Eine fast zweieinhalbstündige Bewegung durch linke, bundesdeutsche, westberliner Befindlichkeiten, SDS-interne Grabenkämpfe, gender politics. Mäandernd ist die Bewegung, ohne klare Agenda, gezeichnet von Brüchen, wechselnden Koalitionen, und doch nicht ohne innere, stets auf explizite und implizite Sexismuserfahrungen perspektivierte Konsequenz. Ein eindrücklicher, berührender Film über beengte Freiheit. (Ich kannte von Sander vorher nur die früheren, kürzeren, im engeren Sinne agitatorischen Filme Brecht die Macht der Manipulateure und Eine Prämie für Irene; tolle Dokumente ihrer Zeit, aber in ihren didaktischen Schließungen doch weit entfernt von der flüssigen Offenheit von Der subjektive Faktor. Schon die Sprache in dem späteren Film ist ganz anders, viel schöner, hat ein Ohr und viel Liebe für persönliche Eigenheiten des Sprechens, für Verschleppungen und Unsicherheiten, auch für Dialekte.)
Fast zur Gänze spielt der Film in einer Berliner Altbauwohnung; lange, tastende, halbsubjektive, ungeschittene Bewegungen durch die Räume, eine Kamera, die sich oft, aber nicht systematisch von den Figuren löst, teilautonom wird. Mehrmals gibt es Szenen, in denen die Wohnung renoviert wird, ein beständiger Neuanfang, keine Stabilitäten. Ich vermute, dass tatsächlich in jener Wohnung gedreht wurde, in der sich viele der nachgestellten Situationen (gedreht wurde 1980, Zeit der Handlung ist ungefähr 1967 bis 1970) zugetragen haben. Eng gebunden scheint mir der Film an die Erinnerung an, beziehungsweise vielleicht die fortgesetzte Präsenz, die "gelebte Historisierung" einzelne(r) Bestandteile dieser Wohnung: der Küchentisch, der ein wenig düstere Flur, der kleine Verschlag am Ende des Flurs über einer Tür. Auch: einzelne Poster, Parolen, Mahlzeiten, Begegnungen - vor allem die eine Begegnung in der Küche: die beiden Frauen die sich in der Küche begegnen, während nebenan die Revolution ohne sie geplant wird, die Großaufnahmen (in einem sonst fast großaufnahmelosen Film), in denen sie sich gegenüber treten.
Der Film besteht aus zwei Elementen: Die neu und in Farbe, auf 16mm gedrehten Szenen, die eben fast zur Gänze im Innern derselben Wohnung (oder zumindest sehr ähnlicher Wohnungen) spielen (es gibt eine Einstellung, die aussieht, als wäre sie vom Balkon oder dem Fenster der Wohnung aus gefilmt worden, in der sich zwei Frauen unterhaken und ein Lied singend die Straße entlang springen; am Ende gibt es eine Friedhofsszene, aber das Ende ist eh ein Rätsel für sich); und Archivmaterial aus der Zeit selbst, in schwarz-weiß: Bilder von Demos, Protestaktionen, Berliner Straßen. Es gibt Scharniere zwischen beiden Elementen (das zentrale vermutlich eine Rede, die Sander selbst 1968 auf einer SDS-Veranstaltung gehalten hat), aber sie bleiben sich doch gegenseitig fremd, gehen nicht ineinander auf. Der subjektive Faktor sträubt sich gegen den objektiven, dokumentarischen Blick. Deren vermeintliche Souveränität, aber auch zum Beispiel das Deklamatorische der Reden, die auf diesen Demos gehalten wurden, kollidiert mit der Intimität der Spielszenen, dem leise gesprochenen Voice Over, der Kamerabewegung, die sich an die Maße der menschlichen Alltagswahrnehmung hält; mit einem subjektiven Faktor, der weit weniger schematisch gedacht ist, als man bei einer solch scharfen binären Opposition vielleicht vermuten könnte.
Toll ist, dass der Film bei aller eingestandenen Subjektivität, bei aller Nähe zum Autobiografischen und zur eigenen Erinnerung, nichts Denunziatorisches, nichts von einer persönlichen Abrechnung hat. Wozu auch, der Sexismus, der große Teile des SDS geprägt haben muss, tritt in einer der dokumentarischen Szenen, die Antworten auf die Forderungen der Frauen zeigen, ganz unverstellt hervor, als eine Selbstverständlichkeit, gegen die es erst einmal ein Problembewusststein zu etablieren galt. In den Spielszenen hat man den Eindruck eines beständigen Driften des Personals, der Männer wie der Frauen, mit der Hauptfigur Anni als einziger Konstante (allerdings ist Anni eben nicht der "Anker im Bild", um den herum alles andere organisiert wird, man hat den Eindruck, dass sie selbst einerseits ständig um ihren Platz im eigenen Film kämpfen muss, andererseits aber auch neugierig auf ihre Umgebung ist und schon deshalb den Blick freigibt). Was es vor allem nicht gibt sind herausgearbeitete Gegenspieler, die dann, sozusagen pars pro toto, besiegt werden müssen; es gibt zwar in der WG / Kommune schon einige eher unangenehme Typen, die immer wieder auftauchen und sich ungebührlich ausbreiten, aber auch das sind Männer, mit denen die Frauen gleichzeitig immer zusammenleben müssen, mit denen sie manchmal auch schlafen ("in jedem Mann auch den Liebhaber sehen" müssen; davon spricht der Voice Over glaube ich einmal, ich weiß nicht mehr genau, in welchem Zusammenhang). Wenn sich etwas ändert, dann aufgrund der Akkumulation von Alltag (auf engem Raum) und aufgrund der vielen kleinen Erkenntnisse, die dabei abfallen.
(Es gibt, eher in politischer denn in ästhetischer Hinsicht, ein paar Sachen, die mich gestört haben an dem Film: Einmal das allzu schelle in-eins-Setzen von Frau-sein und Mutter-sein - das scheint sich durch Sanders Filme, vor allem durch einige der späteren, die ich noch nicht kenne, zu ziehen. Dann auch einen antitheoretischen Affekt, der an manchen Stellen über den berechtigten Zorn über die ihrerseits gedankenlose Besserwisserei und Marx-Zitiererei der Männer hinaus zu gehen scheint, der wenig Raum lässt für Abstraktion, Abstandnahme.)
Was auch toll ist an dem Film: Dass er Figuren zulässt, die sich von den zentralen Konflikten schon deshalb absentieren, weil ihnen die Souveränität fehlt, die nötig ist, um im Feld des Politischen zu reüssieren, weil sie erst recht quer stehen zu den disziplinarischen, lustfeindlichen Tendenzen der organisierten Linken. Besonders nahe gegangen ist mir "Jango", ein (ich glaube familienloser) Herumtreiber, der sich eine Weile in der Kommune der Frauen einquartiert, die sich zwar gelegentlich über ihn lustig machen, ihn aber bedingungslos zulassen. Viele andere Rückzugsorte wären ihm vermutlich nicht zur Verfügung gestanden in der Welt, die in Der subjektive Faktor draußen vor den Fenstern ihren Lauf nimmt.
Fast zur Gänze spielt der Film in einer Berliner Altbauwohnung; lange, tastende, halbsubjektive, ungeschittene Bewegungen durch die Räume, eine Kamera, die sich oft, aber nicht systematisch von den Figuren löst, teilautonom wird. Mehrmals gibt es Szenen, in denen die Wohnung renoviert wird, ein beständiger Neuanfang, keine Stabilitäten. Ich vermute, dass tatsächlich in jener Wohnung gedreht wurde, in der sich viele der nachgestellten Situationen (gedreht wurde 1980, Zeit der Handlung ist ungefähr 1967 bis 1970) zugetragen haben. Eng gebunden scheint mir der Film an die Erinnerung an, beziehungsweise vielleicht die fortgesetzte Präsenz, die "gelebte Historisierung" einzelne(r) Bestandteile dieser Wohnung: der Küchentisch, der ein wenig düstere Flur, der kleine Verschlag am Ende des Flurs über einer Tür. Auch: einzelne Poster, Parolen, Mahlzeiten, Begegnungen - vor allem die eine Begegnung in der Küche: die beiden Frauen die sich in der Küche begegnen, während nebenan die Revolution ohne sie geplant wird, die Großaufnahmen (in einem sonst fast großaufnahmelosen Film), in denen sie sich gegenüber treten.
Der Film besteht aus zwei Elementen: Die neu und in Farbe, auf 16mm gedrehten Szenen, die eben fast zur Gänze im Innern derselben Wohnung (oder zumindest sehr ähnlicher Wohnungen) spielen (es gibt eine Einstellung, die aussieht, als wäre sie vom Balkon oder dem Fenster der Wohnung aus gefilmt worden, in der sich zwei Frauen unterhaken und ein Lied singend die Straße entlang springen; am Ende gibt es eine Friedhofsszene, aber das Ende ist eh ein Rätsel für sich); und Archivmaterial aus der Zeit selbst, in schwarz-weiß: Bilder von Demos, Protestaktionen, Berliner Straßen. Es gibt Scharniere zwischen beiden Elementen (das zentrale vermutlich eine Rede, die Sander selbst 1968 auf einer SDS-Veranstaltung gehalten hat), aber sie bleiben sich doch gegenseitig fremd, gehen nicht ineinander auf. Der subjektive Faktor sträubt sich gegen den objektiven, dokumentarischen Blick. Deren vermeintliche Souveränität, aber auch zum Beispiel das Deklamatorische der Reden, die auf diesen Demos gehalten wurden, kollidiert mit der Intimität der Spielszenen, dem leise gesprochenen Voice Over, der Kamerabewegung, die sich an die Maße der menschlichen Alltagswahrnehmung hält; mit einem subjektiven Faktor, der weit weniger schematisch gedacht ist, als man bei einer solch scharfen binären Opposition vielleicht vermuten könnte.
Toll ist, dass der Film bei aller eingestandenen Subjektivität, bei aller Nähe zum Autobiografischen und zur eigenen Erinnerung, nichts Denunziatorisches, nichts von einer persönlichen Abrechnung hat. Wozu auch, der Sexismus, der große Teile des SDS geprägt haben muss, tritt in einer der dokumentarischen Szenen, die Antworten auf die Forderungen der Frauen zeigen, ganz unverstellt hervor, als eine Selbstverständlichkeit, gegen die es erst einmal ein Problembewusststein zu etablieren galt. In den Spielszenen hat man den Eindruck eines beständigen Driften des Personals, der Männer wie der Frauen, mit der Hauptfigur Anni als einziger Konstante (allerdings ist Anni eben nicht der "Anker im Bild", um den herum alles andere organisiert wird, man hat den Eindruck, dass sie selbst einerseits ständig um ihren Platz im eigenen Film kämpfen muss, andererseits aber auch neugierig auf ihre Umgebung ist und schon deshalb den Blick freigibt). Was es vor allem nicht gibt sind herausgearbeitete Gegenspieler, die dann, sozusagen pars pro toto, besiegt werden müssen; es gibt zwar in der WG / Kommune schon einige eher unangenehme Typen, die immer wieder auftauchen und sich ungebührlich ausbreiten, aber auch das sind Männer, mit denen die Frauen gleichzeitig immer zusammenleben müssen, mit denen sie manchmal auch schlafen ("in jedem Mann auch den Liebhaber sehen" müssen; davon spricht der Voice Over glaube ich einmal, ich weiß nicht mehr genau, in welchem Zusammenhang). Wenn sich etwas ändert, dann aufgrund der Akkumulation von Alltag (auf engem Raum) und aufgrund der vielen kleinen Erkenntnisse, die dabei abfallen.
(Es gibt, eher in politischer denn in ästhetischer Hinsicht, ein paar Sachen, die mich gestört haben an dem Film: Einmal das allzu schelle in-eins-Setzen von Frau-sein und Mutter-sein - das scheint sich durch Sanders Filme, vor allem durch einige der späteren, die ich noch nicht kenne, zu ziehen. Dann auch einen antitheoretischen Affekt, der an manchen Stellen über den berechtigten Zorn über die ihrerseits gedankenlose Besserwisserei und Marx-Zitiererei der Männer hinaus zu gehen scheint, der wenig Raum lässt für Abstraktion, Abstandnahme.)
Was auch toll ist an dem Film: Dass er Figuren zulässt, die sich von den zentralen Konflikten schon deshalb absentieren, weil ihnen die Souveränität fehlt, die nötig ist, um im Feld des Politischen zu reüssieren, weil sie erst recht quer stehen zu den disziplinarischen, lustfeindlichen Tendenzen der organisierten Linken. Besonders nahe gegangen ist mir "Jango", ein (ich glaube familienloser) Herumtreiber, der sich eine Weile in der Kommune der Frauen einquartiert, die sich zwar gelegentlich über ihn lustig machen, ihn aber bedingungslos zulassen. Viele andere Rückzugsorte wären ihm vermutlich nicht zur Verfügung gestanden in der Welt, die in Der subjektive Faktor draußen vor den Fenstern ihren Lauf nimmt.
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