Ekkehard Knörer hatte in seiner Einführung brilliant ausgeführt und aufgefaltet, was für eine Freude man an dem Film haben kann, wenn man das Spiel Rivettes mitspielt. Ich habe dann leider zumeist nur die Frustration zu spüren bekommen, die sich einstellt, wenn man das Spiel nicht mitspielen möchte, weil einem der Spielleiter von Anfang an suspekt ist und irgendwann regelrecht unsympathisch wird.
Das kann einem erst einmal bei jedem Film passieren. Das besondere an Haut bas fragile scheint mir aber, dass der Film auf eine recht totalitäre Art ganz und gar ein Spiel ist. Oder vielleicht eher: dass er behauptet, ganz und gar Spiel zu sein und deshalb kein rechtes Verhältnis zu dem Außen des Spiels findet. (Es steckt in meinem Unbehagen vermutlich auch eine Vorannahme, die manche wohl nicht teilen werden: dass ein Film, durchaus auch ein wenig qua Technik, nie ganz und gar ein Spiel und als solches unter der Kontrolle des Regisseurs sein kann, dass das Interessante am Kino oft genug genau das ist, was über das Spiel hinaus reicht, beziehungweise das, was vom Spiel nebenbei mitbezeichnet wird.)
Mein Unbehagen kristallisierte sich gerade an jenen Szenen, die vielen anderen Zuschauern im Arsenal (meiner Wahrnehmung nach) besonders gut gefallen zu haben scheinen: die Momente, in denen die Schauspieler aus heiterem Himmel (bzw nicht ganz aus heiterem Himmel; Ekkehard hatte darauf hingewiesen, dass alle Bewegungen im Film etwas Tänzerisches haben) in song-and-dance-Routinen verfallen. Der Wechsel vollzieht sich ansatzlos, oft aus einer einzigen Bewegung heraus, technisch ist das natürlich beeindruckend. Ich habe mich allerdings gefragt, was diese Musicalnummern dem Film hinzufügen (spektakuläre Attraktionen eigenen Rechts? Klar, schon irgendwie, aber eigentlich sind sie dafür wieder zu gehemmt), was genau sie mit den Figuren anstellen (da es offensichtlich nicht darum geht, im geläufigen Sinne etwas zu artikulieren, anzustreben, zu begehren). Ich glaube, das einzige, was sie mit ihnen anstellen, ist, dass sich Nathalie Richard (unerträglich Schmetterlingsgleich in diesem Film; sie alleine erklärt vermutlich schon den Löwenanteil meiner Aversion), Marianne Denicourt und die anderen noch ein wenig perfekter, noch ein wenig eleganter bewegen, zueinander, für sich selbst, zur Kamera. Die Musicalnummern sind nichts anderes als Steigerung von Brillianz, fast schon streberhafte Ausstellung von Könnerschaft und in letzter Instanz vor allem der Nachweis, dass die Spielteilnehmer dass Spiel beherrschen.
Die Geheimgesellschaft, die sich irgendwann einmal im Film formiert und ein mysteriöses Kartenspiel ausagiert, steht nicht nur insofern metonymisch für den Film, weil sie jene Logik eines Spiels, das sich selbst seine Regeln setzt, szenisch nachstellt, die Ekkehard in seiner Einführung entworfen hatte; sondern auch, weil sie die Frage nach der Zulassung zum Spiel ausklammert / gar nicht erst zulässt. M. legte mir nach dem Film nahe, dass mein Problem mit dem Film damit zu tun haben könnte, dass Rivette zwei Verträge schließt: zum einen einen Vertrag mit den Hauptdarstellern, den Teilnehmern an seinem Spiel, das eigentlich eher auf eine Performance heraus will, als auf eine Geschichte - und diesen Hauptdarstellern lässt er dann auch große, tatsächlich im Falle Richards viel zu große Freiheiten. Zum anderen ist Haut bas fragile dann eben doch Erzählkino, schließt als solches einen zweiten, narrativen Vertrag, der nicht zuletzt dafür sorgt, dass eine ganze Reihe von Nebenfiguren gewissermaßen im Regen stehen gelassen werden; dass zum Beispiel die Würstchenverkäuferin nie mittanzen werden darf, ist von Anfang an klar. Nun wäre ein sozialdemokratisch durchproporzionalisiertes Kino natürlich erst recht langweilig. Aber mir scheint doch, dass es Formen von Erzählkino gibt, die jene Ausschließungen, die das Erzählen von Geschichten stets mit sich bringt, reflektieren oder jedenfalls auf ihre Vorbedingungen hin durchsichtig machen. Haut bas fragile macht sie maximal undurchsichtig und ist auch noch stolz darauf.
Zuletzt zum Spiel selbst. Dass es in Rivettes Filmen keine Individuen im starken Sinne mehr gibt, keinen Subjektkern, deshalb auch keine Sicherheiten; dass es statt dessen nur noch Selbstperformanz gibt, Fabulierung, Wahlverwandtschaften: All das finde ich prinzipiell ja auch super (ob sich meine Abneigung auch auf jene Rivette-Filme erstreckt, die ich früher geliebt habe, muss ich irgendwann einmal überprüfen - momentan habe ich wenig Lust, mich dieser hermetischen Welt noch einmal auszusetzen). Was mich aber an den Figuren in Haut bas fragile stört, ist, dass sie diese ihre Situation, dieses Fehlen von Sicherheiten, Traditionen, Ankern so uneingeschränkt meistern; dass sie sich von Anfang an ganz unbedingt und ausgestellt wohl fühlen im Spiel (auch dann, wenn der Spielleiter zB Liebeskummer vorschreibt; dann haben sie eben auf besonders kunstvoll elegische Art und Weise Liebeskummer), dass sie sich dann immer wohler fühlen, bis sie eben irgendwann anfangen zu tanzen. Ich habe die letzten Jahre viele Sitcoms gesehen; in einigen der besten dieser Serien - Seinfeld, Cheers, Frasier, Wings - geht es um sehr ähnliche Konzepte von Selbstperformanz und fortgesetzter spielerischer Neuerfindung von Identitäten. Der zentrale Unterschied besteht für mich darin, dass für Sitcomfiguren diese Freiheiten und Offenheiten nicht nur Lust, sondern auch Last sind. Ein Spiel, das den Spielenden nicht auch manchmal zum Hals heraus hängt, ist mir verdächtig. Und die ideale Antwort auf die risiko- (und natürlich auch körper-)losen, neoaristokratischen Geplänkel (vielleicht kein Zufall, dass Rivette oft in Schlössern und Burgen gefilmt hat) von Haut bas fragile wäre die Seinfeld-Episode "The Comeback", in der George sich einem Sprachspiel mit Haut und Haaren verschreibt - und ihm gleichzeitig zum Opfer fällt.
Das kann einem erst einmal bei jedem Film passieren. Das besondere an Haut bas fragile scheint mir aber, dass der Film auf eine recht totalitäre Art ganz und gar ein Spiel ist. Oder vielleicht eher: dass er behauptet, ganz und gar Spiel zu sein und deshalb kein rechtes Verhältnis zu dem Außen des Spiels findet. (Es steckt in meinem Unbehagen vermutlich auch eine Vorannahme, die manche wohl nicht teilen werden: dass ein Film, durchaus auch ein wenig qua Technik, nie ganz und gar ein Spiel und als solches unter der Kontrolle des Regisseurs sein kann, dass das Interessante am Kino oft genug genau das ist, was über das Spiel hinaus reicht, beziehungweise das, was vom Spiel nebenbei mitbezeichnet wird.)
Mein Unbehagen kristallisierte sich gerade an jenen Szenen, die vielen anderen Zuschauern im Arsenal (meiner Wahrnehmung nach) besonders gut gefallen zu haben scheinen: die Momente, in denen die Schauspieler aus heiterem Himmel (bzw nicht ganz aus heiterem Himmel; Ekkehard hatte darauf hingewiesen, dass alle Bewegungen im Film etwas Tänzerisches haben) in song-and-dance-Routinen verfallen. Der Wechsel vollzieht sich ansatzlos, oft aus einer einzigen Bewegung heraus, technisch ist das natürlich beeindruckend. Ich habe mich allerdings gefragt, was diese Musicalnummern dem Film hinzufügen (spektakuläre Attraktionen eigenen Rechts? Klar, schon irgendwie, aber eigentlich sind sie dafür wieder zu gehemmt), was genau sie mit den Figuren anstellen (da es offensichtlich nicht darum geht, im geläufigen Sinne etwas zu artikulieren, anzustreben, zu begehren). Ich glaube, das einzige, was sie mit ihnen anstellen, ist, dass sich Nathalie Richard (unerträglich Schmetterlingsgleich in diesem Film; sie alleine erklärt vermutlich schon den Löwenanteil meiner Aversion), Marianne Denicourt und die anderen noch ein wenig perfekter, noch ein wenig eleganter bewegen, zueinander, für sich selbst, zur Kamera. Die Musicalnummern sind nichts anderes als Steigerung von Brillianz, fast schon streberhafte Ausstellung von Könnerschaft und in letzter Instanz vor allem der Nachweis, dass die Spielteilnehmer dass Spiel beherrschen.
Die Geheimgesellschaft, die sich irgendwann einmal im Film formiert und ein mysteriöses Kartenspiel ausagiert, steht nicht nur insofern metonymisch für den Film, weil sie jene Logik eines Spiels, das sich selbst seine Regeln setzt, szenisch nachstellt, die Ekkehard in seiner Einführung entworfen hatte; sondern auch, weil sie die Frage nach der Zulassung zum Spiel ausklammert / gar nicht erst zulässt. M. legte mir nach dem Film nahe, dass mein Problem mit dem Film damit zu tun haben könnte, dass Rivette zwei Verträge schließt: zum einen einen Vertrag mit den Hauptdarstellern, den Teilnehmern an seinem Spiel, das eigentlich eher auf eine Performance heraus will, als auf eine Geschichte - und diesen Hauptdarstellern lässt er dann auch große, tatsächlich im Falle Richards viel zu große Freiheiten. Zum anderen ist Haut bas fragile dann eben doch Erzählkino, schließt als solches einen zweiten, narrativen Vertrag, der nicht zuletzt dafür sorgt, dass eine ganze Reihe von Nebenfiguren gewissermaßen im Regen stehen gelassen werden; dass zum Beispiel die Würstchenverkäuferin nie mittanzen werden darf, ist von Anfang an klar. Nun wäre ein sozialdemokratisch durchproporzionalisiertes Kino natürlich erst recht langweilig. Aber mir scheint doch, dass es Formen von Erzählkino gibt, die jene Ausschließungen, die das Erzählen von Geschichten stets mit sich bringt, reflektieren oder jedenfalls auf ihre Vorbedingungen hin durchsichtig machen. Haut bas fragile macht sie maximal undurchsichtig und ist auch noch stolz darauf.
Zuletzt zum Spiel selbst. Dass es in Rivettes Filmen keine Individuen im starken Sinne mehr gibt, keinen Subjektkern, deshalb auch keine Sicherheiten; dass es statt dessen nur noch Selbstperformanz gibt, Fabulierung, Wahlverwandtschaften: All das finde ich prinzipiell ja auch super (ob sich meine Abneigung auch auf jene Rivette-Filme erstreckt, die ich früher geliebt habe, muss ich irgendwann einmal überprüfen - momentan habe ich wenig Lust, mich dieser hermetischen Welt noch einmal auszusetzen). Was mich aber an den Figuren in Haut bas fragile stört, ist, dass sie diese ihre Situation, dieses Fehlen von Sicherheiten, Traditionen, Ankern so uneingeschränkt meistern; dass sie sich von Anfang an ganz unbedingt und ausgestellt wohl fühlen im Spiel (auch dann, wenn der Spielleiter zB Liebeskummer vorschreibt; dann haben sie eben auf besonders kunstvoll elegische Art und Weise Liebeskummer), dass sie sich dann immer wohler fühlen, bis sie eben irgendwann anfangen zu tanzen. Ich habe die letzten Jahre viele Sitcoms gesehen; in einigen der besten dieser Serien - Seinfeld, Cheers, Frasier, Wings - geht es um sehr ähnliche Konzepte von Selbstperformanz und fortgesetzter spielerischer Neuerfindung von Identitäten. Der zentrale Unterschied besteht für mich darin, dass für Sitcomfiguren diese Freiheiten und Offenheiten nicht nur Lust, sondern auch Last sind. Ein Spiel, das den Spielenden nicht auch manchmal zum Hals heraus hängt, ist mir verdächtig. Und die ideale Antwort auf die risiko- (und natürlich auch körper-)losen, neoaristokratischen Geplänkel (vielleicht kein Zufall, dass Rivette oft in Schlössern und Burgen gefilmt hat) von Haut bas fragile wäre die Seinfeld-Episode "The Comeback", in der George sich einem Sprachspiel mit Haut und Haaren verschreibt - und ihm gleichzeitig zum Opfer fällt.
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