Kein Filmgenre wird so oft unterschätzt wie die leichte Komödie. Und zwar nicht etwa, weil ihre Komplexitäten und Schönheiten im Verborgenen lägen, sondern, ganz im Gegenteil, weil die leichte Komödie mit ihren Reizen freimütig umgeht, sie direkt an der Oberfläche der Bilder platziert, für alle zugänglich und - als Unterhaltung - genießbar. Aus dieser unproblematischen Lesbarkeit folgt keineswegs, dass Lustspiele, Schlagerfilme und ähnliche Spielarten des Leichten nur eine einzige Lesart zuließen. Auch für sie gilt: Jede Zuschauerin sieht ihren eigenen Film. Wer aufmerksamer und offenherziger schaut, wird auch im Fall einer leichten Komödie mehr sehen. Aber dieses mehr wird sich nicht grundsätzlich, sondern nur in Details von dem unterscheiden, was alle anderen sehen.
Wie schwer das Leichte es hat in der cinephilen Kultur zeigt der Fall René Clair: Aufgrund seiner Verbindungen zu den Surrealisten und seiner filmsprachlich innovativen frühen Tonfilmen kann man ihm einen Platz im Kanon nicht ganz verwehren. Aber alles, was er nach À nous la liberté gedreht hat, ist der Filmgeschichtsschreibung höchstens noch eine Fußnote wert. Und zwar, weil er sich danach fast ausschließlich der leichten Komödie widmete; genauer gesagt, das kommt verschärfend hinzu, der übernatürlichen leichten Komödie. Auch das Fantastische hat einen schweren Stand im cinephilen Diskurs, vor allem, wenn es nicht als Konfrontation mit einem mysteriösen Anderen oder Ursprünglichen gedacht ist, sondern, wie bei Clair, lediglich eine Methode darstellt, die Welt etwas beweglicher zu machen.
The Ghost Goes West, Clairs erster außerhalb Frankreichs, nämlich in Großbritannien produzierter Film, ist so ein Fall. Da wird alles an der und als Oberfläche verhandelt, aber eben: als eine äußerst bewegliche Oberfläche. Zunächst befinden wir und in einer Kostümkomödie über einen leichtlebigen Adligen, der beim Versuch, das erste Mal in seinem Leben den heroischen Ansprüchen seiner Familie gerecht zu werden, gleich ins Gras beißt - und sich, weil durch sein jämmerliches Dahinscheiden die Familienehre beschmutzt ist, in ein Schlossgespenst verwandelt. Diese alteuropäische, historische Neurose, die in einer Jahrhunderte zurückreichenden Familienfehde wurzelt, wird anschließend mit ein paar eleganten erzählerischen Kunstgriffen erst in die Gegenwart verpflanzt; und dann nach Amerika - und zwar jeweils mitsamt Schloss und Schlossgespenst!
Da angekommen, verwandelt sich die Form der Neurose: Ab sofort werden die Figuren nicht mehr von der Tradition, sondern vom modernen Konsumkapitalismus um den Verstand gebracht. Dabei geht es freilich keineswegs um Nostagie, um die Sehnsucht nach einfacheren, schottischeren Zeiten; ganz im Gegenteil, nirgendwo fühlen sich Schloss, Schlossgespenst und Rene Clair so wohl wie in einem Amerika - das freilich seinerseits deutlich erkennbar nur Pappkulisse ist, aufgebaut in den Denham Studios, Buckinghamshire, England.
Besonders begeistert hat mich eine Szene kurz vor Schluss: Das Schloss wird, nach seinem Wiederaufbau durch einen leutseligen Lebensmittelproduzenten, der das Gemäuer vor allem für eine überdimensionierte Werbekampagne benutzen möchte, feierlich eingeweiht. Und zwar mithilfe einer Light-Show, die auch das Dach des Schlosses illuminiert, auf dem sich beiden Hauptfiguren des Films - der Nachfahre des Schlossgespensts und die Tochter des neuen Besitzers - begegnen. Tatsächlich glaubt sie, dass ihr das leibhaftige Gespenst gegenübersteht und nur deshalb gesteht sie ihrem Verehrer unfreiwillig ihre Liebe… aber die romantischen Verwicklungen, die sich an der Gespenstergeshichte anlagern, würden an dieser Stelle zu weit führen.
Mich interessiert stattdessen die erwähnte Light-Show, die dafür sorgt, dass im Verlauf der Szene beide Gesprächspartner von künstlichem Licht umflort werden. Die Scheinwerfer schreiben in rhythmischen Abständen klar abgezirkelte Lichtkegel in das Schwarz der Nacht ein, der Bildeffekt ähnelt eher einer animierten Tapete als einem irgendwie realistischen Beleuchtungsschema. Die Verwandlung ist vollkommen: Das Schloss hat sich von einem historisch verorteten und mit dem Blut von Generationen behafteten Gebäude in ein synthetisches, ornamentales Lichtspektakel verwandelt. In einen reinen Kino-Ort.
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Wie schwer das Leichte es hat in der cinephilen Kultur zeigt der Fall René Clair: Aufgrund seiner Verbindungen zu den Surrealisten und seiner filmsprachlich innovativen frühen Tonfilmen kann man ihm einen Platz im Kanon nicht ganz verwehren. Aber alles, was er nach À nous la liberté gedreht hat, ist der Filmgeschichtsschreibung höchstens noch eine Fußnote wert. Und zwar, weil er sich danach fast ausschließlich der leichten Komödie widmete; genauer gesagt, das kommt verschärfend hinzu, der übernatürlichen leichten Komödie. Auch das Fantastische hat einen schweren Stand im cinephilen Diskurs, vor allem, wenn es nicht als Konfrontation mit einem mysteriösen Anderen oder Ursprünglichen gedacht ist, sondern, wie bei Clair, lediglich eine Methode darstellt, die Welt etwas beweglicher zu machen.
The Ghost Goes West, Clairs erster außerhalb Frankreichs, nämlich in Großbritannien produzierter Film, ist so ein Fall. Da wird alles an der und als Oberfläche verhandelt, aber eben: als eine äußerst bewegliche Oberfläche. Zunächst befinden wir und in einer Kostümkomödie über einen leichtlebigen Adligen, der beim Versuch, das erste Mal in seinem Leben den heroischen Ansprüchen seiner Familie gerecht zu werden, gleich ins Gras beißt - und sich, weil durch sein jämmerliches Dahinscheiden die Familienehre beschmutzt ist, in ein Schlossgespenst verwandelt. Diese alteuropäische, historische Neurose, die in einer Jahrhunderte zurückreichenden Familienfehde wurzelt, wird anschließend mit ein paar eleganten erzählerischen Kunstgriffen erst in die Gegenwart verpflanzt; und dann nach Amerika - und zwar jeweils mitsamt Schloss und Schlossgespenst!
Da angekommen, verwandelt sich die Form der Neurose: Ab sofort werden die Figuren nicht mehr von der Tradition, sondern vom modernen Konsumkapitalismus um den Verstand gebracht. Dabei geht es freilich keineswegs um Nostagie, um die Sehnsucht nach einfacheren, schottischeren Zeiten; ganz im Gegenteil, nirgendwo fühlen sich Schloss, Schlossgespenst und Rene Clair so wohl wie in einem Amerika - das freilich seinerseits deutlich erkennbar nur Pappkulisse ist, aufgebaut in den Denham Studios, Buckinghamshire, England.
Besonders begeistert hat mich eine Szene kurz vor Schluss: Das Schloss wird, nach seinem Wiederaufbau durch einen leutseligen Lebensmittelproduzenten, der das Gemäuer vor allem für eine überdimensionierte Werbekampagne benutzen möchte, feierlich eingeweiht. Und zwar mithilfe einer Light-Show, die auch das Dach des Schlosses illuminiert, auf dem sich beiden Hauptfiguren des Films - der Nachfahre des Schlossgespensts und die Tochter des neuen Besitzers - begegnen. Tatsächlich glaubt sie, dass ihr das leibhaftige Gespenst gegenübersteht und nur deshalb gesteht sie ihrem Verehrer unfreiwillig ihre Liebe… aber die romantischen Verwicklungen, die sich an der Gespenstergeshichte anlagern, würden an dieser Stelle zu weit führen.
Mich interessiert stattdessen die erwähnte Light-Show, die dafür sorgt, dass im Verlauf der Szene beide Gesprächspartner von künstlichem Licht umflort werden. Die Scheinwerfer schreiben in rhythmischen Abständen klar abgezirkelte Lichtkegel in das Schwarz der Nacht ein, der Bildeffekt ähnelt eher einer animierten Tapete als einem irgendwie realistischen Beleuchtungsschema. Die Verwandlung ist vollkommen: Das Schloss hat sich von einem historisch verorteten und mit dem Blut von Generationen behafteten Gebäude in ein synthetisches, ornamentales Lichtspektakel verwandelt. In einen reinen Kino-Ort.
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