Laura (Joanna Canton) und Raoul (Sean Costello) sitzen nebeneinander auf Plastikstühlen neben dem Pool des Motels, in dem beide wohnen. Vor ihnen ein Plastktisch. In vorherigen Szenen hatten sie nur Blicke gewechselt, jetzt wechseln sie zum ersten Mal Worte. Eben hatte sich das zögerliche Gespräch noch um Coppolas The Godfather gedreht, den Laura nicht gesehen hat, aber zu einem, wenigstens irgendwie, italienischen Film erklärte. Noch während sie die Worte ausspricht, fängt sie an zu lachen, und Raoul fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Vielleicht, um sein eigenes Gelächter zu unterdrücken, beziehungsweise um seine Mimik wieder glattzustreichen. Im Anschluss entsteht eine kurze Gesprächspause, während der Laura ihre Hände gegeneinander reibt und ein weiteres Mal zu kichern beginnt. “You seem nervous”, meint Raoul zu ihr. “I’m very nervous, I don’t know why”, antwortet Laura.
Die Szene stammt aus Eckhart Schmidts Sunset Motel, einem Low-Budget-Film, der auf der Erzählung “Selbstmörder” von Cesare Pavese basiert. Eine Literaturverfilmung also, außerdem ein Film über die Verschränkung von Begehren und Tod. Diese Verschränkung prägt fast das gesamten Werk des Regisseurs (zumindest seine Spielfilme), aber kaum einmal ist sie ähnlich rein und ablenkungsfrei ins Bild gesetzt wie hier. Das heißt nicht, dass die Ablenkungen der anderen, oft deutlich barockeren Filme nicht auch ihren Reiz hätten… aber Sunset Motel destilliert gewissermaßen die Essenz des Schmidtschen Liebestodmotivs, legt den dunkelromantischen Kern seines stets von erotischen Obsessionen sprechenden Kinos frei, in wunderschönen, malerischen, geduldigen Low-Fi-Digitalbildern, die den kommenden Tod vorwegnehmen in Form einer langsam um sich greifenden Entlebendigung.
Aber, und erst das macht Sunset Motel zu dem Wunder, das der Film ist: Es gibt eben auch Szenen wie die auf den Plastikstühlen am Pool. Die überlebensgroße, alles verschlingende Liebe realisiert sich, wenn die beiden Liebenden erstmals direkten Kontakt miteinander aufnehmen, als kommunikative Überforderung, in stockenden Nonsensgesprächen über The Godfather und Ravioli. Als eine Form von Nervosität, die sich dem Verstehen entzieht. Ein anrührend ungeschicktes erstes-Date-Gespräch, das noch nicht einmal als ein misslungener Flirt durchgeht, weil keine Taktik, kein einander-Austesten im Spiel ist. Dass beide willig sind, daran besteht von Anfang an kein Zweifel, zumindest für die beiden Beteiligten und auch für uns, die wir Schmidts Kino kennen; Aussenstehende freilich würden nichts anderes sehen als Awkwardness. Die Liebe ist schon da, nur wie geben wir ihm eine Form? Zunächst ist da eine totale Blockade: Hier sitzen wir und müssen ein Gespräch führen. Worüber nur?
Das erste Gespräch des Paars, das nach dem “I’m very nervous, I don’t know why” noch ein wenig weiterläuft, ist in einer einzigen Einstellung gedreht, die Dialoge sind zumindest teilweise improvisiert. Das schafft einerseits einen Freiraum, andererseits setzt es die Situation unter Druck. Canton und Costello sind professionelle (und ausgezeichnete) Schauspieler, die in keinem Moment aus ihren Rollen fallen; und dennoch passt Lauras Eingeständnis ihrer eigenen Nervosität auch zur Drehsituation: Hier sitzen wir, die Kamera läuft, geduldig und unnachgiebig, und wir müssen uns zueinander verhalten, gewissermaßen hängt alles, der ganze Film, davon ab, dass diese erste längere Dialogszene funktioniert.
Die ganze Zeit im Hintergrund: Los Angeles. Gedreht wurde im Sahara Motor Hotel auf dem Sunset Boulevard (der Ort ist ein Fixpunkt in Schmidts Schaffen, hier entstand 2008 auch Hollywood Fling, eine Art düsterer Zwilling von Sunset Motel). Ein äußerst fotogener Schauplatz, der die beiden Hauptfiguren paradoxerweise gleichzeitig isoliert und direkt in die Großstadtwelt einschreibt. Die Intimität ist nicht ohne ihr Anderes, ohne die technisierte Anonymität der Metropole, zu haben. Die Liebesgeschichte wird geradezu mariniert in den Texturen LAs: Während der späteren Sex- und Streitszenen dringt durch die dünnen Wände der Motelzimmer Straßenlärm, selbst wenn Laura unter der Dusche steht, kann man durchs mitgeframte Badezimmerfenster auf die offene Straße hinausblicken. Insbesondere in solchen Innenszenen artikuliert sich eine urbane Form der Klaustrophobie. Zwei Körper, in eine beständig sich verändernde Welt geworden, und doch isoliert, stillgestellt, das kann auf die Dauer nicht gutgehen.
Das weniger beengend sich anfühlende Gespräch am Pool ist ebenfalls so fotografiert, dass man im Hintergrund, an der Motelrezeption vorbei, direkt auf den belebten Sunset Boulevard blickt. Und eben, wenn Laura den Satz über ihre Nervosität ausspricht, biegt von dort ein Fahrradfahrer in die Moteleinfahrt ein, dreht, direkt hinter den Sprechenden, einen Kreis und scheint neugierig in Richtung Kamera zu blicken. Genau im richtigen Moment, ein bloßer Zufall vermutlich, aber so etwas klappt eben nur in einem Film, dem auch sonst alles gelingt.
Die Szene stammt aus Eckhart Schmidts Sunset Motel, einem Low-Budget-Film, der auf der Erzählung “Selbstmörder” von Cesare Pavese basiert. Eine Literaturverfilmung also, außerdem ein Film über die Verschränkung von Begehren und Tod. Diese Verschränkung prägt fast das gesamten Werk des Regisseurs (zumindest seine Spielfilme), aber kaum einmal ist sie ähnlich rein und ablenkungsfrei ins Bild gesetzt wie hier. Das heißt nicht, dass die Ablenkungen der anderen, oft deutlich barockeren Filme nicht auch ihren Reiz hätten… aber Sunset Motel destilliert gewissermaßen die Essenz des Schmidtschen Liebestodmotivs, legt den dunkelromantischen Kern seines stets von erotischen Obsessionen sprechenden Kinos frei, in wunderschönen, malerischen, geduldigen Low-Fi-Digitalbildern, die den kommenden Tod vorwegnehmen in Form einer langsam um sich greifenden Entlebendigung.
Aber, und erst das macht Sunset Motel zu dem Wunder, das der Film ist: Es gibt eben auch Szenen wie die auf den Plastikstühlen am Pool. Die überlebensgroße, alles verschlingende Liebe realisiert sich, wenn die beiden Liebenden erstmals direkten Kontakt miteinander aufnehmen, als kommunikative Überforderung, in stockenden Nonsensgesprächen über The Godfather und Ravioli. Als eine Form von Nervosität, die sich dem Verstehen entzieht. Ein anrührend ungeschicktes erstes-Date-Gespräch, das noch nicht einmal als ein misslungener Flirt durchgeht, weil keine Taktik, kein einander-Austesten im Spiel ist. Dass beide willig sind, daran besteht von Anfang an kein Zweifel, zumindest für die beiden Beteiligten und auch für uns, die wir Schmidts Kino kennen; Aussenstehende freilich würden nichts anderes sehen als Awkwardness. Die Liebe ist schon da, nur wie geben wir ihm eine Form? Zunächst ist da eine totale Blockade: Hier sitzen wir und müssen ein Gespräch führen. Worüber nur?
Das erste Gespräch des Paars, das nach dem “I’m very nervous, I don’t know why” noch ein wenig weiterläuft, ist in einer einzigen Einstellung gedreht, die Dialoge sind zumindest teilweise improvisiert. Das schafft einerseits einen Freiraum, andererseits setzt es die Situation unter Druck. Canton und Costello sind professionelle (und ausgezeichnete) Schauspieler, die in keinem Moment aus ihren Rollen fallen; und dennoch passt Lauras Eingeständnis ihrer eigenen Nervosität auch zur Drehsituation: Hier sitzen wir, die Kamera läuft, geduldig und unnachgiebig, und wir müssen uns zueinander verhalten, gewissermaßen hängt alles, der ganze Film, davon ab, dass diese erste längere Dialogszene funktioniert.
Die ganze Zeit im Hintergrund: Los Angeles. Gedreht wurde im Sahara Motor Hotel auf dem Sunset Boulevard (der Ort ist ein Fixpunkt in Schmidts Schaffen, hier entstand 2008 auch Hollywood Fling, eine Art düsterer Zwilling von Sunset Motel). Ein äußerst fotogener Schauplatz, der die beiden Hauptfiguren paradoxerweise gleichzeitig isoliert und direkt in die Großstadtwelt einschreibt. Die Intimität ist nicht ohne ihr Anderes, ohne die technisierte Anonymität der Metropole, zu haben. Die Liebesgeschichte wird geradezu mariniert in den Texturen LAs: Während der späteren Sex- und Streitszenen dringt durch die dünnen Wände der Motelzimmer Straßenlärm, selbst wenn Laura unter der Dusche steht, kann man durchs mitgeframte Badezimmerfenster auf die offene Straße hinausblicken. Insbesondere in solchen Innenszenen artikuliert sich eine urbane Form der Klaustrophobie. Zwei Körper, in eine beständig sich verändernde Welt geworden, und doch isoliert, stillgestellt, das kann auf die Dauer nicht gutgehen.
Das weniger beengend sich anfühlende Gespräch am Pool ist ebenfalls so fotografiert, dass man im Hintergrund, an der Motelrezeption vorbei, direkt auf den belebten Sunset Boulevard blickt. Und eben, wenn Laura den Satz über ihre Nervosität ausspricht, biegt von dort ein Fahrradfahrer in die Moteleinfahrt ein, dreht, direkt hinter den Sprechenden, einen Kreis und scheint neugierig in Richtung Kamera zu blicken. Genau im richtigen Moment, ein bloßer Zufall vermutlich, aber so etwas klappt eben nur in einem Film, dem auch sonst alles gelingt.
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