Cassandra's Dream kommt bei der Kritik größtenteils schlecht weg, davon sollte sich aber niemand abhalten lassen. Woody Allens neuestes Werk ist wieder einmal höchst souverän, weiß ganz genau, was es will und ist vor allen Dingen erfrischend frei von aller Subtilität. Nicht antun sollte man sich dagegen George Clooneys Leatherheads und das Hochglanz-Slasherremake Prom Night.
Im Babylon läuft nächsten Dienstag Bruno Dumonts eher mäßiger Flandres, am Sonntag Fellinis 8 1/2, den ich derart unerträglich in Erinnerung habe, dass ich in mir vielleicht so langsam doch noch einmal anschauen sollte, morgen ein Film von Marguerite Duras (Le Camion), gleich heute Pasolinis vielleicht bester Film Mama Roma und nächsten Mittwoch leider gar nichts bei den Freunden des schrägen Films. Die machen wegen EM Pause, was ich überhaupt nicht einsehe: Nie bräuchte man sie mehr als in den nächsten Wochen (dito Z-Bar: auch dort läuft Fußball statt Filmdelirium - schrecklich!).
Zum Glück macht das Arsenal keine Pause. Da beginnt eine Mini-reihe innerhalb des 68er-Programms zur Dziga-Vertov-Gruppe um Godard. Vent d'est sollte man vielleicht mal gesehen haben, anstrengend ist der aber schon. Leos Carax' Les amants du Pont-Neuf läuft gleich zweimal, außerdem nochmal Demys hochinteressanter und wirklich rundum empfehlenswerter Model Shop.
5 comments:
Deine Woody-Allen-Verteidigung verstehe ich, vielleicht, in der Theorie. Aber wenn ich den Film dann sehe, frage ich mich nur, was er soll. Als existenz- und moralphilosophische Übung ist er gewiss unsubtil, aber für meine Begriffe nur flach und übrigens nichts als zynisch. Die Souveränität besteht darin, sich um die Umstände von Ort, Figur, Raum, Schauspieler schlicht nicht zu kümmern, sondern stur das Woody-Allen-Ding durchzuziehen, das er nun schon tausendundeinmal durchgezogen hat. Und an den "analysierten" Verhältnissen des Sozialen interessiert ihn die Gesellschaft einen Dreck - in Wahrheit will er doch nur auf sein finsteres Menschenbild und ein reaktionäres Bestrafungsszenario hinaus.
Das kann ich alles nachvollziehen, ich sehe das selbst auch nicht ganz grundsätzlich anders, würde aber einige Dinge anders werten.
Das moralphilosophische Geplänkel samt nihilistischem Menschenbild etc (das mich bei Allen ohnehin nie wirklich gestört hat), ist in meinen Augen inzwischen nichts mehr weiter als eine fast schon lustlose Autorensignatur, vergleichbar mit der gleichfalls nicht mehr im entferntesten ernst zu nehmenden "jüdischer, neurotischer Intellektueller"-Pose in Scoop (falls da jeweils doch eine echte Aussageabsicht dahinter steht, kann ich zumindest extrem leicht von ihr abstrahieren).
Die mangelnde Subtilität resultiert dann für mich nicht in einer Flachheit in Bezug auf die verhandelten Themen, sondern in einer offen ausgestellten Zeichenhaftigkeit: man drückt Colin Farrel einen Schaubenschlüssel in die Hand und behauptet, er sei Arbeiter etc. Wo andere Filme ihre Figuren mit falscher Welthaltigkeit aufladen, spielt Allen von Anfang an mit offenen Karten.
Auch würde ich nicht sagen, dass Allen sich für die von ihm analysierte Gesellschaft nicht interessiert, sondern dass diese Gesellschaft schlicht und einfach nicht existiert. Klar geht es da nicht um das empirische Großbritannien, genauso wenig wie in Match Point oder Scoop. Allens Europa ist die reine Fantasiesetzung einer neofeudalen Gesellschaft, die auf ihre Analysierbarkeit hin konstruiert wird. Was bleibt, ist aber der analytische Gestus als solcher, und der gefällt mir in allen diesen Filmen sehr.
Wie etwa ein einziger Blick Ewan McGregors in den Rückspiegel den Klassenneid triggert und die ganze Handlung in Gang bringt (Angelas laszive Pose über dem Auto scheint eins zu eins einem Lifestylemagazin entnommen, und zwar einem, das in seiner Kombination aus Stillosigkeit und Hochglanzprunk genau diesem Klassenneid entspricht). Und wie im Folgenden die schwarze Beifahrerin systematisch und rücksichtslos aus dem Film gedrängt wird: In der nächsten Szene liegt sie noch neben ihm im Bett, später reicht sie höchstens noch ein, zweimal die Getränke.
Und überhaupt die konsequente Reduktion auf formaler Ebene: Die erste Fahrt auf dem Segelboot wird tatsächlich in einer einzigen Einstellung aufgelöst und auch sonst scheint Allen fast noch hinter die analytische Montage des klassischen Hollywoodkinos zurückfallen (beziehungsweise diese vom letzten Rest Exzess befreien) zu wollen.
Mag sein, dass das alles einer allzu idiosynkratischen Lesart entspringt. Mir hat diese aber zumindest die letzten drei Allen-Filme noch einmal neu aufgeschlossen.
Das ist nicht idiosynkratisch, das ist ja völlig nachvollziehbar durchargumentiert. Ich weiß jetzt auch genauer, warum ich Dir nicht zustimme.
Es ist nämlich gerad dieser von Dir so präzise (aber affirmativ) beschriebene Arealismus (so - und nicht Antirealismus - muss man das wohl nennen), von dem ich nicht weiß, wo er hinführen soll außer in eine ganz in sich geschlossene Woody-Allen-Welt. Dass man dessen immer schon peinlich oberflächliche Philosophie als bloßes Medium nimmt, aus dem dann diese post-analytische Form wird: ja, verstehe ich. Aber was ist der analytische Gestus, der bleibt? Was bringt der? Dockt der irgendwo in der wirklichen Welt an? Bzw. was wäre produktiv/interessant daran, dass er es nicht tut?
Und womöglich ist mir der Gestus, Welt zu wollen, auch wenn es schief geht und ideologisch wird, am Ende womöglich doch sympathischer als der Nihilismus Woody Allens, der sich, will mir scheinen, in der totalen Reduktion auf Zeichenhaftigkeit gerade als Form - und damit als anderes und mehr als Folklore - doch ganz unübersehbar in den Vordergrund schiebt. (Ich habe den Nihilismus in seiner aggressiven Form auch immer geschluckt. Vielleicht ein Fehler, ich muss "Husbands and Wives" einmal wiedersehen.)
Es fällt mir schwer (merke ich, herumformulierend und wieder ausstreichend), einen Satz zu schreiben wie: Überhaupt ist mir jeder noch so fehlgeleitete Exzess lieber als diese Form von Reduktion. Jetzt habe ich ihn aber doch geschrieben.
Zustimmen würde ich Dir, wenn es sich um ein entweder - oder handeln würde: Entweder Zeichenhaftigkeit oder Gesamtrealismus. Im Kino ist aber doch für beides Platz und noch für viel mehr und gerade ein so bescheiden daher kommendes Werk wie Cassandra's Dream möchte sich nicht im entferntesten als allgemeingültiges Modell verkaufen. Es liegt mir fern, Allen gegen den Realismus ganz im Allgemeinen ausspielen zu wollen. Müsste ich mich zwischen The Wire (oder Wiseman zB) und Cassandra's Dream entscheiden, würde ich keine Sekunde zögern. Mir scheinen aber beide Formen auf ganz unterschiedliche Art und Weise produktiv zu sein. Auch den "unsauberen" Realismus dazwischen, der Welthaltigkeit behauptet, ohne sie einlösen zu können, lehne ich nicht ganz prinzipiell ab, oft ist der gerade in seiner Unschärfe und seinen unsicheren Kategorien interessant, da stimme ich Dir zu. Wogegen ich Allen aber schon stark machen würde, ist eine ganz bestimmte Form falscher Welthaltigkeit, gegen Filme, die ihre Figuren opportunistisch mit Spirenzchen und „Brüchen“ aller Art aufladen, nur um zu vernebeln, dass sie aber auch gar nichts über sie zu sagen haben, bzw letzten Endes nur, weil der Drehbuchratgeber so etwas empfiehlt.
Das alles sagt noch nichts darüber aus, was mir tatsächlich an Allens Filmen gefällt und ich bin mir da auch alles andere als sicher. Eine Sache, die mich interessiert (aber eher hinterher, jetzt, nachdem ich das hier zum dritten oder vierten Mal zu fassen versuche; der Film hat mir aber auch schon ganz unmittelbar beim Anschauen eingeleuchtet, also muss da noch mehr sein), ist die vage Idee, dass die analytische Montage (ebenso die zugehörigen narrativen Formen etc) vielleicht immer auch tatsächlich eine quasi automatisch analytische ist, nicht nur in Bezug auf Zeit und Raum, sondern auch zB auf das Soziale (was an den klassischen Kinos nicht nur Amerikas zu überprüfen wäre). Und dass dieses Moment irgendwie in Allens Filmen präpariert wird, wenn er sich dabei auch (oder vielleicht: was in dieser Klarheit nur möglich ist, weil er sich) loslöst von unmittelbarer gesellschaftlicher Referenz.
Wir sind uns natürlich im meisten einig. Aber die Frage nach den Vorzügen jeweils der "analytischen Montage" und Formen von Manier und Exzess ist, auch wenn es selbstverständlich nicht darum geht, sich zu entscheiden, der interessante Punkt. Ich würde umgekehrt argumentieren, dass ein Film wie "Cassandra's Dream" gerade zeigt, dass, wenn die Narration ohne Exzessrückstand aufgelöst ist in analytische Montage, im ungünstigen - oder vielleicht doch im gewöhnlichen Fall? - noch weniger übrigbleiben kann vom Gegenstand als das Grinsen einer Cheshire Cat.
Und zur Subtilitätsfrage nur noch kurz: Es gehört schon sehr viel Subtilität dazu, eine so unsubtile Fadheit, wie sie Allen hier gelingt, wertzuschätzen. (Das ist beinahe überhaupt nicht ironisch gemeint.)
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