Wednesday, June 15, 2011

Caddyshack, Harold Ramis, 1980 (American Eighties 1)

Anlässlich eines kuratorischen Projekts habe ich letzte Woche mit einer Sichtungsserie begonnen, die mich vermutlich mehrere Monate in Anspruch nehmen wird: einem chronologischen Durchgang durch das amerikanische Kino der Achtziger. Die Auswahl der Filme ist grundsätzlich inklusorisch und in keiner Weise streng, sie hat ihre Schwerpunkte im Genrekino Hollywoods, insbesondere im Thriller und in der Komödie. Ich werde versuchen, regelmäßig einige nicht unbedingt allzu stark geordnete Sichtungseindrücke (im Gegensatz zu: Filmanalysen) hier im Blog unterzubringen.

Ramis' erster Film Caddyshack ist eine tolle Komödie über einen Golfplatz als WASP-Hochburg, die von allen Seiten belagert wird: von den spätpubertären working-class-Caddies auf der eigenen Anlage, von neureichen, vulgären Immobilienspekulanten, sogar von den eigenen zukünftigen Erben: die Tochter des Ober-WASP ist eine blonde Privatschülerin, die sich in New York sexuell emanzipiert hat und sich im Golfclub des Vaters mit den Caddies vergnügt; Der Film zeigt das nicht nur, er stellt sich auch ganz selbstverständlich auf die Seite der sexuellen Befreiung. Da haben sich die Zeiten wirklich geändert seit den frühen Achtzigern (man denke nur an den fürchterlich verklemmten Easy A).

Ein früher Film aus dem Saturday Night Live-Umfeld, die Form der Sketch-Comedy, auch der Stand-up-Komik (insbesondere ein großartiger Rodney Dangerfield) scheint noch stark durch, ist nicht vollständig in die Form der Hollywoodkomödie übersetzt, aber das tut dem Film gut. Viele Filmparodien, ein wenig gross-out-Humor, nebenbei auch noch Bill Murray auf Maulwurfsjagd (eine von vielen Nebenhandlungen, diese kommuniziert fast gar nicht mehr mit dem restlichen Film), kaum ein narrativer roter Faden, dafür viel Offenheit gegenüber Gesellschaft und Populärkultur. An die Filme Adam Sandlers (vor allem die, bei denen Dennis Dugan Regie führt) musste ich nicht nur deshalb denken, weil der erste wirklich gute Sandler ebenfalls ein Golffilm ist (Happy Gilmore, 1996). Sandlers Filme sind zwar geradliniger und selbst dann klassische Starvehikel, wenn der Hauptdarsteller einen Ensemblecast neben sich zulässt (Grown Ups, 2010), aber sie zeigen ein vergleichbares Desinteresse an Handlungsökonomie. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es sowohl in Caddyshack als auch in Grown Ups und Just Go With It jeweils eine längere Szene gibt, in denen die Filme ihren jeweiligen, ohnehin von Anfang an unterdefinierten Plot ganz beiseite schieben und ihre Figuren ins Freibad schicken. In allen drei Filmen vollzieht sich im Freibad eine Art Freistellung der Figuren, genauer vielleicht der Körper vom Drehbuch, es wird zum Ort einer folgenlosen Reinfantilisierung, einer naiven, karnevalesken Sexualität.

6 comments:

Sano said...

Klingt spannend. Die 80er sind ein wahrlich großartiges filmisches Jahrzehnt. Habe eben letzte Woche zum ersten Mal Adrian Lynes "Fatal Attraction" gesehen, und war hin und weg von der inszenatorischen Brillanz dieses vermeintlichen Klischeefimls der 80er.

Caddyshack habe ich zum ersten und letzten mal auf Deutsch im Fernsehen auf VHS aufgenommen in meiner frühen Jugend gesehen, und wusste den Film damals wegen seiner ausgestellten Infantilität nicht zu würdigen. Dein kurzer Text beseitigt jeglichen Restzweifel an einer erneuten Konfrontation mit Ramis' Frühwerk.

Bin gespannt welche 80er Filme du hier sonst noch besprichst. Hoffentlich viele! :-)

Christoph said...

"In allen drei Filmen vollzieht sich im Freibad eine Art Freistellung der Figuren, genauer vielleicht der Körper vom Drehbuch, es wird zum Ort einer folgenlosen Reinfantilisierung, einer naiven, karnevalesken Sexualität."

Dieser Showdown deines Textes trieft vor akademischem Sleaze, fantastisch! Hat mich beim Lesen sehr beglückt, auch wenn ich bei der "karnevalesken Sexualität" kurz schlucken und in einem schnellen, assoziativen Sprung an die deutschen Sexkomödien von Siggi Götz denken musste. Allerdings bleibt die Reinfantilisierung der Figuren in jenen Filmen, urdeutsch und katastrophal wie sie sind, selbstverständlich nie folgenlos sondern endet stets mit der Verbürgerlichung und wirtschaftlichen Funktionalisierung der tedenziell asozialen Figuren, ähnlich wie in den amerikanischen Proll-Komödien jüngeren Datums.

Lukas Foerster said...

dacht ich mir doch, dass die Hollywood-Eighties mehr Reaktionen hervorrufen als die ewigen Hasstiraden gegen Deutschland...
@Sano: An Adrian Lyne werden wir in unserem Projekt nicht vorbeikommen, das ist klar...
@Christoph: "Sex Comedies der Siebziger und Achtziger im internationalen Vergleich" wäre nicht nur eine super Filmreihe, sondern eigentlich auch gleich noch eine schöne Doktorarbeit. Die ich allerdings lieber lesen als selber schreiben möchte.

Der Außenseiter said...

Ich hatte letztens ein schönes Wiedersehen mit DAS TURBOGEILE GUMMIBOOT. Der geht im Grunde in allem noch einen Schritt weiter als CADDYSHACK, da er sich darauf verlassen kann, dass der Fluss den "roten Faden" bildet. Zumindest funktioniert die Identifikation anders, da man sich nicht auf Komiker wie Rodney Dangerfield oder Bill Murray verlässt, sondern einen nahezu unbekannten Cast ins Rennen schickt. Ansonsten ist der Film mit so viel Aufbrechungen von Figurenstereotypen beschäftigt (sogar der bebrillte Nerd säuft und prügelt sich mit größter Selbstverständlichkeit durch den Film) und mäandert, ähnlich wie die Flussbiegungen, von einer Absurdität zur nächsten, dass ich die Chuzpe eines solch herrlich infantilen Spektakels - in dem es trotzdem alles zu sehen gibt, was vermeintlich erst seit verklemmten Kramm à la AMERICAN PIE möglich sei - nur bewundern konnte. Wenn hier die W.A.S.P.-Elite dann zum Schluss unter den Wassermassen ertränkt wird, die grölende Bagage alles niedermäht und eine Rückführung in konservative Strukturen überhaupt nicht das Thema ist, frage ich mich, wo die Anarchie solcher Filme geblieben ist. Freue mich schon auf weitere Besprechungen Deinerseits. :)

Lukas Foerster said...

Vielen Dank für den Hinweis, den setzte ich selbstverständlich auch auf die Liste. Zufällig habe ich gerade einen anderen Film des Gummiboot-Regisseurs Robert Butler gesehen: "Night of the Juggler", ein sehr finsterer B-Thriller in Schlagdistanz zu "Death Wish" und ähnlichem. Menschenjagd in New York; ziemlich unangenehm, aber eben doch auch wieder nicht ganz uninteressant. Im Guten wie im Schlechten kommen mir diese Filme aus den frühen Achtzigern offener vor in Bezug auf die Gesellschaft, zu der sie sprechen.

Der Außenseiter said...

Ja, diese Offenheit finde ich auch immer wieder faszinierend. Das hat sowohl sozio-historische Gründe, als auch filmgeschichtliche. Beide bieten einen interessanten Kulminationspunkt. Normalerweise verweise ich nicht auf meine eigenen Texte, aber ich habe dazu mal etwas zu dem Film MANIAC geschrieben, der, ähnlich wie DER EXTERMINATOR, ein wunderbarer Dekadenumbruchsfilm ist. Wenn Du mal Zeit und Nerven hast. :)

http://unendlichfilm.blogspot.com/2011/03/korpersurrogate.html