Roulette d'amour / Baron Pornos nächtliche Freuden, Frits Fronz, 1969
Das liebestolle Internat, Jürgen Enz, 1982
Durch Wien wanken - von oben strahlen die Leuchtreklamen statt der Sterne, die es in dieser Welt nicht mehr gibt, unter den Leuchtreklamen die Schaufenster mit ihren sorgsam aber stets etwas trüb und einfältig ausgeleuchteten Auslagen: einzelne Gegenstände, Einwortgegenstände ("Schuh", "Blume") in Primärfarben, hier ist noch nichts gentrifiziert, ausdifferenziert, spezialisiert, hier darf der Kapitalismus seine Subjekte noch ganz stumpf Verblenden, ihnen mit voller Wucht einen mit dem Holzhammer verpassen. Durch Wien wanken - als alter Mann, ganz Bart und Trübsal, eine Musik, die vielleicht im eigenen Kopf läuft, aufgreifen und mitsummen, wie um sich selbst im ewig repetitiven Singsang noch einmal, ein letztes Mal zu aktivieren.
Man müsste noch einmal nachlesen, was es genau auf sich hat mit dem Benjamin'schen Flaneur, dessen vermutlich durchgeknallteste Schwund- und Schrumpelstufe sich am Ende von Frits Fronz' Roulette d'Amour mit einem schäbigen Hund verbrüdert und gen Unschärfe bzw Zelluloidzersetzung entschwindet. Wenn es im Spaziergang durch die Stadt der Moderne einmal einen Erfahrungsreichtum gegeben hat, ist der bei Fronz radikalmöglichst zusammengeschrumpft: eine Melodie, ein melancholisches Gedicht, ein Gesichtsausdruck, ein Haufen Leuchtreklamen, ein Haufen hässlicher Schaufensterauslagen, die mittels perfekter match cuts einen Haufen schäbiger Erinnerungen triggern.
Im ersten (? - der Film zersetzt alle Erinnerungen, erst recht die seiner Zuschauer) Erinnerungsclip "vergnügt" (die Anführungszeichen stehen für nichts als meine Hilflosigkeit vor diesem Film) sich der noch weit weniger bärtige, noch nicht allzu trübselige Baron Porno mit vier Frauen, von denen jeweils zwei rechts und zwei links sitzen (man bleibt an seinem, frau an ihrem Platz in dem Film, Veränderungen gibt es wenige, die wenigen, die es gibt, sind zäh und enden schlimm) in einem Nachtclub und schaut sich eine bizarre Strip-Nummer an, die wie der Rest des Films funktioniert: wieder und wieder wechseln zwei Musiknummer einander ab, sie passen kein bisschen zusammen und werden doch stur wiederholt - und die arme Stripperin gibt sich beiden Nummern gleichermaßen frenetisch hin.
Ganz langsam nur schleicht sich eine Geschichte in die Rückblenden; immer wieder findet sich eine neue Möglichkeit der frenetischen Stillstellung: im Vortrag eines hübsch debilen Schlagers zum Beispiel, in am Tresen versandenden Dialogschleifen, am schönsten in der hinreißenden Performance eines Orgelspielers. Da schmolzen unsere Gehirne, mehr als vier Jahrzehnte und vermutlich mehrere Planeten vom Wien des Frits Fronz entfernt, endgültig dahin.
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Silvia meinte nach dem Film irgendwann, dass Fronz, der in seinem Film den Baron gleich selbst spielt, sicher ein ganz anderer Typ (gewesen) sein müsse, als Jürgen Enz, den ich mir immer körper- und gesichtslos vorstelle, obwohl er laut imdb ebenfalls in mindestens vier seiner Filme auch vor der Kamera stand - und außerdem in Heiße Bräute auf der Schulbank einen Hausmeister spielt. Wo Fronz sich in seine eigenen Obsessionen stürzt, beobachtet Enz seine eigenen Welten aus interessierter Distanz, wie ein übereifriger Insektenforscher, der seinen Forschungsgegenstand von Anfang an zwar gründlich missverstanden hat, aber trotzdem nicht aufgibt, der die Menschen in immer neue kahle Schlafzimmer sperrt, wie Ameisen in Streichholzschachteln und sich dann darüber wundert, wie sie übereinander krabbeln.
Das liebestollte Internat ist leider ein eher gemäßigter Enz-Film, eine eher stromlinienförmige Version des im selben Jahr entstandenen Waidmannsheil im Spitzenhöschen - Christa Abel zum Beispiel spielt in beiden dieselbe pfundige Rolle, es fehlen leider die durchgeknallten Verzichter und bad guys, die sich in einigen anderen Enz-Filmen herumtreiben. Toll ist der Anfang, die kleinbürgerliche Libertinage auf dem hässlichen Sofa (gut natürlich, dass wir die Softcore-Version erwischt hatten), toll sind später einzelne Numern mit Gartenschlauch und vor allem einer Hecke, um die herum sich das eben gerade nicht wilde Treiben organisiert.
Dazwischen wird's fad, aber Enz auf 35mm ist trotzdem großartig, da vibriert die Leere in den Bildern.
Das liebestolle Internat, Jürgen Enz, 1982
Durch Wien wanken - von oben strahlen die Leuchtreklamen statt der Sterne, die es in dieser Welt nicht mehr gibt, unter den Leuchtreklamen die Schaufenster mit ihren sorgsam aber stets etwas trüb und einfältig ausgeleuchteten Auslagen: einzelne Gegenstände, Einwortgegenstände ("Schuh", "Blume") in Primärfarben, hier ist noch nichts gentrifiziert, ausdifferenziert, spezialisiert, hier darf der Kapitalismus seine Subjekte noch ganz stumpf Verblenden, ihnen mit voller Wucht einen mit dem Holzhammer verpassen. Durch Wien wanken - als alter Mann, ganz Bart und Trübsal, eine Musik, die vielleicht im eigenen Kopf läuft, aufgreifen und mitsummen, wie um sich selbst im ewig repetitiven Singsang noch einmal, ein letztes Mal zu aktivieren.
Man müsste noch einmal nachlesen, was es genau auf sich hat mit dem Benjamin'schen Flaneur, dessen vermutlich durchgeknallteste Schwund- und Schrumpelstufe sich am Ende von Frits Fronz' Roulette d'Amour mit einem schäbigen Hund verbrüdert und gen Unschärfe bzw Zelluloidzersetzung entschwindet. Wenn es im Spaziergang durch die Stadt der Moderne einmal einen Erfahrungsreichtum gegeben hat, ist der bei Fronz radikalmöglichst zusammengeschrumpft: eine Melodie, ein melancholisches Gedicht, ein Gesichtsausdruck, ein Haufen Leuchtreklamen, ein Haufen hässlicher Schaufensterauslagen, die mittels perfekter match cuts einen Haufen schäbiger Erinnerungen triggern.
Im ersten (? - der Film zersetzt alle Erinnerungen, erst recht die seiner Zuschauer) Erinnerungsclip "vergnügt" (die Anführungszeichen stehen für nichts als meine Hilflosigkeit vor diesem Film) sich der noch weit weniger bärtige, noch nicht allzu trübselige Baron Porno mit vier Frauen, von denen jeweils zwei rechts und zwei links sitzen (man bleibt an seinem, frau an ihrem Platz in dem Film, Veränderungen gibt es wenige, die wenigen, die es gibt, sind zäh und enden schlimm) in einem Nachtclub und schaut sich eine bizarre Strip-Nummer an, die wie der Rest des Films funktioniert: wieder und wieder wechseln zwei Musiknummer einander ab, sie passen kein bisschen zusammen und werden doch stur wiederholt - und die arme Stripperin gibt sich beiden Nummern gleichermaßen frenetisch hin.
Ganz langsam nur schleicht sich eine Geschichte in die Rückblenden; immer wieder findet sich eine neue Möglichkeit der frenetischen Stillstellung: im Vortrag eines hübsch debilen Schlagers zum Beispiel, in am Tresen versandenden Dialogschleifen, am schönsten in der hinreißenden Performance eines Orgelspielers. Da schmolzen unsere Gehirne, mehr als vier Jahrzehnte und vermutlich mehrere Planeten vom Wien des Frits Fronz entfernt, endgültig dahin.
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Silvia meinte nach dem Film irgendwann, dass Fronz, der in seinem Film den Baron gleich selbst spielt, sicher ein ganz anderer Typ (gewesen) sein müsse, als Jürgen Enz, den ich mir immer körper- und gesichtslos vorstelle, obwohl er laut imdb ebenfalls in mindestens vier seiner Filme auch vor der Kamera stand - und außerdem in Heiße Bräute auf der Schulbank einen Hausmeister spielt. Wo Fronz sich in seine eigenen Obsessionen stürzt, beobachtet Enz seine eigenen Welten aus interessierter Distanz, wie ein übereifriger Insektenforscher, der seinen Forschungsgegenstand von Anfang an zwar gründlich missverstanden hat, aber trotzdem nicht aufgibt, der die Menschen in immer neue kahle Schlafzimmer sperrt, wie Ameisen in Streichholzschachteln und sich dann darüber wundert, wie sie übereinander krabbeln.
Das liebestollte Internat ist leider ein eher gemäßigter Enz-Film, eine eher stromlinienförmige Version des im selben Jahr entstandenen Waidmannsheil im Spitzenhöschen - Christa Abel zum Beispiel spielt in beiden dieselbe pfundige Rolle, es fehlen leider die durchgeknallten Verzichter und bad guys, die sich in einigen anderen Enz-Filmen herumtreiben. Toll ist der Anfang, die kleinbürgerliche Libertinage auf dem hässlichen Sofa (gut natürlich, dass wir die Softcore-Version erwischt hatten), toll sind später einzelne Numern mit Gartenschlauch und vor allem einer Hecke, um die herum sich das eben gerade nicht wilde Treiben organisiert.
Dazwischen wird's fad, aber Enz auf 35mm ist trotzdem großartig, da vibriert die Leere in den Bildern.
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