, Sinnbilder einer erotisch-technischen Utopie. Am Ende allerdings gibt sie das Fahrrad zurück. Und nimmt, auch wenn man das zum Glück nicht mehr sieht, wieder auf dem, wie die bittere Schlusspointe zeigt, strikt patriarchal strukturierten Beifahrersitz platz.

(Wie verhält sich Dirty Love zu Dirty Dancing? Wie eine Demaskierung? Wie eine Reduktion? Oder doch eher wie eine Verallgemeinerung?)

Thursday, February 12, 2015

Lexikon des anderen Films 1: Vanessa, Hubert Frank, 1977

Auf der Tonspur lockt die ohrwurmverdächtige Titelmelodie: “Vanessa… Vanessa”. Die derart beschworene Vanessa wurde gestern noch in der lustfeindlichen deutschen Klosterschule gepiesackt, heute lümmelt sie sich großartig dekadent an einem Hongkonger Sandstrand in einen atemberaubend stylischen Baststuhl. Kleider hat sie, wie auch sonst zumeist, keine an. An Sex hat sie trotzdem nicht allzu viel interesse, die ist einfach nur, wie der Film, der nach ihr benannt ist: neugierig auf die Welt - und die Kleider wären doch nur der Neugier im Weg.

Hubert Franks Vanessa ist eine erotische Seventies-Extravaganz sondergleichen, ein Softporno-Weltpanorama von Sternbergscher Eleganz, in dem auch wilde Tiere und Autofahrten vor nebelverhangenen Traumlandkulissen ihren Platz haben. Der konventionellen Filmgeschichte mag ein Film wie Vanessa nicht viel mehr sein als eines unter vielen Emmanuelle-Rip-Offs, dem Markt nicht mehr als Futter für die wenigen verbliebenen Late-Night-Erotika-Sendeplätze. Zu seinem Recht kommen (das heißt: als Klassiker einer unsichtbaren, anderen, aufregenderen Filmgeschichte gefeiert werden) kann ein Film wie Vanessa nur auf einer, und da stimmt die Bezeichnung für einmal tatsächlich, Liebhaberveranstaltung wie den Nürnberger Hofbauerkongressen.

Sunday, August 31, 2014

Hofbauerkongress 13: ratings

***** Deep Inside, Joseph W. Sarno, 1968
***** Vanessa, Hubert Frank, 1977
***** Erich Lusmann, Rainer Knepperges, 2008
**** Atemlos vor Liebe, Dietrich Krausser, 1970
**** Wegen Verführung Minderjähriger, Hermann Leitner, 1960
**** Wang Yung - Stahlharte Hongkong-Killer, Chang Cheh / Tsai Yang Ming, 1973
**** Assembly Line, Mort Heilig, 1962
**** Sigi Götz Collectors Item, Ulrich Mannes, 1998
**** Ce corps tant desire / Mädchen des Lasters, Luis Saslavsaky, 1959
**** Dir muss er ja nicht gefallen, Stephan Franz, 1979
*** Holiday in St. Tropez, Ernst Hofbauer, 1964
*** Drei Schwedinnen in Oberbayern, Sigi Rothemund, 1977
** Eskimo Limon / Eis am Stiel, Boaz Davidson, 1978
** Dirty Lily, Chuck Vincent, 1978
* Grün ist die Heide, Harald Reinl, 1972
* Rätten att älska / Das Recht zu lieben, Mimi Pollak, 1956
* Underground, ?, ?
* Desiderando Giulia, Andrea Barzini, 1986
* Hedonistic Communication, ?, ?

Sunday, July 27, 2014

Hofbauerkongress 13: Atemlos vor Liebe, Dietrich Krausser, 1970

aka Flash-Teens im Blitzlicht

Nach dem Film war ich mir nicht sicher, ob ich zwischendurch eingeschlafen war, und verpasst hatte, wie sich ein äußerst finsterer, beklemmender Exploitationfilm, ein deutscher Last House on the Left, in eine bezaubernde Teenieromanze verwandelt hat. Im Gespräch stellte sich heraus, dass es anderen ähnlich ergangen war. Dass sich niemand erklären konnte, wie es möglich ist, dass der Film seinen eigenen Beginn (die eine Frau, die von strumpmaskiertschnurrbärtigen Brutalos an einen Tisch gefesselt wird, die andere Frau, die nackt in den Wald hinein geschleift und dort fotografisch vergewaltigt wird, der Zufallssex auf dem Kellersofa, vor den Augen der Kellerclique, der Augenaufschlag der Hauptdarstellerin, als sie an der Reihe ist) nicht nur negiert, sondern komplett vergisst. (Auch möglich: dass alle tatsächlich gleichzeitig eingeschlafen sind. Massenhypnose, vielleicht als Nachwirkung aus Vanessa?).

Psychoanalytisch ist das freilich ein klarer Fall von Überkompensation. Sobald der Film die beklemmenden Kellerwelten des Beginns hinter sich lässt, fahren die Leute in spielzeugartigen Autos mit Herzchen auf der Fahrertür durch ein provinziell-menschenleeres Berlin, das sich in einer Art Dauersommerferienstimmung zu befinden scheint: Die wenigen Daheimgebliebenen sind (gerade libidinös) etwas sediert, aber rundum zufrieden, liegen auf Flachdächern herum, telefonieren mit putzigen, bunten Telefonen. Von den bad guys bleiben nur drei Witzfiguren übrig, die einen harmlosen Plan maximal inkompetent gegen die Wand fahren. Am Ende reicht es, ihnen die Tür aufzuhalten, sie entfernen sich dann freiwillig aus dem Film.

Die zentrale Liebesgeschichte, die die zweite Filmhälfte (mit Fußballreportern gesprochen) nach Belieben dominiert, entfaltet sich in zärtlichen Tableaus, eigentlich außerhalb der Zeit, ist geprägt von einem Wechselspiel aus Verständnis und Verzicht, das, gleich mehrmals, glaube ich, in dem Wort "Genießerin" kulminiert: "Nun reicht es aber, Du Genießerin, es soll doch noch etwas für morgen übrig bleiben."

Saturday, July 26, 2014

Hofbauerkongress 13: und weiter

und weiter im inzwischen etwas abgekühlten, dafür aber zunehmend gut belegten Filmhauskino mit Ernst Hofbauer himself: Holiday in St. Tropez ist etwas erträglicher als die ersten beiden seiner Filme, die ich (auf vorherigen Kongressen) gesehen habe, einfach wegen der puren Durchgeknalltheit der Schlager und ihrer Bebilderung. (Die durchgeknallteste Bebilderung habe ich wohl verpasst, den Song immerhin gibt es auf Youtube). Scheint ringsum sehr gut angekommen zu sein, mein Fall ist's trotzdem immer noch nicht, dieses Kalauernde, die Montage, die Menschen zu Material reduziert (und deshalb einfach wenig Eigenheiten zulässt). Die Szene, in der ein Polizist einen Knüppel schwingend durch ein Cafe läuft und einen besonders weirden, traurigen Schlager singt ("große Liebe war es nie / das weißt du ja / aber immer / bin ich für Dich da"), gehört zu den besten des Films, macht mir aber auch klar: Wenn schon Schlagstockkino, dann lieber Chang Cheh als Hofbauer.

(Super trotzdem: Alle Szenen mit Sumpfgewächs Margitta Scherr: Zunächst noch eingesperrt im Upperclass-Elternhaus, ein tracking shot durch den herrschaftlichen Garten, im Hintergrund rennt ein Hund mit. Ihre ennui manifestiert sich in einer der wenigen wirklich eleganten Einstellungen des Films: sie sitzt am Bildrand im Vordergrund, wendet sich den Eltern ab und der Kamera zu, den Kopf auf die Stuhllehne gestützt. Später dann Rebellion im Schlabberpulli, aber gleich schon relativiert: "Ich bin verkommen, aber gutartig". Ein Satz, der zu vielen Kongressfilmen passt, bisher.)

Giulia bzw Desiderando Giulia von Andrea Barzini erweist sich als ein sediertes, sedierendes Stück Upperclass-Erotika wie straight aus dem Ninetiesnachtprogramm der Privaten, mit einer üppigen Hauptdarstellerin, deren Fülle sich im Lauf des Films als genauso unsinnlich erweist wie alle anderen Zeichen von Reichtum, mit denen der Film zugekleistert ist.

Dann aber... nach faulem 35mm-Glamour (wieder einmal: die ranzigsten Filme kommen in den besten Kopien) rauhe Digitalehrlichkeit: Wegen Verführung Minderjähriger von Hermann Leitner, laut imdb eine österreichische Produktion - und ein kleines Wunderwerk frühexploitativer Funktionalität. Ein (abgesehen von einer juristischen Rahmenhandlung) geradliniger, auf seine Art sehr offenherziger Film über etwas betuliche alte Herren, die sich nicht zu helfen wissen angesichts der Avancen der jungen Dinger, besonders derer von Marisa Mell. Es beginnt im Unterricht, eine Mädchenklasse, auf den Lehrer hin ausgerichtet. Dessen Fragen kann nur die Streberin Marisa beantworten. Später, nachdem ihre Eltern bei einem Unfall gestorben sind, quartiert sie sich bei ihm ein. Und besucht mit ihm etwas, das sie für ein Jazzkonzert hält (und wo sie, wie auch sonst den gesamten Film über, von zwei Jungs gestalkt wird, die ihr sich anbahnende Affäre zu sabotieren versuchen, dabei aber selten zwingedere Mittel als Papierkügelchen einsetzen). Und liegt neben der gleichaltrigen, aber unreiferen Tochter des Lehrers auf dem Bett, Nabokovs Lolita lesend. Ein Bein nach oben abgeknickt. Die Lehrerstochter (die ein interessantes Gesicht hat) versucht die Pose nachzuahmen. Das Drehbuch ist ganz darauf ausgerichtet, Situationen herzustellen, in denen Marisa mit dem Lehrer allein ist (bzw dabei eben nur von den beiden Stalkern beobachtet wird, die auch anzeigen, dass es im Film nicht um echte Intimität geht, sondern um etwas, das immer alle angeht). Schon gegen diese Drehbuchpläne kommt der Lehrer nicht an, gegen seine Gefühle erst recht nicht. Ein Film über Entmächtigung.

Friday, July 25, 2014

Hofbauerkongress 13: Wang Yung - Stahlharte Hongkong-Killer aka Police Force, Chang Cheh / Tsai Yang Ming, 1973

Im spätnachmittäglich erhitzten Filmhauskino ein verschwitzter, schweißtreibender Film, in dem ich mich gleich in den ersten Einstellungen wohl fühle: Zooms als zugreifende Blicke, da hinten ist was, das müssen wir uns näher anschauen, und am besten gleich noch einmal aus einer anderen Perspektive, die Welt wird immer gleichzeitig gescannt und geformt. Und: Die Welt ist eher Bewegungszusammenhang als Handlung. Beziehungsweise: Zusammenhang von Bewegung und Nichtbewegung (ein toller Schwenk über eine Landschaft, die sich dann sofort als Fototapete zu erkennen gibt).

Ein Pärchen tollt durch die Natur (im Hintergrund eine Art Observatorium), der Mann schießt Fotos von der posierenden Frau, die beiden werden überfallen, er wehrt sich lange, selbst noch, nachdem ihm die Hände hinterm Rücken zusammengebunden werden, er stirbt dann aber doch. Die Art, wie seine Leiche dann nicht am Boden rumliegt, sondern an eine Art Geländer lehnend drapiert wird, gibt einen ersten Hinweis darauf, dass der Film etwas Fetischistisches hat.

Deutlicher macht das eine Szene wenig später: Der Rachewunsch geht von der Frau auf den Kumpel des Toten über, und zwar per Gedankenübertragung. Jedenfalls sprechen die beiden in der Szene, in der sie sich gegenübersitzen und in der der Kumpel beschließt, Polizist zu werden, um den Toten zu rächen, nicht miteinander, sie raunen sich nur per Voice Over an.

Das Heteroverlangen bleibt keusch: Mehr als Bilder voneinander machen ist nicht drin. Solange der erste Mann noch lebt, fotografiert er die Frau. Wenn er tot ist, fertigt die Frau ein Phantombild von einem anderen Mann, vom Täter, an. Die entsprechende Szene ist umwerfend: Sie sitzt auf der Polizeiwache in einem kinoartigen Raum, an die Wand werden Zeichnungen einzelner Gesichtspartien geworfen, aus denen sie sich eine hinskizzierte Version des Toten zusammenbaut, die nicht nur gut getroffen, sondern auch eerily handsome ist. Natürlich auch eine Szene, die zeigt, wie gutes populäres Kino, zum Beispiel aus Hongkong, funktioniert: Es entwirft Stilisierungen, aber nicht irgendwelche, sondern solche, die auf ein Verlangen reagieren.

Eindeutig wichtiger ist das Homoverlangen. Die Frau rückt schnell in den Hintergrund, wird zu einer Einflüsterin, fast zu einer Art psychischen Macht, die das homoerotische Verlangen kanalisiert, auf Rache und physische Gewalt hin ausrichtet. So offen fetischistisch wie in einigen anderen Cheh-Filmen wird das nie; aber das Ende lässt keine Fragen offen: Die Frau ist tot, der Mann bekommt einen neuen Schlagstock.

Toll die Exerzierszenen der Polizisten. Vor allem die zweite, am Ende, die solange zelebriert wird, bis man nur noch lächerlich hampelnde Männchen sieht.

Monday, January 13, 2014

Hofbauerkongress Nummer 12, rating

***** Cover Girls, Jose Benazeraf, 1964
***** Les filles sement le vent / Die Ernte der sündigen Mädchen, Louis Soulanes, 1961
***** St. Pauli zwischen Nacht und Morgen, Jose Benazeraf, 1967
***** Geheime Lüste blutjunger Mädchen, Jürgen Enz, 1978

**** Der Perser und die Schwedin, Akramzadeh, 1961
**** Die Klosterschülerinnen, Eberhard Schröder, 1972
**** Erotische Tempelrituale in Japan, ?, ?
**** So viel nackte Zärtlichkeit, Günter Hendel, 1969
**** New York City Inferno, Jacques Scandelari, 1978
**** Skaterdater, Noel Black, 1966
**** Farbige Liebelei, Kurt Baum, 1956
**** Otto Lara Rezende ou... Bonitinha, Mas Ordinária / Quellen der Erotik, Jose P. Carvalho, 1963
****Sollazzevoli storie di mogli gaudenti e mariti penitenti - Decameron nº 69 / Hemmungslos der Lust verfallen, Joe d'Amato, 1972

*** American Angels: Baptism of Blood, Beverly & Ferd Sebastian, 1989
*** It's All for Sale, Alexander Maxwell, 1969
*** Nikutai joyu nikki / Ungezähmte Erotik, Shinya Yamamoto, 1968

** La curee / Die Beute, Roger Vadim, 1966
** Barbara, Walter Burns, 1970
** Die Liebesquelle, Ernst Hofbauer, 1966

* La philosophie dans le boudoir / Das Paradies, Jacques Scandelari, 1971

Hofbauerkongress Nummer 12, Nacht 4

La curee / Die Beute, Roger Vadim, 1966

Roger Vadim und Jane Fonda zwei Jahre vor Barbarella: ausführlich zelebriertes, sehr alteuropäisches Leiden am morschen Wohlstand, der am Ende doch immer noch über alle Begierden triumphiert. Schwache Männer und Frauen, die von Anfang an nur Fetische sind. Versuche, das eine oder andere mit Jane Fondas Gesicht anzustellen. Manchmal funktioniert das sogar, gleich zu Anfang darf man ihr außerdem beim Aerobic zusehen. Irgendwie siegt das sich seiner Zola-Vorlage überbewusste Qualitätskino dennoch stets über die auf uninteressante Art verhaltene Erotomanie (was allerdings der fast durchgängig mitlaufende Rassismus soll? Gibt es den auch bei Zola? Wird er da reflexiv? Hier zumindest nicht...). Wer braucht einen Vadim, wenn es einen Benazeraf gibt? Also ich nicht...

Insgesamt: gähnende Langeweile in immerhin wunderbarer Technicolor-Cinemascope-Optik. Das 35mm-Material rettet viel, die Textur trägt mehr Melancholie in sich als Drehbuch, Regie und Musik gemeinsam. Sanfte Farben, die besonders Wollpullover hervorragend zur Geltung bringen. Andererseits halt: Wollpulloverkino, da hilft alles nichts.

Nikutai joyu nikki / Ungezähmte Erotik, Shinya Yamamoto, 1968

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich von dem Regisseur doch schon einmal einen Film gesehen hatte, und zwar Cruel History of Women's Torture, einen der schrecklichsten Pinkus, den ich kenne. Ungezähmte Erotik teilt mit dem glücklicherweise höchstens einen Hang zur bösartigen Asozialität, der freilich glücklicherweise in diesem Fall durch die freie, mäandernde Form und die vielen "Transferpassagen", die einfach nur Autofahrten durch Tokyo mitfilmen, nicht so recht zur Geltung kommt.

Die Geschichte ist wirr, handelt von Doppelgängerinnen, Erpressung und anschließender Rache. Eher interessiert hat mich eine Nebenhandlung, um eine Bedienstete der Hauptfigur (so glaube ich das zumindest zu erinnern; der Film hat wenig Spuren hinterlassen, ist nirgendwo digital und bald womöglich auch nirgendwo mehr analog greifbar...) und einen blinden Schlägertyp, der sie einmal vergewaltigt, beim nächsten Versuch dann nicht, weil sie es ihm ausreden kann. Das sind zwei rührend kaputte und unbeholfene Figuren, die mir neben den Noir-Abziehbilder, auf denen mir der Rest des Figurenensembles herauszulaufen schien, wie das heimliche Zentrum eines ganz anderen Films vorkamen. Das Disparate selbst hat andererseits seinen eigenen Reiz: Offensichtlich stammt Ungezähmte Erotik (der deutsche Titel hat da schon irgendwie recht; die Synchro dagegen ist grottenschlecht) aus einer Zeit, beziehungsweise aus einem Produktionsumfeld, in dem jene Routinen, die den japanischen Sexfilm zu einem kalkulierbaren Industrieprodukt machten, noch nicht einmal im Ansatz ausgearbeitet waren.

davor: Erotische Tempelfeste in Japan

Ausgerechnet über den schönsten der Vorfilme des Kongresses gibt es keine weiterführenden Informationen: Erotische Tempelfeste in Japan ist eine kurze, durchaus ernst gemeinte Dokumentation, offensichtlich teilweise aus japanischen Filmen der frühen 1960er zusammengeschnitten, aber zusammengehalten von dokumentarischem Material von vor allem älteren Frauen, die Phallusstatuen huldigen und sich darüber beschweren, dass diese Tradition in der Generation ihrer Töchter auszusterben droht.

New York City Inferno, Jacques Scandelari, 1978

Ein Travelogue durch die vermüllten Hinterhöfe eines New York vor allen Gentrifizierungs- und Befriedungsmaßnahmen (stimmt historisch vermutlich nicht; aber auch als Utopie wird da eine Wahrheit drin stecken), entlang von schwulem Sex; der Film hat nicht nur mich mit Scandelari versöhnt, der auf geschriebenen Dialog fast völlig verzichtet, statt dessen zwischen die im besten Sinne touristischen und die energiegeladen vorgeführten erotischen Attraktionen dokumentarische Passagen baut, die sich ganz auf das einlassen, was sie jeweils vorfinden: Ein Tattoostudio, einen Homosexuellenaktivisten, eine Katze. Die Village People stampfen dazu fast durchgängig (freilich mit Nummern, die noch einen Rest von Soul erahnen lassen), das hat anderen im Kino besser gefallen als mir, aber eine Weile funktioniert das tatsächlich gut. Ich war trotzdem froh, dass die Orgienszene am Schluss auch musikalisch einen Schritt nach vorne versucht hat.

Gleich einiges ist aufgebrochen mit diesem Film: Die Heteronorm, die den Kongress ansonsten schon weitgehend im Griff hat, die um sich greifende Materialeinkuschelung (statt dessen: grindige Videobilder, wie vorher nur bei den American Angels), die verschiedenen Filter, die in den anderen Filmen vors Begehren gestellt wurden (und sei es nur, wie in Quellen der Erotik, der Filter des brutalisierten Melodrams).

Geheime Lüste blutjunger Mädchen, Jürgen Enz, 1978

Im selben Jahr, aber vermutlich auf einem anderen Planeten dreht Jürgen Enz die neofeudalistische Fantasie Geheime Lüste blutjunger Mädchen, den zärtlichsten und befreitesten Film, den ich bisher von ihm gesehen habe. Eine Verwechslungs- und Verkleidungskomödie, die sich in einem Türenkabinett verrennt, sich falsche Bärte anklebt, Bilder sprechen lässt, das erotische Potential von Zeitungskiosken (ich wollte mir eigentlich die ausgehängten Schlagzeilen merken...) erkundet.

Das Schloss, in dem der gutmütigste und friedfertigste aller Grafen haust, ist von dichtem Efeu bewachsen, also vermutlich verwunschen. Man nähert sich ihm neugierig, aber nicht ängstlich: Angst ist unbekannt in diesem Film, das einzige, was dem Glück gelegentlich im Weg steht, ist die Überforderung, die sich einstellt, weil es einfach zu viel von allem gibt: Zu viele sprechende Bilder an der Wand, zu viele Mädchen, die an die Tür klopfen, zu viele falsche Bärte. Und weil es den Enz'schen Figuren eher liegt, eine schöne Sache zu wiederholen, als sie einzusortieren, Schlüsse aus ihr zu ziehen, die doch nur irgendwo anders hin führen, aus diesem beglückenden Film hinaus führen würden.

Enz' aktives Bemühen, seine Filme nicht mit der Welt da draußen abzugleichen, sondern selbst als andere Welt zu setzen, wird nie so deutlich (nun gut: in dem knappen Drittel seines Werkes, das ich bisher kenne, zumindest) wie in diesem Film. Schon die Dialekte, das Berlinern des Hausdieners (der außerdem auf sehr außerweltliche Art kurzsichtig ist), das Schwyzerdütsch der Magd, sind nicht in irgendwas integriert, sondern Attraktionen, Schönheiten eigenen Rechts.

Der Schnitt vom komisch verwachsenen Brötchen, das eines der Mädchen aus ihrer Wundertüte holt, auf einen nackten Arsch sollte künftig in jedem filmanalytischen Seminar den match cut bebildern.

Die Sexszenen sind, zugegeben, etwas langweilig.

Die Härtesten schauen sich noch irgendwas Blei- und Testosteronhaltiges an, ich habe meinen perfekten Abschlussfilm gefunden.

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Am nächsten Tag muss ich den Fernseher im Hotel als Wecker missbrauchen. Ich stelle den Timer auf 12:00 Uhr, werde deshalb von der Tagesschau geweckt. Die erste Meldung betrifft Merkels Skiunfall. Das real existierende Deutschland hat immer noch den längeren Atem.

Tuesday, January 07, 2014

Hofbauerkongress Nummer 12, Nacht 3, Fortsetzung

Cover Girls, Jose Benazeraf, 1964

Nicht nur mein Kongress-Favorit: Benazerafs Scope-Monument ist ein Fetischfilm reinsten Wassers, ein Film über die Scope-Leinwand und den weiblichen Körper (Le mepris, klar, aber Benazeraf macht keine halben Sachen). Schon die ersten Einstellungen: eine Gruppe Models, die gerade einem Flugzeug entsteigen, sich durch den Flughafen bewegen, in den Film hinein stolzieren. Die Kamera ist nicht aufdringlich, wie auch in Benazerafs St. Pauli-Film wartet sie geduldig, auf dass die Frauen ihr ihre Geheimnisse von selbst anvertrauen.

Cover Girls / Covered Girls - die Mädchen für die Titelseiten, die aber gleichzeitig bedeckt bleiben... selbst wenn sie, was sie in diesem Film nicht oft sind, nackt wären (siehe auch, im Dialog: "die Maske, die wir Gesicht nennen"). Vielleicht gerade dann. Weil sie ihr Geheimnis eh nicht entbergen, müssen sie bearbeitet, betextet, drapiert, aus- und wieder angezogen werden, in immer neuen Variationen. Besonders toll sind die Szenen mit dem Regisseur, der in seinem ultrabarock eingerichteten Anwesen, direkt neben seinem Bett einen Schaltkasten hat, mit dem er seine eigene erotische Fantasie kontrollieren kann: Hinter einem roten Vorhang und einem Aquarium liegt, halb aufgerichtet, eine Frau, eine Schauspielerin, Carlotta; mit einem Hebel hebt er den Vorgang, mit diversen Knöpfen beleuchtet er sie, ihr Gesicht, einzelne Körperpartien etc. Freilich kann er über sie nur als vom Aquarium gerahmtes Bild bestimmen. Carlotta bleibt umso unerreichbar, je verfügbarer sie ist. Ein erotisches Dispositiv, das natürlich für Benazerafs Kino als Ganzes stehen kann - allerdings nur auf den ersten Blick. Denn später wechselt der Film auch auf die andere Seite des Aquariums, er macht sich nicht einfach nur mit dem Regisseur und dessen Kontrollblick, der doch nichts kontrollieren kann, gemein. Das Kino kann, hat Benazeraf erkannt, den Fetischblick multiplizieren, es muss ihn nicht auf einen einzigen, menschlichen Maßstab festlegen, kann ihn wieder und wieder aufspalten.

Der Regisseur begibt sich auf die Suche nach einem neuen Gesicht für Carlotta. Wie das genau gemeint ist, lässt sich schwer sagen in einem Film, der von Metapher zu Metapher driftet, von Frau zu Frau, aber auch von Erotoman zu Erotoman (ebenfalls katalogisiert werden Männer, die Fotos, Bewegtbilder, Statuen von Frauen anfertigen und die die Frauen dabei auf jeweils unterschiedliche Art verfehlen) von Stadt zu Stadt (Paris, Berlin, Rom, die nicht nur Handlungsorte sind, sondern denen jeweils auch eine eigene Szene gewidmet ist, in der sie sich, darin den Frauen gleich, selbst offenbaren dürfen, jeweils auch mit eigener Musik). Die diversen Fragmente setzen sich nur versuchsweise und immer wieder neu zu einer Diegese zusammen, vielleicht versteckt sich irgendwo ein Film im Film, vielleicht ist alles nur ein Tagtraum der sich auf dem Treppen(!)geländer räkelnden Frau.

„Ich bin Kinoglaz. Von einem nehme ich die stärksten und geschicktesten Hände, von einem anderen die schlankesten und schnellsten Beine, von einem dritten den schönsten und ausdrucksvollsten Kopf und schaffe durch die Montage einen neuen, vollkommenen Menschen.“ (Dziga Vertov, Regisseur von Der Mann (!) mit der Kamera)

Otto Lara Rezende ou... Bonitinha, Mas Ordinária / Quellen der Erotik, Jose P. Carvalho, 1963

Ein heftigerer Kontrast zu Benazerafs Podesten, auf die er seine Frauen manchmal ganz buchstäblich stellt, ist kaum denkbar. Mit der neuen "Eroberung" (was hier noch ganz so gemeint ist, wie es klingt) in den Wald hinausfahren, und sich dort nehmen, was man will, wenn man nicht gerade von einem Leprakranken vertrieben wird: Das ist der Grundzustand in der Welt des brasilianischen Kongressfilms, in einer Welt, in der das Patriarchat sich noch ganz unverblümt als Terrorherrschaft offenbaren darf (und immerhin auch entsprechende Gesichtszüge trägt...). 

Eine ziemlich unfassbare, von Kongressentdeckung Rudolf Lubowski, seines Zeichens als Gespenst im Unterleib der deutschen Unterhaltungsindustrie ganz unbedingt subject for further research, angemessen asozial synchronisierte Vergewaltigungsseifenoper, in der nichts ist mit unerreichbar; anblicken heißt besitzen und besitzen heißt entehren. Besonders perfide ist der Film, weil er letzteres zunächst in Frage zu stellen scheint: Dem Protagonisten wird die Ehe mit einem gründlich "entehrten" (die entsprechende Szene wird vom Film gleich zweimal zelebriert) Mädchen angeboten, gegen eine "Aufwandsentschädigung" sogar (gleich noch eine Sublimierung, mit der der Film radikal aufräumt: Sex ist nicht mehr nur irgendwie, sondern ganz direkt, Währung, die Subjektivität darf sich da gar nicht erst zu Wort melden) - später stellt sich dann aber ausgerechnet über dieses Mädchen allerhand Unerhörtes heraus. (Sie ist gleichwohl die interessanteste Figur, auch die interessanteste Schauspielerin im Film, sie scheint der Geschichte immer wieder zu entgleiten, einmal, in einer der sonderbarsten Szenen des Kongresses, stromert sie verträumt und angewidert zugleich durch den Vergewaltigungswald, himmelt später verschwitzt ein Bild ihres Bräutigams an).

Entstanden ist der Film kurz vor den Gründungswerken des cinema novo, deren gut gemeinte Sozialpädagogik reichlich stumpf erscheint angesichts eines zwar nicht überragend, aber sehr souverän inszenierten pot boiler, der keine Gefangene macht (auch nicht auf dem Kongress: im Filmhausgang hinterher Fassungslosigkeit auf allen Gesichtern).

Farbige Liebelei, Kurt Baum, 1956

Ein Kulturfilm dieses Titels, der Hochzeitsriten eines südafrikanischen Stammes zum Thema hat, weckt schlimme Befürchtungen, die sich als weitgehend unbegründet herausgestellt haben. Farbige Liebelei ist ein klassischer ethnografischer Kurzfilm, zwar von den reflexiven Wendungen des Genres in den Folgejahrzehnten noch komplett unberührt, aber sorgfältig gemacht, mit Respekt für die Portraitierten, die in den klassisch humanistischen Einstellungen des Spielfilms, also als handelnde Subjekte, portraitiert werden. Wenn ethnografische Filme mehr über die Kultur ihrer Macher als über die der portraitierten aussagen, dann gibt Farbige Liebelei vielleicht einen Hinweis daraus, dass die Adenauer-BRD bei aller Verlogenheit im Umgang mit der NS-Vergangenheit zumindest innerhalb gewisser Grenzen ein Projekt der Rezivilisierung war. (Wenn ich dagegen an die NS-Kulturfilme denke, die ich kürzlich gesehen habe: yuck!)

Die Liebesquelle, Ernst Hofbauer, 1966

Ausgerechnet mit dem Namenspatron der Veranstaltung werde ich nach wie vor nicht warm. Ich kann in Hofbauer nicht mehr sehen, als einen mittelmäßigen metteur de scene, der alles, was ihm vor die Linse kommt, souverän, aber emotions- und empathielos herunter kurbelt, der seine eigenen Ambitionen dabei auf eher fade Formalismen (hier vor allem: Sounddesign wie vom Karnevalsumzug, adrette Spielereien mit einem Pinkelbrunnen, Allusionen an den Western, die allerdings immer wieder von besonders dämlicher Deutschtümelei eingefangen werden) beschränkt. Gerade nach Eberhard Schröders tollen Klosterschülerinnen möchte ich mich damit nicht so recht abfinden...

Zugegeben: Hofbauer arbeitet hier von Anfang an mit fürchterlichem Material. Dass seine Krimis mir gefallen könnten, will ich nicht ausschließen...

Anatomie des Liebesakts, Herrmann Schnell, 1970

Sollte als stählerner Überaschungsfilm auch die härtesten Weichklopfen. Das hatten bei mir schon Hofbauers mit dem Vorschlaghammer inszenierte Schenkelklopfer besorgt. In Herrmann Schnells aseptisch-entfärbten Liebesanleitungen, vorgetragen von einem recht bissigen Gelehrten, der die Klitoris für überschätzt hält und auch fürs Vorspiel wenig übrig hat, illustriert von wiederum sehr blonden, weitgehend asexuellen Beispielsmenschen und putzigen animierten Illustrationen, habe ich mich dagegen zumindest von vier bis sechs morgens, bei schon deutlich gedämmter Aufmerksamkeit, gar nicht einmal so unwohl gefühlt. Schöner Rhythmus, alles in allem.

Sunday, January 05, 2014

Hofbauerkongress Nummer 12, Nacht 3, Anfang: Der Perser und die Schwedin, Akramazadeh, 1961

Dem Film eilt sein Ruf voraus; dass er das zu Recht tut, erkenne ich schon daran, dass er dann doch ganz und gar anders war als alles, was ich mir über ihn ausgedacht hatte. Bezaubert hat mich vor allem sein ganz und gar verquerer, aber dabei doch nicht holpriger Rhythmus: die anfängliche Verschleppung, die sich dann über fast zwei Drittel des Films hinzieht, in denen Der Perser und die Schwedin zu gefühlten 80% aus Tanzszenen besteht, genauer gesagt Tanzvorführungen. Eine Flamenco-Show (die wird besonders ausführlich zelebriert, parallel geschnitten die erste Annäherung des Persers an die - erste - Schwedin), irgendetwas Karibisches, ein indischer Tanz, dann auch mal ein, zwei eher klassische Cabaret-Nummern. Dazwischen Großstadtmontagen, erst Stockholm (?), dann plötzlich Soho; Handlungssplitter, in denen auch einmal andeutungsweise die iranische Exilcommunity auftaucht, die sich aber vor allem mit dem Auswechseln der ersten durch die zweite Schwedin beschäftigen - praktischerweise wohnen die beiden zusammen, in einer tollen Szene geraten sie sich ein klein wenig in die Haare; die erste hat blonde, außerordentlich voluminöse Haare und wiegt sich während des Gesprächs in der Hüfte, wie einem Takt folgend, der nur für sie hörbar ist, die zweite hat eine Jean-Seeberg-Frisur und bewegt sich lange mit einem offenen, aber doch leicht ironischen Lächeln durch den Film, als würde sie sich über die sanften (!) Ungeheuerlichkeiten des Films ähnlich amüsieren, wie ich das getan habe - bis das Unheil zuschlägt.

Gelegentlich gibt es außerdem einen Voice-Over, zeittypisch unentspannt intoniert zwar, aber es wirkt fast rührend hilflos, wie er aus den lose aneinander gefügten, größtenteils sich ganz im gegenteil ziemlich entspannt anfühlenden Szenen eine Spielfilmhandlung zusammenzufügen versucht, die dann auch noch gleich, von Anfang an, eine Moral enthalten soll: Das Lotterleben, das der Perser, ein Medizinstudent ("Institut für Tropenmedizin und Hygiene" steht glaube ich auf der Tür, durch die er gelegentlich tritt und die auch schon die einzige Manifestation seiner akademischen Ambitionen darstellt) namens Mustapha, in Schweden führt, das kann natürlich nicht lange gut gehen. "Bekannt wie ein bunter Hund", vor allem in der Damenwelt: "Mädchen bedeuten ihm alles", usw.

Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, ein Melodram (eingeleitet, wie durch eine Synkope, mit einer Achterbahnszene und ein paar Einstellungen medical horror), um eine Schwangerschaft, die vielleicht ursprünglich (nicht aber in der deutschen Synchro) mit einer Abtreibung endet, mit einer sonderbaren Szene, die im Iran spielt, wo, vor ein wenig steril und modernistisch anmutender Kulisse die Vorzüge der einheimischen Frauen diskutiert werden. In dieser Phase gibt es dann abstruse Überbetonungen, zum Beispiel, wenn Mustapha, nachdem vorher sein Studium nicht die geringste Rolle mehr gespielt hatte, plötzlich ganz unbedingt rechtzeitig zu einer Prüfung erscheinen muss und sein ganzes Zimmer mit entsprechenden Hinweisen drapiert hat. Als dann der Wecker klingelt, hat er dann trotzdem wieder kein Bock, aufzustehen, will nicht so recht in die Handlung hinein, lieber wieder zurück driften in den ersten Filmabschnitt, zwischen die Frauen, zwischen die Tänze.

So schnell, wie es in den Film eingedrungen ist, driftet das Melodram dann auch wieder weg, die sonderbarste Tanzszene hebt sich der Film für den Schluss auf, für eine Feierlichkeit, die man zunächst für die Hochzeit Mustaphas mit der zweiten Schwedin halten könnte (vielleicht ist sie das auch; aber höchstens: auch), dann vielleicht sogar als seinen Initiationsritus ins Schwedentum... am Ende rennt er einfach, durchaus euphorisch, aber ohne erkennbares Ziel, hinaus, in die Kälte, in eine Freiheit, von der der Film irgendwie auch als Ganzer erzählt: endgültig weg von der Familie, weg von der community, weg vom deutschen Synchro-Voice-Over. Der Hauptdarsteller ist auch Regisseur, ziemlich sicher auch Drehbuchautor, vermutlich Produzent und Finanzier, wie viele Exiliraner er für dieses wundervolle und erstaunlicherweise nicht ein bisschen narzisstisch sich anfühlende Schelmenstück um ihre Ersparnisse gebracht hat, weiß ich nicht, wird wohl auch kaum noch in Erfahrung zu bringen sein. Er wurde jedenfalls hinterher im Kino nie wieder gesehen.

Saturday, January 04, 2014

Hofbauerkongress Nummer 12, Nacht 2

Les filles sement le vent / Die Ernte der sündigen Mädchen, Louis Soulanes, 1961

Das zweite große Meisterwerk, so far. Eine relaxtere Aktualisierung von de Santis Riso amaro, schon noch fest im klassischen Erzählkino verankert... und doch irgendwie wild ins Kraut schießend (aber andererseits schießt das klassische Erzählkino vielleicht immer schon gerne wild ins Kraut...). Ein Übergangsfilm, duchaus in der Nähe zweier Lieblingsfilme des HK11: Barbara - Wild wie das Meer und (da sind die Parallelen deutlicher, bis hin zu einzelnen Motiven, den date-rape-Andeutungen, den jeweils erstaunlich matter-of-factisch behandelten Vergewaltigungsszenen) Where the Boys Are: Gruppen von Frauen, die in die Welt hinausgegangen sind, und jetzt einen eigenen Weg finden müssen, jenseits der Tradition. Die da erst einmal zusammengepfercht hocken und abschätzen, warten, was mit den Männern los ist, die draußen vor den Fenstern warten, sie umzingeln.

Schon der Einstieg ist toll: Zwei Männer im Fahrergehäuse eines LKWs, von der unruhigen Fahrt durchgeschüttelt. Erst dann der Umschnitt auf die Totale, auf den mit noch leeren Paletten beladenen Laster, der durch eine sonnenverbrannte Landschaft brettert. Zuerst der impact, dann die Verankerung in der Umgebung. Und dann, erst als drittes, die Geschichte. Die ist an sich durchaus ökonomisch gebaut: Die Bremsen des Lasters sind defekt, von Anfang an ist klar, dass sie nicht repariert werden, dass der Film weiter Fahrt aufnehmen wird, bis zum bitteren Ende. Später taucht, als weiteres und weitaus geläufigeres unheilvolles Vorzeichen, eine Pistole auf, die natürlich irgendwann auch abgefeuert werden muss, so wie die Bremsen irgendwann endgültig versagen müssen. Aber erst mal: die winkenden Frauen am Wegrand, bei der Feldarbeit.

Der Film spielt dann nicht on the road, sondern auf einer Obstplantage. Die Verteilung ist klar: Die Frauen sammeln das Obst, verpacken es und schlafen gemeinsam in einer Baracke. Die Männer scharwenzeln um sie herum und teilen sich in zwei Gruppen. Die einen sind Saisonarbeiter fürs Grobe und für den Abtransport der Ware, die anderen sitzen hinterm Schreibtisch: Die Ausbeuter und ihre Handlanger. Der Film fächert das auf, auf beiden Seiten: Bei den Frauen noch nicht einmal so sehr: da gibt es Kissa, die ihr Taschentuch im Wind den diversen Männern entgegen flattern lässt und ihre Brüste hochgeschnürt hat und die von den anderen Frauen heimlich beneidet und öffentlich verächtlich gemacht wird, und es gibt diese anderen Frauen, die nicht Kissa sind, die aber gerne Kissa wären (die nach hause laufen müssen, wenn sie abends raus gehen, in die nahe Stadt).

Bei den Männern ist es komplizierter. Da gibt es Armand, der ist manchmal zuviel auf einmal: Der vitale tolle Hecht, hinter dem alle Mädchen her sind, der klassenbewussteste Proletarier, der mobil macht gegen Ausbeutung (und physiognomisch auch in einem Eisensteinfilm gut aufgehoben wäre), der melanchlische Einzelgänger, ewig on the road. Vielleicht braucht ein Film, der sich ansonsten so weit auffächert, wie 
Les filles sèment le vent das tut, der mindestens ein halbes Dutzend Handlungsstränge parallel führt und der das völlig anstrengungsfrei zu tun scheint, der andauernd Seitenblicke wirft und doch jeden dieser Seitenblicke wieder produktiv macht (toll eine Szene mit einer schwarzen Tänzerin, die erst nur Dekoration ist, dann aber einen besonders hartgekochten Kurzdialog bekommt), einen solchen Anker. Dennoch haben mich die anderen Männer, die beschädigteren Männer, die Quartalssäufer, die verwöhnten Hysteriker, die sich ihre Pranken am verschwitzten Unterhemd abwischenden Fettsäcke, die dirty old men, die dirty young men, die abgeklärten Barkeeper, die alles schon einmal gesehen haben und deshalb genau wissen, wann sie vorsichtshalber die Cops holen müssen, sie alle haben mich deutlich mehr interessiert als Armand. Der dann freilich im tollen Finale doch der richtige Körper am richtigen Ort, nämlich in einer sehr "physischen" Duell- und Verfolgungsszene ist.

Wie sich das ein wenig Abgezirkelte der Gesamtstruktur (inklusive recht deutlich und auch recht deutlich nach marxistischen Maßstäben ausformulierter Arbeitskampfthematik) zu der Ästhetik des Seitenblicks verhält: nach einmal Sehen schwer zu sagen. Wie flexibel und souverän der Film in jedem Fall ist, zeigt eine schöne Szene, in der eine der Frauen auf einem der Fußheimwege von der Stadt kurz zurück bleibt, durchatmet, sich mit dem Film gemeinsam kurz auszuruhen scheint, und in der dann urplötzlich die dirty young men zu ihren Seiten erscheinend, sie einerseits eher spielerisch erschreckend - andererseits lässt der folgende Schnitt vieles offen, bzw im hoffentlich nicht allzu finsteren Dunkel.

Barbara, Walter Burns, 1970
La philosophie dans le boudoir / Das Paradies, Jacques Scandelari, 1971

Nehmt den Hippies die Kameras weg!

It's All for Sale, Alexander Maxwell, 1969

Albert Jenkins, der verschmitzte und zumindest dann, wenn er von einem bullig-niedlichen Masseur befummelt wird, regelrecht alberne Sexologe / Vertreter, darf seine Kamera dagegen behalten, hat er sie doch so findig in seiner Aktentasche verstaut. Da bleibt sie (meistens) starr und objektiv, während er selbst sich in die "Unterwelt des Sex" stürzt. Dazu hypnotische Gitarrenmusik. Nice.

Skaterdater, Noel Black, 1966

nice, Vorfreude auf LA.

Die Klosterschülerinnen, Eberhard Schröder, 1972

Wie schon bei Jenkins Eskapaden, war ich auch beim letzten Film des Abends ziemlich müde, insofern habe ich mir vorgenommen, den Film beizeiten, noch einmal konzentrierter zu sehen. Auf Anhieb hat mir das aber sehr zugesagt: Schröder humanisiert das Reportfilmgenre, so gut es eben geht. Und dass es so ganz gut dann eben doch nicht geht, weil es eben doch einen besserwisserischen Voice-Over-Kommentar gibt, der die Wahrheit über all die Klosterschulmädchen immer schon zu kennen scheint, das macht die Sache nicht weniger interessant. Denn man merkt sofort, dass Schröder alles daran setzt, die Mädchen eben nicht zu Fallbeispielen zu degradieren, dass er sie ganz im Gegenteil individualisieren möchte, und gerade in der zackig-militärischen Form, die der Film dann doch übernehmen muss, strebt viel auseinander. Fließend wechselt der Film vom knüppelnden Voice-Over zu den zerbrechlichen Erfahrungswelten der Mädchen, die sich heimlich aus der Obhut der Nonnen schleichen, dann zu den Nonnen selbst, die wiederum zwischen Voice-Over und den Mädchen zu vermitteln scheinen. Oder er springt in verfärbte Vergangenheiten, wo stets, wie automatisiert, traumatisierte Erlebnisse warten, die aber eben als solche erstaunlich ernst genommen werden und sich mit dem comic relief, den es natürlich auch wieder gibt, in einen strengen Gegensatz setzen.

Die Musik (Moroder) ist toll, aber die Kamera (Helmut Meewes, der eine erstaunlich kurze credit-Liste auf imdb hat) ist noch toller.

Der letzte Blick der neu angekommenen Schülerin gen Himmel...

Friday, January 03, 2014

Hofbauerkongress Nummer 12, Nacht 1

So viel nackte Zärtlichkeit, Günter Hendel, 1969

(Spoiler ahead...) Ein frontaler Film. Gleich zu Beginn, die Brüste, die über das eingeseifte Autofenster reiben und damit eigentlich die Leinwand selbst einseifen. Später immer wieder: Das Begehren alter Männer, das sich auf frontal auf junge Frauen richtet. Der Kanadier, der schon Reißzwecken verdaut hat, und deshalb von Giftpilzen nicht zu beeindrucken ist, der außerdem dort im Bordell auch Liebe erfahren hat, starrt seine Eroberung (eigentlich ist sie die Erobernde, das weiß er noch nicht) frontal an, als sie ankündigt, sich umziehen zu wollen. Sie bittet ihn, sich umzudrehen, das tut er, nur schaut er dann, mit der Kamera, frontal in einen Spiegel. Gewitzte Frontalität. Ein anderes Mal schaut ein Mädchen frontal auf eine Leinwand, auf der wohl ein Porno abläuft, der Film schneidet aber lieber auf den Projektor, der direkt ins Auge des Zuschauers zu projizieren scheint. Zu sehen gibt's erotischerweise trotzdem eher wenig in dem Film. Wenn die Szenen trotzdem oft mit Schwenks auf (meist bedeckte) Brüste, auf den (stets bedeckten) Schritt (auch von Männern, manchmal) enden, dann zielt das weniger auf sexuelle Attraktionen, denn eben auf die Frontalität: so, hier, schaut her, darum geht's doch eigentlich. You've been man-hendelt...

Auch der Pfarrer (gespielt vom Regisseur selbst und die beste Figur des Films; fast schon Bressonianisch sein Tagebucheintrag zu Beginn) ist ein Mann der Frontalität, auch in theologischer Hinsicht. Den Jungen, der aus dem Opferstock geklaut hat, weißt er auf dessen Entschuldigung "Wir haben's nicht leicht zuhause" (osä) knallhart zurecht: "Na und?". In seiner Kirche wird niemand Asyl erhalten, er hält sich lieber an den feschen Dorfpolizisten, der in den beiden tricksters, die sich als Bruder und Schwester ausgeben, das Rumtreiberische sofort erkennt. Der Pfarrer wiederum feuert die Jungs beim Fußsballspielen an und freut sich vor allem, als einer den Ball direkt in die Fresse geschossen bekommt. Schließlich nimmt er selbst den Ball und schießt den Rumtreiber vom Fahrrad. Ihn und den Polizisten freut's.

Bei all dem ist der Film trotzdem spielerisch und erzählerisch erstaunlich ambitioniert. Ein film noir, wie von James M. Cain adaptiert, läuft nicht unbedingt harmonisch (aber genau das ist interessant) neben einem rechtskonservativen Dorffilm her, die Sympathien sind zwar drehbuchtechnisch klar verteilt, auch der noir-Part ist von Hausfrauenideologie durchsetzt (da wird sie allerdings taktisch), aber ich hatte doch den Eindruck, dass Hendel sich für die fießen tricksters in den Tiefen seines Herzens mehr interessiert als für die Erhaltung der heilen Welt. Scharnier ist eine Blondine, in die sich der eine trickster zwar verliebt, an der der Film allerdings bald fast jedes Interesse verliert. Die Kamera probiert ziemlich viel, es gibt tolle tracking shots (unter anderem durch München) und Montagesequenzen, die sich verselbstständigen, während unter ihnen die Dialoge weiterrattern (oder eher: knattern). Eine der schönsten Montagesequenzen zeigt einen Tierpark, mit präzise zum Dialog geschalteten Elefanteneinsatz.

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Sollazzevoli storie di mogli gaudenti e mariti penitenti - Decameron nº 69 / Hemmungslos der Lust verfallen, Joe d'Amato, 1972

Drei Lustspielepisoden, wohl im direkten Fahrwasser von Paolinis Il decameron. Weniger zusammengehalten als lose nebeneinander gruppiert von einer gruppe geiler Mönche auf dem Weg hin zum und schließlich wieder weg vom Nonnenkloster. Als running gag rennt in jeder der Episoden jemand mit dem Kopf gegen eine Wand, ansonsten machen die drei Abschnitte mit sehr ähnlichen Ausgangssituationen jeweils ziemlich weit Auseinanderstrebendes; eine endet rabiat mit einer Kastrierung, eine mit einer etwas übererklärt wirkenden Genderutopie, eine läuft einfach so aus, wie, als ob ein paar Seiten Drehbuch fehlen (wobei das schon ein professionell gemachter, teils ziemlich toll aussehender Film ist; denkt man sich die beknackte Synchro - ich kann mir nicht helfen, da werde ich in diesem Leben kein Connaisseur mehr - weg, dann ist das auch kein doofer, sondern ein in Teilen sogar ziemlich cleverer Film). Wie Hendel ist sich auch d'Amato der hier deutlich freizügiger dargebotenen Attraktionen bewusst, allerdings führt er die Kamera gleichzeitig fahriger und dynamischer, unter anderem in einer fast Francoescen Lesbenszene (mit Bettpfosten!). Nicht frontal, eher frenetisch, immer nach vorne strebend, immer auf der Suche.

Die Männer sind allesamt Deppen, allerdings auf sehr unterschiedliche Art; es gibt jeweils einen alten und einen jungen Deppen. Die jungen Deppen sind interessanter, weil sie nicht einfach nur (wahlweise langweilige, brutale oder impotente Inkarnationen des Patriarchats sind). Der erste ein stotternder Bildhauer, der nervös durch die Gegend rennt und mit seinem Hammer sicher schon viel Unheil angerichtet hat. Der zweite, in der durchgeknalltesten der drei Geschichten, ein fast schon Ninetto-Davoli-artiger naiv-vitalistischer Mönch, der sich in der vielleicht schönsten Szene des Films zwischen seiner Loyalität zur Kirche (ach was, zu Christus höchstpersönlich) und dem Lustprinzip entscheiden muss. Der dritte stüzt sich begeistert in eine Crossdressing-Affäre.

Obwohl immer viel los ist, gibt es auffällig viele Szenen, in denen die Figuren einfach nur eine halbe, eine ganze Minute lang durch die Gegend laufen.

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St. Pauli zwischen Nacht und Morgen, Jose Benazeraf, 1967

Der schönste Film des ersten Tags. Ein extremer Kontrast zu den ersten beiden Filmen, die den Körpern auf den Leib rücken, sie, wo sie es noch nicht sind, mit Eigenbewegung ausziehen zu versuchen scheinen. Benazerafs Kamera bleibt ganz im Gegenteil stoisch starr, unbewegt. Und sie hält die Einstellungen lange durch (die Schnitte, die dann doch folgen,, sind auch für sich selbst interessant; sie behalten stets die Kontinuität des Raums im Blick, erweitern den Raum sehr bewusst um bestimmte Facetten), wartet darauf, dass sich die Figuren, vor allem die Frauen, selbst entbößen. In diesem Fall wiederum: eher innerlich als äußerlich entblößen, und auch entblößen ist nicht so ganz das richtige Wort, denn im gleichen Moment, in dem sie entwas von sich Preis zu geben scheinen, verschließen sie sich wieder. Die Gesichter werden zu Masken (denen in einer besonders tollen Montagesequenz Rauch entströmt), die Tanzbewegungen machen sie zu sonderbaren Zwitterwesen zwischen Mensch und Maschine.

Toll ist zum Beispiel eine Szene, in der drei Tänzerinnen sich vor der Kamera positionieren und sich ständig gegenseitig von einem Podest stoßen, das in der Mitte platziert ist und auf dem stets nur eine Platz hat. Unwillkürlich vergleicht man die Tänze und tatsächlich ist der letzte Tanz vor dem Schnitt (ein Mädchen im weißen Hemd) besonders toll, als ob Benazeraf genau auf diesen Tanz gewartet hätte. Überhaupt: Im wieder Dreiergruppen, nicht unbedingt frontal, aber doch vor der Kamera aufgereiht eher als einander interaktiv zugewandt. Einmal sogar 3+3+3: Die drei Tänzerinnen noch einmal, im Hintergrund drei Männer, die ihnen zuschauen, vorne ragen drei Frauenbeine ins Bild.

Die Statik und das ultraatmosphärische Schwarz-Weiß könnte leicht in kunstfilmerische Klischees kippen, schwer zu sagen, warum das nicht ein einziges Mal passiert (vielleicht natürlich nur: für mich nicht passiert...). Eher ein Problem bekommt der Film mit dem Melville-artigen Gangsterplot (darauf weißt auch Ekkehard in seiner schönen Besprechung hin), der von einem Raubüberfall mit ausgiebiger vorheriger Planung erzählt. Auch da gibt es viele schöne Momente, aber die Statik in den tollen Nachtclubszenen und auch in der existenzialistisch überformten, irgendwie Carax-artigen Liebesgeschichte hat mir besser gefallen, als die Versuche, das doch wieder zu dynamisieren, zum Beispiel durch etwas anstrengede Autoszenen (auch die Montage ist natürlich ein Moment von Dynamik; aber ihr geht es nicht darum, Plot voran zu treiben, sondern Intensitäten oder auch einfach nur Schönheiten miteinander vergleichbar zu machen). Mit etwas Abstand stört mich das allerdings alles nicht mehr so.

Das Ganze in Hamburg, St. Pauli. Das Milieu ist schon da, irgendwie, allerdings nur zeichenhaft, als durchaus absurdes Störmoment. Ausgerechnet durch den schönsten Carax-Moment, einen Spaziergang des Liebespaars über eine leuchtende Brücke, die sich fast in den Pont Neuf verwandelt, schickt Benazeraf eine Gruppe pöbelnder Matrosen. Aber auch das passt, irgendwie. Ein bezaubernder Film.

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American Angels: Baptism of Blood, Beverly & Ferd Sebastian, 1989

Wenn Robert Aldrichs fantastischer ...All the Marbles die bezaubernde B-Movie-Trash-Version eines klassischen Hollywood-Charakterdramas ist, dann ist Baptism of Blood die nicht unbedingt bezaubernde, aber immerhin ziemlich unglaubliche Z-Movie-Ultratrash-Version einerseits von ...All the Marbles, andererseits diverser Sport- und vielleicht noch mehr Tanzfilme der Achtziger: Die Körperselbstperfektionisierung, das sich selbst frenetisch in eine Ware verwandeln, die/das einen, bzw halt zur Not nur mich in Filmen wie Flashdance auch deshalb sehr unangenehm anspringt, weil es einerseits audiovisuell überzuckert, andererseits "psychologisch", "sozial" etc rationalisiert wird, dieser Eighties-Körperterror wird von den Sebastians und ihren professionellen Wrestlerinnen, die sich im Film mehr oder weniger selbst spielen, zur Kenntlichkeit entstellt (und das Jahre vor Showgirls, auf den Michael Kienzl nach dem Film hinwies, was mir sehr einleuchtet).

Der Film macht keine Gefangene und war der erste echte Deliriumsfilm des Kongress (okay, die Verstopfungsszene bei d'Amato...). Schon zurecht und auch für mich, streckenweise. Einen zweiten Baron Porno habe ich alllerdings vorläufig noch nicht entdeckt. Dass Baptism of Blood die tumbe Räudigkeit von Wrestling auf den Punkt bringen, das stimmt schon (vor allem Diamond Dave, der mit dem Motorrad ins Büro einfahrende Manager, verkörpert ... ja, was er verkörpert, ist eigentlich egal, hauptsache er verkörpert, und zwar durch und durch). Andererseits ist Wrestling immer schon audiovisual Entertainment und schon seit Jahrzehnten selbst B-Movie-förmig. Hätte eine angemessen schäbig synchronisierte Doppelfolge eines "authentischen" (die Anführungszeichen sind ja eh gerade der Punkt) Frauenwrestling-Specials aus den Achtzigern groß anders ausgesehen? Nicht ebenso erheitert? Was der Ereheiterung selbst ja nichts wegnehmen würde... Aber im Großen und Ganzen bleibe ich doch bei Aldrich, fürchte ich, ich kann mir halt nicht helfen...

Aber die Musik, oh, dieser Syntieterror, besonders infernalisch in der Szene, in der der Kleinwüchsige erstmals in den Ring steigt...

Und nicht vergessen: "Sie ist die B-E-S-T-Beste!"

Monday, October 14, 2013

Hofbauerkongress #11: ratings

***** Barbara - Wild wie das Meer, Frank Wisbar, 1961
***** Roulette d'Amour / Baron Pornos nächtliche Freuden, Frits Fronz, 1969
***** Eugenie (Historia de una perversion) / Lolita am Scheideweg, Jess Franco, 1980
***** Where the Boys Are, Henry Levin, 1960

Jede Nacht schlafen die Mädchen, jede Nacht schlafen mehr Mädchen in dem kleinen Motelzimmer in Fort Lauderdale, immer dichter aneinander gedrängt; da, wo in den Semesterferien die Jungs sind (sehnsüchtige Blicke aus dem Fenster, immer wieder; sie gelten nicht nur einfach dem anderen Geschlecht, eher einem anderen Leben). In das Zimmer kommen sie allerdings nicht rein, die Jungs, sie bleiben draußen, am Strand, in der "Bierschwemme"; die Mädchen und der Film beobachten sie wie wilde Tiere in ihrem natürlichen Habitat: Manche spielen philosophischen Jazz und springen in Aquarien, andere fahren mit allzu gediegen eingerichteten Motorbooten vor der Küste auf und ab, wieder andere schmieden finstere Pläne. Und wenn den erotischen Anbandlungen auch zumeist noch rechtzeitig eine altmodische Spielfilmhandlung in die Quere kommt: Nichts als die pure Neugier auf diesen Ort wo die Jungs sind treibt den Film an, von der ersten bis zur letzten Minute.

**** Kinjirareta tekunikku / Unersättliche Triebe, Kan Mukai, 1966

Eine kleine Welt: Der Boxring, ein paar Schlafzimmer, ein paar Frauengesichter, das eine bringt für ein paar kurze Momente Glück, die anderen von Anfang bis Ende nur Pech. Ein Leben eingesperrt in klaustrophobischen Rückblenden. Beengend.

**** I Lived As Eve, Zygmunt Sulistrowski, 1963

Kein zweiter Tanja, aber auch Sulistrowski ist ein Mann mit einer Mission. Die albern keusche Fleischbeschau ist Vorwand für poetische Eigeninteressen; diesmal ethnografischer Natur. Das zeigt schon der recht ausführliche Kulturfilm über südamerikanische Indianer, der den nordamerikanischen Nudisten vorgeführt wird (und wohl aus einem anderen Projekt stammen muss). Erst recht zeigen das die Gegenschnitte während der Vorführung auf die Nudisten; die Frage, die dieser Schnitt sich stellt: was bedeutet, was impliziert Nacktheit?

Der Film gibt sich dann ziemlich viel Mühe, um die Nudisten dahin zu bekommen, wo er sie haben will: auf eine südamerikanische Insel, auf der sie leben sollen "wie die Wilden"; nur wenn sie beweisen können, dass sie sich auf die wilde Nacktheit verstehen, wird ihnen die nicht mehr wilde Nudisten-Nacktheit auf Dauer gewährt werden.

Ein komplexes, gewisse reality-tv-Formate vorwegnehmendes Regelwerk, zwei verschiedene Voice Over. Auf der Insel kollabiert die vorher in der Montage aufgerufene Differenz zwischen Wildheit und Zivilisation endgültig. Es geht nicht darum, sich in den Naturzustand zurückfallen zu lassen. Im Gegenteil: "Wie müssen aufpassen, dass wir nicht gegenseitig unsere Gefühle verletzen" sagt der Voice-Over. Zum Beispiel darf man sich nicht zu sehr über den einen Nudisten lustig machen, dem wirklich gar nichts gelingen will: Die Hütte, die er baut, stürzt ein, seine Fischfangversuche scheitern kläglich, nicht einmal den improvisierten Kalender führ er ordentlich. Bezeichnend für die dem Film inhärente Zärtlichkeit ist ein Kommentar wie nebenbei, zu einer Einstellung, die, wenn ich mich richtig erinnere, zwei sich aneinander schmiegende Vögel zeigt: "Schaut her", heißt es da, "so sorgsam gehen die Tiere miteinander um, so sorgsam müssen auch wir uns zur Natur verhalten." Fische werden zwar weiterhin getötet, aber die Ziege, die gegen Ende auftaucht, wird umsorgt wie das Erstgeborene einer Adelsfamilie.

*** Venusberg, Rolf Thiele, 1963

Schön an diesem Film, der sich für meinen Geschmack auf die Dauer seiner Schönheit etwas zu bewusst war (meine Müdigkeit tat dann ihr Übriges),  war insbesondere der Anfang: Die Frau, die aus dem U-Bahn-Schacht / aus der Körnung des Filmmaterials zu uns emporstieg, noch bevor sich der Vorhang ganz beiseite geschoben hatte.

*** Der Todesschrei des gelben Panthers, Joe Velasco, 1973
*** Das liebestolle Internat, Jürgen Enz, 1982
*** Menschen von Morgen, Kees Brusse, 1965
** Les avaleuses, Jess Franco, 1973
* Sonne, Meer und nackte Menschen, Alexander Swiagenin, 1964
* Business with Pleasure, Vernon Whitten, 1960
* Die Sexspelunke von Bangkok, Erwin C. Dietrich, 1974

Tuesday, October 01, 2013

Hofbauerkongress: Poesie

Roulette d'amour / Baron Pornos nächtliche Freuden, Frits Fronz, 1969
Das liebestolle Internat, Jürgen Enz, 1982

Durch Wien wanken - von oben strahlen die Leuchtreklamen statt der Sterne, die es in dieser Welt nicht mehr gibt, unter den Leuchtreklamen die Schaufenster mit ihren sorgsam aber stets etwas trüb und einfältig ausgeleuchteten Auslagen: einzelne Gegenstände, Einwortgegenstände ("Schuh", "Blume") in Primärfarben, hier ist noch nichts gentrifiziert, ausdifferenziert, spezialisiert, hier darf der Kapitalismus seine Subjekte noch ganz stumpf Verblenden, ihnen mit voller Wucht einen mit dem Holzhammer verpassen. Durch Wien wanken - als alter Mann, ganz Bart und Trübsal, eine Musik, die vielleicht im eigenen Kopf läuft, aufgreifen und mitsummen, wie um sich selbst im ewig repetitiven Singsang noch einmal, ein letztes Mal zu aktivieren.

Man müsste noch einmal nachlesen, was es genau auf sich hat mit dem Benjamin'schen Flaneur, dessen vermutlich durchgeknallteste Schwund- und Schrumpelstufe sich am Ende von Frits Fronz' Roulette d'Amour mit einem schäbigen Hund verbrüdert und gen Unschärfe bzw Zelluloidzersetzung entschwindet. Wenn es im Spaziergang durch die Stadt der Moderne einmal einen Erfahrungsreichtum gegeben hat, ist der bei Fronz radikalmöglichst zusammengeschrumpft: eine Melodie, ein melancholisches Gedicht, ein Gesichtsausdruck, ein Haufen Leuchtreklamen, ein Haufen hässlicher Schaufensterauslagen, die mittels perfekter match cuts einen Haufen schäbiger Erinnerungen triggern.

Im ersten (? - der Film zersetzt alle Erinnerungen, erst recht die seiner Zuschauer) Erinnerungsclip "vergnügt" (die Anführungszeichen stehen für nichts als meine Hilflosigkeit vor diesem Film) sich der noch weit weniger bärtige, noch nicht allzu trübselige Baron Porno mit vier Frauen, von denen jeweils zwei rechts und zwei links sitzen (man bleibt an seinem, frau an ihrem Platz in dem Film, Veränderungen gibt es wenige, die wenigen, die es gibt, sind zäh und enden schlimm) in einem Nachtclub und schaut sich eine bizarre Strip-Nummer an, die wie der Rest des Films funktioniert: wieder und wieder wechseln zwei Musiknummer einander ab, sie passen kein bisschen zusammen und werden doch stur wiederholt - und die arme Stripperin gibt sich beiden Nummern gleichermaßen frenetisch hin.

Ganz langsam nur schleicht sich eine Geschichte in die Rückblenden; immer wieder findet sich eine neue Möglichkeit der frenetischen Stillstellung: im Vortrag eines hübsch debilen Schlagers zum Beispiel, in am Tresen versandenden Dialogschleifen, am schönsten in der hinreißenden Performance eines Orgelspielers. Da schmolzen unsere Gehirne, mehr als vier Jahrzehnte und vermutlich mehrere Planeten vom Wien des Frits Fronz entfernt, endgültig dahin.

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Silvia meinte nach dem Film irgendwann, dass Fronz, der in seinem Film den Baron gleich selbst spielt, sicher ein ganz anderer Typ (gewesen) sein müsse, als Jürgen Enz, den ich mir immer körper- und gesichtslos vorstelle, obwohl er laut imdb ebenfalls in mindestens vier seiner Filme auch vor der Kamera stand - und außerdem in Heiße Bräute auf der Schulbank einen Hausmeister spielt. Wo Fronz sich in seine eigenen Obsessionen stürzt, beobachtet Enz seine eigenen Welten aus interessierter Distanz, wie ein übereifriger Insektenforscher, der seinen Forschungsgegenstand von Anfang an zwar gründlich missverstanden hat, aber trotzdem nicht aufgibt, der die Menschen in immer neue kahle Schlafzimmer sperrt, wie Ameisen in Streichholzschachteln und sich dann darüber wundert, wie sie übereinander krabbeln.

Das liebestollte Internat ist leider ein eher gemäßigter Enz-Film, eine eher stromlinienförmige Version des im selben Jahr entstandenen Waidmannsheil im Spitzenhöschen - Christa Abel zum Beispiel spielt in beiden dieselbe pfundige Rolle, es fehlen leider die durchgeknallten Verzichter und bad guys, die sich in einigen anderen Enz-Filmen herumtreiben. Toll ist der Anfang, die kleinbürgerliche Libertinage auf dem hässlichen Sofa (gut natürlich, dass wir die Softcore-Version erwischt hatten), toll sind später einzelne Numern mit Gartenschlauch und vor allem einer Hecke, um die herum sich das eben gerade nicht wilde Treiben organisiert.

Dazwischen wird's fad, aber Enz auf 35mm ist trotzdem großartig, da vibriert die Leere in den Bildern.

Monday, September 23, 2013

Hofbauerkongress: Barbara - Wild wie das Meer, Frank Wisbar, 1961

Mein Kongress-Lieblingsfilm: Ein entfesseltes Melodram, ein einziger, nur ganz an der Oberfläche unterkühlt anmutender Gefühlsexzess, fast unbehauen hineingestellt ins noch etwas steife deutsche Nachkriegskino und auch in die noch etwas steife deutsche Sprache der frühen Sechziger.

Barbara kann man nur übers Meer erreichen; und auch dann muss man noch einmal eine mehrtägige Fahrt übers Land auf sich nehmen, bis in den hintersten Winkel der Färöer. Da, am Ende der Welt, lebt sie, die von den anderen Insulanern begehrt, verflucht und verteufelt wird, eigentlich ein kleinbürgerliches Leben in einem adretten Landarzthaus, kann sich nicht einmal gegen die Kontrollblicke des Gärtners wehren. Das Freie, Ekstatische, wild-Romantische und das Beengte, Kleine, Angepasste stehen oft eng beieinander in Barbara; und immer stehen sie so beieinander, wie man es handlungslogisch / küchenpsychologisch keineswegs erwarten würde.

Erst wenn man einen freimütig mit seinen Figuren umgehenden Film wie Barbara sieht, merkt man, wie sehr in den meisten anderen Filmen alles immer schon entschieden ist. In Barbara kann man mehrmals direkt dabei zusehen, wie die Figuren sich umentscheiden, wie sie erst das Eine tun wollen, und dann plötzlich und ohne, dass man bis ins Letzte nachvollziehen könnte, wie es dazu gekommen ist, genau das Andere tun: Barbara kann man dabei zusehen, wie sie das Aufbegehren gegen den Ehemann sein lässt und ihm plötzlich in die Arme fällt, obwohl er sie unangemessen einengt. Ein Schock ist das, weil das in dem Moment nichts von Taktik oder gequält-sich-dem-Schicksal-ergeben hat, weil sie dabei nichts zurückhält, weil sie sich vollständig ergibt. Wenn sie dann später ihre Jugendliebe nach einigen Widerständen küsst, mit ihm bald abhaut und dann schließlich ein „Leben jenseits der konventionellen Moral“ zwischen zwei Männern führt, bis sie vor einem kalten Ofen fast erfriert, streicht das die vorherige Umarmung nicht aus; sie galt, in letzter Instanz, nie einem einzelnen Mann.


Ob Dominik Graf Barbara gesehen hat, bevor er Der Felsen, seinen eigenen Inselfilm, gedreht hat? Zumindest habe ich jetzt einen würdigen Vorgängerfilm entdeckt.

Wednesday, September 18, 2013

Hofbauerkongress: Franco

Eugenie (Historia de una perversion) / Lolita am Scheideweg, Jess Franco, 1980

Eine De-Sade-Verflimung, vermutlich sehr frei, die Handlung verschwindet allerdings eh völlig zwischen den Totalen der bizarren Architektur, in der Franco seine Frauen platziert und der Haut ohne Rahmung dazwischen. Das Mittlere, die Körper, die sich nicht mehr zur Kamera oder zueinander, sondern zu einer Geschichte verhalten, interessiert den Film kein bisschen.

Sandfiguren am Strand: nackte Frauen in Posen, die gleichzeitig aufreizend und entspannt wirken und die vom Film hernach "eingeholt" werden müssen: am Strand haben die Frauen schon die richtige Art schlaftrunkener Eleganz, die echten Frauen müssen erst noch dazu gebracht werden. Dass eine der echten Frauen die Sandfrauen am Ende kaputt macht, passt natürlich nicht so ganz zu einer solchen Lesart, aber einerseits ist das halt die wundervolle Franco-Inkonsequenz; andererseits stellen die fleischlichen Frauen vielleicht mit diesem Ende ihre Unabhängigkeit wieder her: Projektionsfläche und Fetischobjekt zu sein ist ja okay, was aber nicht geht, ist, diese Projektionen und Fetische stillzustellen, einzumauern. 

Denn in Franco-Filmen haben die Frauen nichts Statueskes (die Männer manchmal schon, wenn sie sonnenbebrillt in die Ferne blicken), sie sind ständig unterwegs, kommen näher, entziehen sich wieder. Erst recht in Eugenie, einem der schönsten Franco-Filme, die ich bisher gesehen habe: Da kommt ihnen die Kamera oft extrem nahe, fokussiert auf ein sich bewegendes Schulterblatt, das sich hinter der Haut abzeichnet, auf einen Mund, der sich öffnet. Fetischobjekte, die sich von pornografischen Fixiderungen lösen, Haut ohne Rahmung, aber deshalb noch lange nicht bloße Natur, mal behängt Franco die Haut mit silbernem Schmuck, mal drapiert er vor ihr Vorhänge; jede Frau ein eigener Bildraum, ein eigenes ästhetisches System.

Les avaleuses / Entfesselte Begierde, Jess Franco, 1973

Den zweiten Franco-Film des Kongresses kannte ich schon, ich mochte ihn beim ersten Ansehen überhaupt nicht, beim zweiten nicht viel mehr. Wieder fühlte ich mich regelrecht angegangen von Lina Romays Vagina, erschlagen außerdem von einem Bettpfosten, der in einer der Romay-Betträkelszene eine zentrale Rolle spielt und der in meiner Erinnerung die Hälfte des ganzen Films eingenommen hatte, was natürlich Blödsinn ist - die entsrechende Szene dauert kaum fünf Minuten. Vielleicht liegt es daran, dass die Kamera in Les avaleuses die Frauen immer ganz besitzen möchte, aus einer Entfernung, die Kontrolle verspricht: leicht von oben blickt sie auf die Betten, wenn sie ihnen näher auf den Leib rückt, dann nur, indem sie ihnen direkt zwischen die Beine zoomt. Aggressiv fühlt sich das nicht an, aber doch etwas fantasielos.

Friday, December 07, 2012

Hofbauerkongress: ratings und Kurzkommentare

***** Monarch, Johannes Flütsch / Manfred Stelzer, 1980

(Sinnvolleres als hier steht hier). Von Kneipe zu Kneipe mit dem Monarch, Gurken fegen, die der Geier vorher ausfindig gemacht hat. Kneipengespräche, die meisten Gäste feuern ihn - den einen, der es geschafft hat, das System nach dessen eigenen Maßstäben zu besiegen - an. Die Wirte sind sauer ("Jetzt ist aber mal Schluss"), vielleicht, weil sie, wenn sie dem Monarchen begegnen, erkennen, dass sie Teil des Systems sind. Jedes Bild trifft ins Herz der Bundesrepublik der späten Siebziger Jahre; analoge, warm vibrierende Bilder, analoge Spielautomaten. Ein Film über einen, der gleichzeitig ganz außen, außerhalb jeder sozialen Beziehung, zumindest außerhalb jeder konventionellen sozialen Beziehung (die nicht ihr eigenes Vokabular ausbildet, so sonderbar ist sie), steht und mitten im Morast steckt, im stickigen Inneren der Gesellschaft, da, wo die Biere besonders schal, die Schmalzbrote besonders widerwärtig und die Tresengespenster besonders aufdringlich sind.

Gewohnt habe ich in Nürnberg in einem anderen Relikt der alten Bundesrepublik, einer "Griechsichen Taverne mit Kegelbahn" und mit, ja, doch, "Fremdenzimmern". Seit den Siebzigern, seit der Monarch seine Runden drehte, hat sich da wenig bis nichts verändert, nehme ich an. Im Hinterhaus, hinter der vergleichsweise lebhaften Taverne, befinden sich die Zimmer, zugänglich über dunkle, aber saubere Gänge. In der Dusche roch es trotzdem seltsam, die Teppiche waren speckig, die Betten durchgelegen. Das passt nicht nur zum Monarchen (oder vielleicht eher: zu seinem Geier, der Monarch selbst würde sicher edler absteigen), sondern auch zu anderen Filmen, die ich in den drei langen Nächten gesehen haben. Ein Vorsatz fürs nächste Mal: weniger persönliche Mimikry ans Kongressprogramm.

***** Mädchen in der Sauna, Gunther Wolf, 1967

***** 48 Hrs, Walter Hill, 1982

Die Eröffnungssequenz, so ziemlich das großartigste, was das Hollywoodkino in den Achtzigern hervorgebracht hat, in ihrer Binnendramaturgie vielleicht der letzte große Western der Filmgeschichte: die Pferde, die Spiegelbrille des Gefängnisaufsehers, die Straße, über die der Indianer kommt, um seinen Kumpel zu befreien und die dann, in derselben Einstellung noch einmal aufgegriffen wird, nach der Flucht. Als zweite große Szene: das Finale, in dem sich der Himmel immer ergreifender verfärbt.

Ansonsten: Vorfreude auf Wien, ab 08.05.2013, viele, viele Achtzigerjahrefilme auf 35mm. Und dann auch, da kann ich nicht aus meiner Haut, in Originalfassungen.

***** Il merlo maschio, Pasquale Festa Campanile, 1971

Eine großartige Komödie über eine heißlaufende Neurose, die sich an immer mehr Objekte gleichzeitig bindet: an eine Frau, an ein Cello, an Fotografien, an Gnocchi und die sich doch immer nur, wie auch die Welt des Films vor der Kamera, im Kreis dreht. Ein Musiker fühlt sich vom Orchesterchef und eigentlich von der gesamten Welt übergangen und glaubt, die Welt nur wiedergewinnen zu können, wenn er seine Frau mit ihr teilt. Eine der vielen Fehlleistungen, die den Film antreiben (und gleichzeitig Woody Allens Fehlleistungen reichlich alt aussehen lassen), lässt Frau und Cello in eins fallen. Ich muss mehr italienische Komödien sehen

***** Tanja - Die Nackte von der Teufelsinsel, Julius Hofherr, 1967

Lief zusammen mit Mädchen in der Sauna, ein grandioses double feature über Frauen mit Missionen. Tanja will auf die Teufelsinsel, Tiere beobachten, nachdem ein freundlicher, aber bestimmter Mann sie erst angehalten und dann in die Geheimnisse der Tierbeobachtung eingewiesen hat. Er drängt sich nicht ihr, sondern ihr die Tiere auf. Und sie lässt es mit sich geschehen. Schon da dringen nicht nur Tierbilder (die von echtem Interesse an der Tierfotografie zeugen) in den Film ein, sondern auch Tiergeräusche, die sich schnell zu einem Klangteppich verdichten, der dem Film eine ganz eigenartige akustische Textur verleiht. Tanja landet dann auf der Insel und zieht sich aus, was ja schon der Titel versprochen hatte. Nackt beobachtet sie ein Tier nach dem anderen, übernachtet in einem Zelt, stellt Spekulationen über das Teuflische der Insel an und klettert vor allem oft auf Bäume: fragil wirken diese Szenen, sie wagt sich, ohne mit der Wimper zu zucken, auf dünnste Äste, nur um einen Blick auf eine besondere Reiherart, oder auch auf gefährliche Wildschweine zu erhaschen.

Tanja und die Tiere sind nicht im selben Raum, das kann der Film nicht verbergen. Vermutlich gab es die Tieraufnahmen vorher, Tanja wurde später hinzugefügt, musste sich also zu vorhergehenden Bildern verhalten. Manchmal gibt es direkte Parallelen, dann planscht sie im Wasser wie die Vögel, säubert sich wie die Kleintiere. Wie auch immer dieser komplett merkwürdige Film zustande gekommen ist: Es hat etwas Rührendes, wie Tanja durch Mischwälder eilt, sogar gelegentlich ins Wasser steigen muss, naiven Blödsinn erzählt (gar nicht anfangen möchte ich von einer Männerstimme, die sich auch hier - wie in Mädchen in der Sauna - einmischt und gar schreckliche Gedichte vorträgt), schließlich sogar noch Gesellschaft von zwei anderen, alsbald nackten, Mädchen erhält, nur, damit Julius Hofherr uns ein paar tolle Steinbockaufnahmen präsentieren kann.

Tanjas Kommentarstimme erwähnt auch einmal Brehms Tierleben, ein Buch, das ich von meinen Großeltern kenne und in dem ich früher viele Lieblingstiere hatte; komischerweise kann ich mich heute nur noch (und auch das nur dunkel) an eine Otter erinnern. Darin würde ich auch wieder einmal gerne blättern, nach diesem schönen Film.

**** Drei Schwedinnen auf der Reeperbahn, Walter Boos, 1980

Von allen Hofbauerkommando-Kernkompetenzfilmen (vermutlich darf man so etwas gar nicht sagen) war mir dieser der liebste; weil er der menschenfreundlichste ist; weil er tatsächlich ein wenig von Liebe erzählt, von den Schwierigkeiten der Liebe sogar; weil Sex wenigstens ein wenig softcore-gloss haben kann (anstatt, dass da die Typen mit Juckpulver traktiert werden und ihnen Ratten über den Hinterkopf laufen - wobei, auch bei Boos ist die Vergewaltigung stets nur ein, zwei Schnitte entfernt); weil in ihm Jungs auftauchen, die auch in Dominik Grafs Treffer passen würden. Es scheint auch ein Interesse durch in dem Film daran, wie Hamburg aussieht, in diesem historischen Moment, auch, wie die Stadt funktioniert, was das horny Proletenehepaar mit dem "Senator" und dessen Gattin im Nachbarhaus zu tun haben könnte. Die hardcore-Sequenz im Club ist sonderbar, da scheint einfach live eine Sex-Show abgefilmt worden zu sein, mehrere Sachen passieren gleichzeitig im Bild, so, als ob die Kamera überfordert wäre von dem ganzen Unheil, das sich da vor ihr ausbreitet, so, als wolle sie da lieber erst einmal eine möglichst neutrale Position einnehmen.

**** (sehr vorläufige Bewertung) Sünde mit Rabatt, Rudolf Lubowski, 1968

Völlig unmöglich, über diesenWahnwitz etwas halbwegs kohärentes zu schreiben, schon gar nicht nach dem ersten Ansehen. Völlig unmöglich momentan allerdings auch, mir auszumalen, was geschehen würde, wenn ich ihn noch einmal sehen müsste. Trash-Performance-Expoitation-Kriminaldrama in den Pappkulissenbordellen und auf den Dächern von Aachen und Umgebung. Jede Einstellung auf einem anderen Dach, glaube ich. Die Kullissen für die Performances bleiben dafür umso erdrückender gleich. Eine Bühne, vorne einige Tische, hinten eine Ballustrade, hinter der wiederum einige Männer platziert werden, die, ohne mit der Wimper zu zucken, die unglaublichsten Vorgänge über sich ergehen lassen. Zwischen unbeholfenem, fast schon pantomimeartigen Overacting kleine Momente der Eleganz. Kein zynisch am Markt platziertes Produkt, sondern ein handgefertigtes Werk der Liebe, kein Zweifel.

**** Io, Emmanuelle, Cesare Canevari, 1969

Ein angenehmes Gleiten durch verschiedene Erregungszustände, maximal abstrahiert vom schon noch zugrundeliegenden Narrativ (einmal wird Marcuse gekocht, das fand ich eher albern), am besten gefallen hat mir allerdings gleich (fast) die erste Einstellung, als die Kamera die Knie der Hauptdarstellerin fixiert und umkreist, so als wären ihre Beine zwei Türme, vielleicht die des World Trade Center. Ich war allerdings auch müde und die digitale Kopie gab nur eine leise Ahnung davon, wie schön der Film vermutlich auf 35mm ausschaut.

*** I fantastici 3 $upermen, Gianfranco Parolini, 1967

Schön, die Falltüren und das Trampolin. Auch da war ich ziemlich müde.

*** Lehrmädchenreport, Ernst Hofbauer, 1973

Glücklicherweise werden die anfangs einfach nur finsteren Episoden (siehe oben: die Ratten, das Juckpulver und das ist noch nicht einmal eine der allerfinstersten Szenen) mit der Zeit immer durchgeknallter. Gut aussehen tut er, der Film, auf eine comicstripartige Weise. Bekehrt bin ich aber noch lange nicht, erst recht nicht hinsichtlich:

** Intime Stunden auf der Schulbank, mashup version, Jürgen Enz, 1981

* Hvor ligger Painful City?, Lasse Spang Olsen, 1992

* First Love, Hans Billian, 1979

Meine Güte (1)

* Porno mit John Holmes, ????, ????

Meine Güte (2; in diesem Fall vor allem die Synchro) - aber alles nichts gegen:

* André schafft sie alle, Peter Fratzscher, 1985

Monday, December 03, 2012

Hofbauerkongress: Mädchen in der Sauna, Gunther Wolf, 1967


Die junge Frau schaut aus dem Fenster des Flugzeugs. “Finnair” steht auf dem Flügel. Sie fliegt, lernt man anschließend, nach Finnland, um eine Reportage über die finnischen Saunas zu schreiben. Weil sie das von zu Hause aus nicht kann. Der Film behauptet das nicht einfach nur, er zeigt es: Sie hat ein Blatt Papier in die Schreibmaschine eingespannt, sitzt ernsthaft vor ihrem Arbeitstisch, aber mehr als die Überschrift bekommt sie nicht hin. Also setzt sie sich, nachdem sie einige anderen Informationen über ihr Reiseziel eingeholt hat, in ein Flugzeug, schaut wieder, genauso ernsthaft, aus dem Fenster und fliegt los, nach Helsinki. Da trifft sie einen blonden jungen Mann, der sie bei der Besichtigung der Saunen begleitet. Der Ablauf eines Saunabesuchs wird vorgestellt: Schwitzen, sich Massieren lassen, Abkühlung im Eisbad. Die junge Frau vollzieht das für die Zuschauer mehrmals nach. Sie zieht sich aus und sitzt friedlich neben einer anderen jungen Frau, einer blonden (sie selbst ist brünett) mit großen Brüsten, lässt sich von einer älteren Frau seifig einschäumen, ins Eisbad traut sie sich vorerst noch nicht. Dafür blickt sie - blickt die Kamera - durchs Saunafenster auf den Steg, wenn die anderen ins Wasser springen. Später traut sie sich doch. Mehrmals wird Wasser auf heiße Steine gegossen, zweimal wird eine Saunawurst gebraten.

Der Film, der mit jeder Einstellung etwas eigenes, besonderes ausprobiert und der von zwei voice-over-Stimmen (ihrer und der eines Mannes, ihr gehören die schöneren Sätze) begleitet wird, hält sich strikt an den Arbeitsprozess der jungen Frau. Am Ende ist der Report fertig - er umfasst sechs Schreibmaschinenseiten und auch einen Vergleich mit der deutschen Saunapraxis. Da sind mehrere Frauen auf einmal im Bild, es gibt zwei verbale Spitzen gegen zu dicke Frauen. Dabei ist keine der Frauen im Bild wirklich dick. Aber es passt zur deutschen Sauna, in der alles ein wenig aggressiver ist als in der finnischen, auch der Filmschnitt. In der man nicht eingeseift, sondern durchgeknetet wird. Doch das soll nicht heißen, dass die junge Frau die deutschen Saunen nicht mag. Sie registriert lediglich ein paar Unterschiede, ihrem professionell gezügelten Enthusiasmus schadet das nicht. Saunawurst gibt es keine in Deutschland.