Black Gold, 1947
99 River Street, 1953
The Young Doctors, 1961
Taking a chance on Karlson: Den Anlass
gibt eine Retrospektive (wohl sogar: die erste halbwegs vollständige
weltweit) in der Cinematheque Francaise. Gleich der Zustand der ersten
Kopie gibt dem Unterfangen Recht: Wenn es den ursprünglich im eher
obskuren Farbverfahren Cinecolor (das angeblich schlecht geeignet ist für
Grüntöne und deshalb oft für Western zum Einsatz kam; in diesem Fall für einen gelegentlich ölverschmierten Western) gedrehten Black Gold wirklich nur noch in dieser schrundigen
16mm-schwarz-weiß-Reduktionskopie gibt, wird es höchste Zeit,
Karlson wenigstens noch einmal eine Chance zu geben, solange das noch unter
halbwegs adäquaten Bedingungen möglich ist. Dass der Zustand der
Kopie mich nur in den ersten paar Minuten gestört hat, ist gleich
noch eine Bestätigung: Karlson hat die Chance, die ihm die
Cinematheque Francais gibt, nicht nur verdient; er nimmt sie sich
regelrecht.
Der Film beginnt in einem staubigen
Nirgendwo, das doch immerhin schon Amerika ist und deshalb gestaltet
werden kann. Davey, ein chinesischstämmiger, aber in Amerika
aufgewachsener Junge hat seinen noch ausschließlich chinesisch
sprechenden Vater aus Mexiko (?) nachgeholt und freut sich jetzt
selbst über dessen Schimpftiraden, weil er vorher gar keinen Vater gehabt hatte. Ohne viel Aufhebens wird der
Vater dann allerdings von Banditen abgeknallt, der Sohn entkommt zufällig. Die
Rachegeschichte, die vorgezeichnet scheint, materialisiert sich nie
(oder genauer: erledigt sich ohne Zutun der Hauptfiguren offscreen),
stattdessen wird der Junge von einem Indianer aufgegabelt. Der wird
von Anthony Quinn gespielt, was man von heute aus kurz obszön finden
kann; Quinns Spiel ist dann aber in höchstem Grad rührend.
Quinn radebrecht und stolpert sich
durch den Film, vor allem Letzteres, seine erratische Art der
Fortbewegung, der jeder Schritt ein neues Abenteuer ist, nimmt der Film als eigene Attraktion (und er verleiht ihr tatsächlich eine gewisse rauhbeinige Loser-Eleganz; was eh die einzige Art von Eleganz ist, mit der sich Karlson wohlzufühlen scheint: auf die Fresse bekommen und die Schläge nicht blasiert, aber mit Haltung wegstecken). Das
schönste Laufbild bereitet das Wiedersehen mit seiner Frau vor:
Während sie sich im Vorgarten des gemeinsamen Hauses (einer Hütte,
aus purer Willenskraft in die auf diese kommende Familiengesellschaft
nicht vorbereitete Welt gestellt) an irgendwas zu schaffen macht,
läuft er irgendwie diagonal (man müsste die Einstellung
kartografieren) auf die Tür zu; nicht wirklich hinter ihrem Rücken
und es bleibt sowohl unklar, ob er sie überraschen will, als auch,
ob sie faktisch überrascht ist, außerdem auch ob einer von beiden oder gleich beide ein
einstudiertes, vielleicht für den Neuankömmling aufgeführtes Spiel spielen.
Die Frau, ebenfalls eine unindianisch,
aber rührend verkörperte Indianerin (Katherine DeMille) ist eine
mindestens so große Attraktion, wobei sich bei ihr alles (was ist
das „alles“? Vielleicht: das Amerika-Werden) im Gesicht abspielt.
Gleich mehrere Szenen enden mit Großaufnahmen ihres Gesichts, das
umso weniger lesbar wird, je mehr in es mimisch eingetragen wird.
(Mimik als Spezialeffekt: Das wäre ein erster auteuristischer Topos
bei Karlson). Als ihr Mann schließlich stirbt, meint sie, jetzt
wünsche sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben, eine weiße Frau zu
sein, weil sie dann weinen könnte. Aber hätte sie dann noch eine
ähnliche Bandbreite des Ausdrucks zur Verfügung? Vielleicht sind ihre mimischen Extravaganzen genau etwas, was sie tut, anstatt zu weinen.
Ebenfalls unbestimmbar bleiben die
Regeln der Ehe; offensichtlich kopieren die beiden das Äußere der
„weißen“ Kleinfamilie, bis hin zu lustig naivem Wandschmuck, aber die
Differenz bleibt; und es ist doch gleichzeitig nicht einfach so, dass
beide unter dieser Differenz leiden, bzw dass sie als die Häußliche, Assimiliertere drängen und er als der noch nicht ganz Seßhafte nachgeben würde. Man muss leider sagen, dass der chinesische Neuankömmling
neben diesem Paar ein wenig blass bleibt; bzw: seine schönsten
Szenen hat er außerhalb der Familie alleine, oder alleine mit seinem Pferd, auf das sich
die Aufmerksamkeit des Films immer stärker ablenkt.
Denn während die
Indianer-und-Chinesenfamilie durch einen Ölfund, der sich
seinerseits auf eher nonchalante Art in den Film, schließlich als
Bohrturm in die Mise-en-scene schleicht, reich wird, übernimmt
heimlich ein zweiter Film, der von Tieren handelt (ein unter
B-Movie-Bedingungen erzählter, deshalb andauernd narrativ
eskalierender Film; es ist nicht so, dass sich die Ereignisse ausgestellt "überschlagen", es passiert einfach an allen Ecken und Enden etwas, als sei das ganz normal so): Ein schwarzes Pferd, das vom jungen
Chinesen äußerst vorsichtig gebürstet wird und früh im Film ein
Rennen gewinnt, gebirt später (in einer tollen Szene) ein zweites
schwarzes Pferd, das ebenfalls zum Rennpferd ausgebildet wird, wobei
ihm immer wieder ein weißer Ziegenbock in die Quere kommt.
99 River Street, der zweite
Film. Einer der härtesten noirs, die ich kenne, und auch, das stellt
sich schnell heraus: ein Meisterwerk (und diesmal: was für eine
wunderbare Kopie!). Gleich am Anfang ein Boxkampf, nicht wirklich
eine Bewegungsstudie, eher eine Serie von Volltreffern (Faust auf
Gesicht, und zwar so perfekt geframet, als hätte das Gesicht jedesmal einen
Platz für die Faust freigehalten). Danach schaut sich einer der
Boxer, derjenige, der den Kampf wegen einer Verletzung aufgeben
musste, seine Niederlage in Zeitlupe im Fernsehen an. Was das mit ihm macht,
ist wieder gar nicht so einfach zu sagen (überhaupt: verdammt
komplizierte geradlinige B-Filme sind das...). Am ehesten könnte man vielleicht
sagen: Er dichtet seine tumb-brutale Dummheit gegen alle
Außeneinflüsse ab, ab sofort (also: von Anfang ein) ist er die fleischgewordene, mit
sich selbst kurzgeschlossene, reiner, stupide Aggression.
Wieder wird eine falsche Fährte
gelegt: Noch ein weiteres Mal möchte er, trotz seiner Verletzung und
gegen den ärztlichen Ratschlag, im Ring antreten. Das wird nie passieren, nicht einmal erste Schritte unternimmt er in diese Richtung. Statt dessen
findet er heraus, dass seine Frau ihn betrügt, gerät anschließend,
weil der Nebenbuhler ein (ihm selbst außerordentlich ähnlich sehender)
Krimineller ist, in eine Gangstergeschichte, außerdem wird ihm die
Aufmerksamkeit einer weiteren Frau förmlich aufgedrängt (von ihr
selbst wie vom Film, von der Kamera, die ihr Gesicht in einer
obszön-abstrusen Großaufnahme abtastet; jedenfalls entsteht diese
neue Beziehung aus nichts als Lüge und Gewalt, beziehungsweise eben
auch noch: erlogener Gewalt).
Der Film schlägt einen Haken nach dem
anderen, und bremst sich, trotz einer ansonsten atemberaubenden
Geschwindigkeit (die es ihm zum Beispiel ermöglicht, die eigentlich
schon nach einigen aufreizenden, wie aus dem Modemagazin ausgesucht
wirkenden Posen schon nicht mehr benötigte Ehefrau rabiat und ohne
allzu zwingende narrative Motivation aus dem Film zu entfernen), auch
wieder komplett herunter, zum Beispiel, wenn die neue Frau in einer Bar eine
unfassbare betrunkene-Verführerin-Nummer hinlegt, die zwar auch
komplett erlogen ist, aber doch einiges zu fassen bekommt an der auf
vitale Art kaputten Welt des Films. (Ein weiteres, filmisches Detail: Die wiederholten Faustschläge aus dem Off, die vor allem die Hauptfigur treffen, fast scheint es da stets so, als schlage die Kamera selbst zu).
Ganz am Ende, inmitten eines wieder im
besten Sinne chaotischen Showdowns, wird doch noch einmal die Sache
mit dem versprochenen zweiten Boxkampf aufgegriffen. Wenn allerdings
die letzten Faustschläge des Helden umgedeutet werden zum
sportlichen Comeback, dann rundet sich nichts ab; ganz im Gegenteil wird erst recht deutlich, dass gar nichts rund ist an dem Film, dass er sich ganz
im Gegenteil mit Haut und Haaren dem Chaos verschrieben hat.
Ein Gedanke, noch keinerlei
filmhistorischen (oder sonstigen) Belastungstests unterworfen: Das
Kino hat nach dem zweiten Weltkrieg zwei Formen entwickelt, mit dem Verbrechen umzugehen, es aus der Gesellschaft heraus zu halten. Eine
Form nimmt es als durchaus euphorisches Bild für das absolute Chaos (Karlson, Ferrara, Miike),
die andere ganz im Gegenteil als Bild für eine besonders rigide, dystopische Ordnung (Melville, Coppola, To). Leider tendiert das Kino, Miike und Ferrara zum Trotz, im Ganzen
zur zweiten Variante.
Wieder ein kompletter change of pace. The Young Doctors ist ein unaufgeregt inszenierter, von ganz viel B-Movie-Routine
bevölkerter Krankenhausfilm, der zunächst Schlimmes verspricht. Die
fast schon spektakulär unsympathische Hauptfigur ist ein junger
Arzt, der „frischen Wind“ in die Pathologiestation eines
Krankenhauses bringen will, die bisher von einem einst knorrigen,
jetzt eher porösen Oldschoolarzt (heißt natürlich auch:
Oldschoolsexist) geleitet wurde. Den „frischen Wind“ könnte man
allerdings auch „kalter Hauch des Verzichts“ nennen – nicht
einmal mehr beim Obduzieren darf geraucht werden!
Der satirisch gemeinte
Generationenkonflikt ist offensichtlich Karlsons Sache nicht.
Die schnell anlaufenden Liebesgeschichten schon eher – zumindest
eine Schlittschuhlaufszene ist sehr schön, beim
auf-die-Fresse-Fallen-und-dann-dumm-Grinsen findet auch der junge Streber zu sich
selbst. Richtig in Fahrt kommt der Film aber erst, wenn, etwas
später, die Melodramen überhand nehmen dürfen (ganz
materialistisch geht es da um amputierte Körperteile,
Bluttransfusionen, Organisches). Rohe, auch in ihren humanistischen
Varianten zum Asozialen tendierende Emotionen: Das ist offensichtlich Karlsons Sache.
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