Ein 111minütiges Musikvideo zu drehen, das im großen und ganzen über die ganze Zeit funktioniert ist sicher nicht einfach aber Russell schafft dies mühelos. Entstanden ist das Ganze 1975, also einige Jahre vor Mtv, was auch zeigt, dass die Beziehung zwischen Musikfernsehen und Kino keine so einseitige war, wie oft behauptet wird. Zumindest Russell hatte es nicht nötig, sich bei irgendwelchen Clipregisseuren etwas abzuschauen, im Gegenteil, im Vergleich zu Tommy wirkt fast das gesamte Mtviva selbst heute noch bieder, ganz zu schweigen von den hölzernen Anfängen.
Dass der Film trotzdem nicht der ganz große Wurf geworden ist, liegt vor allem an der musikalischen Vorlage. Letzten Ende ist The Whos Tommy doch nicht mehr als nur ein weiteres überambitioniertes Konzeptalbum und der Entwicklungsroman, den es erzählt, nicht nur naiv sondern oft einfach blöd. Auch Russells Umsetzung kann nicht immer überzeugen, einige Szenen nerven aufgrund ihrer schlechten Komposition und vor allem ihrer Penetranz (vor allem Marilyn mit Davidsstern). Seltsam ist auch, dass der Regisseur sich gerade in dem Film, in welchem er ganz und gar freie Bahn hatte, auf der Bildebene fast vollständig von narrativen Zwängen befreit seine Visionen zu verwirklichen, in Zurückhaltung übt, was transgressive Bildinhalte angeht. Etwas mehr Russell-Ikonographie und etwas weniger camp Mise en Scene hätte dem Werk sicherlich gut getan.
Dennoch natürlich wunderbar. Überhaupt versöhnt mich die kleine Russell Reihe im Lichtblick derzeit wieder etwas mit dem Kino, welches mir in letzter Zeit mit viel halbgares (Dear Wendy) oder schlichtweg enttäuschendes (A History of Violence) präsentierte (von so manchem Scheiss, den ich mir aus semiprofessionellen Gründen ansehe, ganz zu schweigen).
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