Wednesday, October 05, 2005

Westphal, Hip-Hopper, Banken-Chefs

Da werfe ich heute zum ersten Mal seit Wochen wieder einen Blick in die Berliner Zeitung, die mir angesichts der lokalen Konkurrenz eigentlich recht sympathisch ist und mir fällt eine Rezension von Gilliams Film über die Brüder Grimm ins Auge. Das Ganze beginnt so:
"Noch jeder Banken-Chef oder Hip-Hopper kennt wenigstens zwei oder drei der "Kinder- und Hausmärchen" der Gebrüder Grimm. Umfassender interessierte Leute schätzen die Brüder darüber hinaus als Begründer der Germanistik und Schöpfer etwa des "Deutschen Wörterbuchs"; ...".
Den weiteren Verlauf möchte ich gar nicht kommentieren, da ich den Film noch nicht kenne, doch schon aus diesen ersten eineinhalb Sätzen scheint eine ganz spezifische, freilich nicht allzu leicht zu bestimmende Geisteshaltung zu sprechen. Diese entspricht sicher nicht dem guten alten Philologendünkel der humanistisch Gebildeten und entsprechend Belesenen. Die haben wahrscheinlich von Hip-Hop noch nie was gehört und würden mit Sicherheit andere Beispiele von Bevölkerungsgruppen auswählen, von denen sie als Privilegierte sich absetzen könnten, eventuell Abendschüler oder andere Proleten. Im Falle der Autorin Westphal liegt die Sache anders. Hier möchte wohl jemand einer viel enger umgrenzten Gruppierung zugeteilt werden, nämlich einem belesenen urbanen Milieu, das nicht den Mief der alten Geisteswelt ausströmt und dennoch in puncto intellektuellem Dünkel keinen Millimeter zurücksteht. So ungefähr und aus Berliner Sicht: hier in Prenzlauer Berg fühlen wir uns wohl, hier ist die wahre Elite zu hause, da können die Banker in Mitte (oder - noch schlimmer - in Dahlem) genauso wenig mit wie die Rapprolls im nordwestlich eängstigend dräuenden Wedding.
Natürlich kann man Hip-Hop bzw. Hip-Hopper nicht mögen, doch dann sollte man schon Gründe haben, bzw. auch nennen. Und gegen Bankenchefs negativ eingestellt zu sein ist sicher nicht unsympathisch, nur ist das Problem an diesen sicher zu allerletzt mangelnde Belesenheit im germanistischen Kulturgut. Was aus dieser Formulierung spricht ist nichts weiter als alte Arroganz in neuer Verkleidung.

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