Scope-Intimitäten, so nur im Kino, nur auf 35mm erlebbar; wenn man ihn im Kino Arsenal sieht, projiziert auf eine Leinwand so breit das Auge reicht, wird wird Kathryn Bigelows K-19: The Widowmaker kaum noch behelligt von seinem mittelmäßigen Drehbuch, von der knirschenden Dramaturgie, von der Tatsache, dass seine beiden Hauptfiguren weder psychologisch, noch militärhierarchisch funktionieren. Der Film verwandelt sich in, oder besser: offenbart sich als eine einzige Studie des männlichen Gesichts.
Das Gesicht von Harrison Ford, der sowjetischen Militärsuniform einerseits aufgepfropft, andererseits mit ihr zusammengewachsen, ein Gesicht, das keine Freiheit jenseits des Dienstes mehr kennt, das schon ein wenig abgeschlafft wirkt, jedoch jederzeit aktiviert werden kann: wenn die Pflicht ruft. (Eine ganz ähnliche Rolle hatte Ford zuletzt als Weltraumnazi im politisch unerträglichen, aber auf ganz sonderbare Weise anrührenden Science-Fiction-Film Ender's Game).
Das Gesicht von Liam Neeson, erst einmal noch weitaus lebendiger, noch kaum abgehangen, noch "nah am Knochen", aber gleichzeitig seltsam wächsern. Und das Wachs scheint manchmal, in den besonders schweißtreibenden Szenen, regelrecht von diesem Körper abzutropfen. Seltsame glatte Passagen in den sonst schon durchfalteten Zügen. Die Uniform steht diesem Gesicht nicht besonders gut; die daddy issues, die ihm das Drehbuch aufpropft allerdings auch nicht.
Dazu die vielen anderen Gesichter, denen Vornamen zugeordnet sind, die wie fast willkürliche Unterscheidungsmerkmale wirken: Pavel, Dmitri, Vasily; genauso willkürlich die Funktionen: man wird dem Maschinenraum zugeteilt oder der Torpedoluke, dem Rettungsteam eins oder dem Rettungsteam zwei. Erst einmal sind die Gesichter gleichwertig, dem filmischen Blick gleichermaßen wert. Was auch heißt: Eigentlich könnte das, was irgendwann einigen dieser Gesicher passiert, jedes einzelne treffen. Rot anschwellen werden sie, aufquellen, bluten, eitern, verkrusten, mit Verbänden und Pflastern drapiert werden. Keine Stargesichter, junge, unbeschriebene Gesichter, von der Kamera ausgewählt, individualisiert, manchmal: zum Tode verurteilt.
Und da offenbart sich doch noch der historische Kern des Films. Die Angst vor dem Atomkrieg, die ein so zentrales Motiv des kalten Krieges war, wird noch einmal aufgeführt in K-19, wird transformiert in ein Kammerspielartiges setting: Es kann jeden treffen, die Auswahl ist genauso willkürlich, wie die Gefahr, der man sich stellt, unsichtbar ist. Mit völlig unbrauchbaren Schutzkitteln werden die Rettungsteams direkt zum Reaktorkern des Atom-U-Boots (ach ja, ein U-Bootfilm, aber ganz ohne die Klaustrophobieklischees, Bigelows Einstellungen bieten den Soldatengesichtern den Platz, den sie im echten Leben nicht hatten) geschickt, als der Leck schlägt, die Stiefel plantschen im kontaminierten Kühlungswasser, verzweifelt verstecken sie sich, wenn sie das Leck zuzuschweißen versuchen, hinter Schutzbrillen. Klaus Badelt, dessen score eigentlich zu den von Bigelows Bildern zurecht ignorierten Schwachstellen gehört, hat seinen moment in the sun, wenn er während eine dieser Rettungsaktionen mit einem Choral unterlegt. Billigster trick in the book, klar, aber das hat eine unwahrscheinliche Kraft. Gerade, weil das so ziemlich die einzige Szenen des Films ist, die nicht von den Gesichtern dominiert wird.
No comments:
Post a Comment