Monday, April 30, 2012
Crossing Europe 2012 ranking
(inklusive aller bereits vorher gesehener Filme)
***** Six Million and One, David Fisher, 2011
***** Führung, Rene Frölke, 2011
***** Ha-shoter / Policeman, Nadav Lapid, 2011
***** Low Definition Control, Michael Palm, 2011
***** Oi torino loi / The Turin Horse, Bela Tarr, 2011
***** Elena, Andrei Zvyagintsev, 2011
***** Nachbehandlung, Edith Stauber, 2011
***** Set in Motion, Michael Palm, 2012
**** Herr Berner und die Wolokolamsker Chaussee, Serpil Turhan, 2011
**** Livide, Alexandre Bustillo / Julien Maury
**** Weekend, Andrew Haigh, 2011
**** Von der Vermählung des Salamanders mit der grünen Schlange, Rene Frölke, 2010
**** Sangue do Meu Sangue / Blood of My Blood, Joao Canijo, 2011
**** Richtung Nova Huta, Dariusz Kowalski, 2012
**** Entree du personnel / Staff Entrance, Manuela Fresil, 2011
**** Hauptfriedhof, Melanie Jilg, 2011
**** Sea Concrete Human, Michael Palm, 2001
**** Pismo tati / A Letter to Dad, Srdjan Keca, 2011
**** Z daleka widok jest piekny / It Looks Pretty From a Distance, Anka & Wilhelm Sasnal, 2011
**** Svartur a leik / Black's Game, Oskar Thor Axelsson, 2012
*** Outing, Sebastian Meise / Thomas Reider, 2012
*** Mientras duermes / Sleep Tight, Jaume Balaguero, 2011
*** [Rec] 3 Genesis, Paco Plaza, 2011
*** Die Lage, Thomas Heise, 2012
*** Ein Brief aus Deutschland, Sebastian Mez, 2011
*** Louise Wimmer, Cyril Mennegun, 2011
** San Agustin – Ebbe im Plastikmeer, Gudrun Gruber / Alexander Hick / Michael Schmitt, 2012
** L'envahisseur / The Invader, Nicolas Provost, 2011
** The Woman Who Brushed Off Her Tears, Teona Strugar Mitevska, 2012
** Apflickorna / She Monkeys, Lisa Aschan, 2011
** Hors Satan, Bruno Dumont, 2011
* Play, Ruben Östlund, 2011
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Tuesday, April 24, 2012
hollywood art history (American Eighties 21)
In Roger Donaldsons trotz allem ziemlich interessanten Cocktail (1988) wird die zentrale, schon für sich selbst reichlich fragwürdige Differenz "honest barkeeping" vs "casino capitalism" ("You see, there are two kinds of people in this world: the workers and the hustlers. The hustlers never work and the workers never hustle") überlagert von einer kunsthistorischen: neoimpressionistischer kitsch vs minimalism. Gleich zweimal fallen abstrakte Skulpturen Prügeleien als Kollateralschäden zum Opfer:
Heil bleibt dagegen dieses Machwerk:
Besser gefällt mir die Disco "Cell Block", in der der "weltweit erste Yuppie-Dichter" seine Werke vorträgt und die Barkeeper Häftlingsuniformen tragen:
---
Peter Nau entwickelt in seinem wundervollen Aufsatz "Deauville", im Anschluss an Benjamin, die Verbindung von Kapitalismus und Casino von einer überraschenden Seite her, nämlich aus der Perspektive des Arbeiters: "Indem jeder Handgriff an der Maschine gegen den ihm voraufgegangenen ebenso abgedichtet ist, wie ein coup der Hasardpartie gegen den jeweils letzen, stellt die Fron des Lohnarbeiters auf ihre Weise ein Pedant zu der Fron des Spielers. Beider Arbeit ist von Inhalt gleichermaßen befreit." (Spätlese, S.51)
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Saturday, April 21, 2012
No Way Out, Roger Donaldson, 1987 (American Eighties 20)
Hinter den generischsten Titeln verstecken sich die frenetischsten Filme.
No Way Out ist durchdrungen von Begehren. Die politische Rückseite des Begehrens aber ist Zynismus. "Lucky it's not a bullshit detector or none of us would get in", meint Sean Young (als laszive Verführerin wenig überzeugend, später dann als manisch kichernde Genießerin umso großartiger), nachdem ihr Körper von oben nach unten auf Metall gescannt wurde. Costner blickt ihr aufgeregt hinterher, sie lächelt zurück, das ist die erste Begegnung, die Sache ist eigentlich schon entschieden. "You're pretty cynical" sagt er ein paar Blick- und Wortwechsel später, 1987 scheint das als Pickup-Spruch funktioniert zu haben. Im Taxi lassen sie dann, bevor sie sich übereinander her machen, eher pflichtschuldig die Trennwand zum neugierigen Fahrer herunter, dessen Begehren sie eigentlich durchaus auch als ein berechtigtes anerkennen.
Das zentrale Begehren hat nichts exklusives in No Way Out, es greift fast automatisch aus, erfasst andere Figuren: ihre Freundin, ihren anderen Geliebten, schließlich das gesamte Pentagon. Kevin Costner ruft seine Lady kurz nach Beginn der Affäre im Hawaii-Hemd, als wild thing aus dem philippinischen Stripclub an (kurz vorher wurde er, einfach so, zum Helden, weil er sich auf einem Kriegsschiff den Wellen entgegen geworfen hatte): kein Problem für den Film, der affirmiert den unglaublich guten Costner (dem man vom offenen Gesicht direkt in die Seele blicken zu können meint; der über keinerlei Impulskontrolle zu verfügen scheint) mit Haut und Haaren. Ehe und eigentlich auch Liebe sind keine Optionen im Film, es gibt nur die (beide Partner vitalisierende) Affaire ohne echte Intimität (zum Sex ins fremde Bett) und das asymetrische Ausbeutungsverhältnis Geliebte / Gönner. Die klassischen Container für Intimität und Sex sind sonderbarerweise noch nicht mal als Handlungshorizonte verfügbar.
Das zentrale Begehren fällt plötzlich, ziemlich genau in der Filmmitte, weg, einem Affektmord zum Opfer (Schuld daran ist vorderhand Gene Hackman, Youngs anderer Geliebter; vielleicht aber eigentlich doch eher Costner selbst, weil der kurz vorher zum ersten Mal eine Begrenzung in das Begehren einziehen will, auf Exklusivität pocht; dass er sich in einem nennenswerten Sinn verliebt hat, kann man trotzdem kaum behaupten). Es geht dann später um zwei Begehren: das objektlos gewordene Costners und ein blockiertes, homosexuelles (Will Patton ist mindestens so großartig wie Costner), das ein, da kann man kaum drum herum reden, schon recht problematisches Ende findet - aber andererseits kommuniziert der Film so offen, dass vielleicht gerade dieses Ende reflexiv wird, die krude Konstruktion durchsichtig macht auf die impliziten homophoben Tabus nicht nur dieses Films, sondern des gesamten Kinos der Mittachtzigerkörperexzesse; auch die besten dieser Filme - neben dem in diesem Kontext allerdings trotzdem atypischen No Way Out sind das für mich bislang Perfect von James Bridges und Hardbodies von Mark Griffiths - stoßen da immer wieder an innere Grenzen.
Der zweite Teil ist atemberaubend dynamisch und spielt komplett im Inneren des Pentagon. Costner leitet und torpediert die Ermittlungen gegen sich selbst und legt mehr oder weniger das gesamte Verteidigungsministerium lahm (für Spannung sorgt frühe Computertechnik: ein Bild, das sich selbst zeichnet, wird irgendwann den vermeintlichen Täter, also Costner, zeigen). Das politischem Zynismus entsprungene Begehren hat sich (vielleicht konsequenterweise) zur Staatskrise ausgeweitet.
Das zentrale Begehren hat nichts exklusives in No Way Out, es greift fast automatisch aus, erfasst andere Figuren: ihre Freundin, ihren anderen Geliebten, schließlich das gesamte Pentagon. Kevin Costner ruft seine Lady kurz nach Beginn der Affäre im Hawaii-Hemd, als wild thing aus dem philippinischen Stripclub an (kurz vorher wurde er, einfach so, zum Helden, weil er sich auf einem Kriegsschiff den Wellen entgegen geworfen hatte): kein Problem für den Film, der affirmiert den unglaublich guten Costner (dem man vom offenen Gesicht direkt in die Seele blicken zu können meint; der über keinerlei Impulskontrolle zu verfügen scheint) mit Haut und Haaren. Ehe und eigentlich auch Liebe sind keine Optionen im Film, es gibt nur die (beide Partner vitalisierende) Affaire ohne echte Intimität (zum Sex ins fremde Bett) und das asymetrische Ausbeutungsverhältnis Geliebte / Gönner. Die klassischen Container für Intimität und Sex sind sonderbarerweise noch nicht mal als Handlungshorizonte verfügbar.
Das zentrale Begehren fällt plötzlich, ziemlich genau in der Filmmitte, weg, einem Affektmord zum Opfer (Schuld daran ist vorderhand Gene Hackman, Youngs anderer Geliebter; vielleicht aber eigentlich doch eher Costner selbst, weil der kurz vorher zum ersten Mal eine Begrenzung in das Begehren einziehen will, auf Exklusivität pocht; dass er sich in einem nennenswerten Sinn verliebt hat, kann man trotzdem kaum behaupten). Es geht dann später um zwei Begehren: das objektlos gewordene Costners und ein blockiertes, homosexuelles (Will Patton ist mindestens so großartig wie Costner), das ein, da kann man kaum drum herum reden, schon recht problematisches Ende findet - aber andererseits kommuniziert der Film so offen, dass vielleicht gerade dieses Ende reflexiv wird, die krude Konstruktion durchsichtig macht auf die impliziten homophoben Tabus nicht nur dieses Films, sondern des gesamten Kinos der Mittachtzigerkörperexzesse; auch die besten dieser Filme - neben dem in diesem Kontext allerdings trotzdem atypischen No Way Out sind das für mich bislang Perfect von James Bridges und Hardbodies von Mark Griffiths - stoßen da immer wieder an innere Grenzen.
Der zweite Teil ist atemberaubend dynamisch und spielt komplett im Inneren des Pentagon. Costner leitet und torpediert die Ermittlungen gegen sich selbst und legt mehr oder weniger das gesamte Verteidigungsministerium lahm (für Spannung sorgt frühe Computertechnik: ein Bild, das sich selbst zeichnet, wird irgendwann den vermeintlichen Täter, also Costner, zeigen). Das politischem Zynismus entsprungene Begehren hat sich (vielleicht konsequenterweise) zur Staatskrise ausgeweitet.
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Saturday, April 14, 2012
Just Tell Me What You Want, Sidney Lumet, 1980 (American Eighties 19)
Die Medienwelt der ausgehenden Siebziger. Die alte Garde ist weg, die slicken Nonkonformisten haben übernommen und inzwischen haben sie sogar wieder richtig viel Geld; vielleicht ist das Geld sogar noch das alte Geld, dafür spricht zumindest die Ausstattung, die konservative Wohlstandsikonografie (Lumets Filme sind immer auch Porträts der Räume, in denen sie spielen), vielleicht sind wirklich nur die Frisuren neu, die Erben der good old boys sind selbst good old boys. Filmstudios werden ausgeschlachtet, das Fernsehen regiert, New Hollywood ist kein Thema mehr (und vielleicht auch zurecht, scheint der Film, irgendwo in seinen textuellen Tiefen, zu sagen, weil es nichts an der Geschlechterordnung geändert hat). Die Frauen in ihren eng sitzenden, nach unten ausladenden Hosen; die Männer mit ihren hässlichen, voluminösen Frisuren: die kommodifizierte Gegenkultur der Siebziger, im Vergleich mit der die anbrechenden Hochglanz-Eighties fast schon wieder ehrlich sein werden.
Als Mediensatire wird der Film geführt, doch alles, was an ihm satirisch, überzeichnet ist (und letzten Endes auch alles, was bloß drehbuchfunktional verlogen ist, wie zum Beispiel das Ende), bricht sich an einer tiefer liegenden existenziellen Verzweiflung, die sich auch nicht so einfach aus den (sexistischen, ökonomischen) Machtverhältnissen ableiten lässt, um die es in der zentralen Beziehung zwischen Alan King und Ali MacGraw vorderhand geht; an der souveränen, klassischen Form, die so gar nicht tongue-in-cheek ist; am hemmungslosen Spiel Ali MacGraws, die der Kamera immer etwas mehr preiszugeben scheint, als alle anderen Figuren; ihre Brüste, zum Beispiel, in einer sehr intimen Einstellung vor der Spiegelwand im Schlafzimmer (die Spiegelwand, vielleicht das wichtigste Objekt im Film: immer wieder öffnet und teilt sie das Bild, bricht es auf, ein Irritationsmoment im Zentrum des sonst so flüssig durchexerzierten Films); an ausgestellt theatralen Momenten, kurz aufblitzenden Bühnenexzessen (Alan King, Myrna Loy).
Als Mediensatire wird der Film geführt, doch alles, was an ihm satirisch, überzeichnet ist (und letzten Endes auch alles, was bloß drehbuchfunktional verlogen ist, wie zum Beispiel das Ende), bricht sich an einer tiefer liegenden existenziellen Verzweiflung, die sich auch nicht so einfach aus den (sexistischen, ökonomischen) Machtverhältnissen ableiten lässt, um die es in der zentralen Beziehung zwischen Alan King und Ali MacGraw vorderhand geht; an der souveränen, klassischen Form, die so gar nicht tongue-in-cheek ist; am hemmungslosen Spiel Ali MacGraws, die der Kamera immer etwas mehr preiszugeben scheint, als alle anderen Figuren; ihre Brüste, zum Beispiel, in einer sehr intimen Einstellung vor der Spiegelwand im Schlafzimmer (die Spiegelwand, vielleicht das wichtigste Objekt im Film: immer wieder öffnet und teilt sie das Bild, bricht es auf, ein Irritationsmoment im Zentrum des sonst so flüssig durchexerzierten Films); an ausgestellt theatralen Momenten, kurz aufblitzenden Bühnenexzessen (Alan King, Myrna Loy).
Saturday, April 07, 2012
Am Tag, als der Regen kam, Gerd Oswald, 1959
Es gibt einen toughen Lederjackentypen in der Gang, ansonsten sind das alles keine harten, teilweise sogar regelrecht windelweiche Jungs, die im Grunde ihres Herzens vom Film, den Eltern und sogar dem fesche Sprüche klopfenden Jungpolizisten verstanden werden wollen. Ein besonders seltsamer Rebell without a cause ist Mario Adorfs Werner, der Anführer, ein massiver Typ mit Bürstenhaaren, dominanten Augenbrauen und trotzdem immerzu herumdrucksend, stammelnd, schwammig in den Tag hinein lebend. Einmal trägt er einen schon richtiggehend bizarren, weiten Pullover aus grober, zentimeterweit ausfasernder Wolle, ein Kleidungsstück, das hilflos um Zuneigung bettelt, zwar ein bisschen unangemessen wild herumwuchert, aber eigentlich gestreichelt werden will, das modische Zeichen vielleicht für den Abstand des Films vom harten, amerikanischen Straßenkrimi, der als Vorbild aber immer durchscheint und in vielen tollen Kompositionen auch gut emuliert wird (Oswald hat selber in Hollywood Noirs gedreht, nur wenige Jahre vorher). Auch wenn man das diesem Text nicht ganz entnehmen können wird: Ich mochte den Film durchaus.
Eine tolle Figur ist der "Professor", der vermutlich weniger aus den Noirs (da kenne ich keine derartige Figur) kommt, als aus der deutschen Jugendliteratur: Ein schmächtiger, seitengescheitelter Brillenträger, der bei den Großen mitmachen will und in seinem Eifer etwas Selbstmörderisches hat, in der schönen Mutprobenszene auch keine Angst vor dem Schienentod hat. Und man ahnt auch schon, dass er ein Typ ist, dem man lieber keine Waffe in die Hand geben sollte, weil er sich dann um die Waffe herum strukturiert, weil die Waffe dann ihn hält und nicht er die Waffe.
Fast wie bei Brynych geistern zwei Popsongs durch den Film. Meist werden sie in der Jukebox einer Kneipe gespielt, an deren Wand Pin-up Zeichnungen projiziert werden, die aber, wie eigentlich alle Schauplätze des Films (der Bandentreffpunkt im Keller eines ausgebombten Gebäudes, "dunkle Seitenstraßen", selbst bürgerliche Wohnzimmer sehen irgendwie komisch aus, am besten gefallen hat mir der provisorische Unterschlupf des jüngsten Gangsters, an dem die ganze Zeit Eisenbahnen vorbeirauschen) eher einem versponnenen Samstagvormittagtraum von Milieu entsprungen zu sein scheinen, als dass sie als konsequent pulpifizierter Großstadtdschungel durchgehen könnten. Neben dem Titellied ist das vor allem die deutsche Version von "Charlie Brown", ein Lied, das mindestens so bizarr ist wie Adorfs Wollpullover ("Wer knistert mit Papier, hoho, hihi? / Und wer schießt auf das Katheder mit Kaugummi? / Charlie Brown, Charlie Brown / Das ist ein Clown, der Charlie Brown") und das einmal sogar von einem Betrunkenen gegrölt wird, als der von der Polizei mitgenommen wird. Der muss schon verdammt dicht gewesen sein.
Eine tolle Figur ist der "Professor", der vermutlich weniger aus den Noirs (da kenne ich keine derartige Figur) kommt, als aus der deutschen Jugendliteratur: Ein schmächtiger, seitengescheitelter Brillenträger, der bei den Großen mitmachen will und in seinem Eifer etwas Selbstmörderisches hat, in der schönen Mutprobenszene auch keine Angst vor dem Schienentod hat. Und man ahnt auch schon, dass er ein Typ ist, dem man lieber keine Waffe in die Hand geben sollte, weil er sich dann um die Waffe herum strukturiert, weil die Waffe dann ihn hält und nicht er die Waffe.
Fast wie bei Brynych geistern zwei Popsongs durch den Film. Meist werden sie in der Jukebox einer Kneipe gespielt, an deren Wand Pin-up Zeichnungen projiziert werden, die aber, wie eigentlich alle Schauplätze des Films (der Bandentreffpunkt im Keller eines ausgebombten Gebäudes, "dunkle Seitenstraßen", selbst bürgerliche Wohnzimmer sehen irgendwie komisch aus, am besten gefallen hat mir der provisorische Unterschlupf des jüngsten Gangsters, an dem die ganze Zeit Eisenbahnen vorbeirauschen) eher einem versponnenen Samstagvormittagtraum von Milieu entsprungen zu sein scheinen, als dass sie als konsequent pulpifizierter Großstadtdschungel durchgehen könnten. Neben dem Titellied ist das vor allem die deutsche Version von "Charlie Brown", ein Lied, das mindestens so bizarr ist wie Adorfs Wollpullover ("Wer knistert mit Papier, hoho, hihi? / Und wer schießt auf das Katheder mit Kaugummi? / Charlie Brown, Charlie Brown / Das ist ein Clown, der Charlie Brown") und das einmal sogar von einem Betrunkenen gegrölt wird, als der von der Polizei mitgenommen wird. Der muss schon verdammt dicht gewesen sein.
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Film Noir,
Gerd Oswald,
Mario Adorf
Friday, April 06, 2012
hitzeresistent
das cinestar sony center, mein berliner lieblingskino, ist jetzt ganz auf digitale projektion umgestellt. lange filme, die von einer pause unterbrochen werden, stoppen nun nicht mehr beim rollenwechsel, also bei einem gewissermaßen natürlichen einschnitt, sie werden einfach irgendwo angehalten, das bild, bevor es erlischt, kurz eingefroren. beim schönen blockbuster "the hunger games" schwebte dann gestern eine stillgestellte großaufnahme von jennifer lawrence einen moment lang über mir. wäre sie statt dessen im guten, alten analogen projektor versehentlich zum stillstand gekommen, sie wäre vermutlich verglüht. im analogen kino mussten die bilder und also auch die menschen auf den bildern ständig vor dem drohenden feuertod fliehen, im digitalen kino kann man ihrer gelegentlich habhaft werden, diesen jetzt hitzeresistenten geisterwesen.
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the hunger games
Wednesday, April 04, 2012
Das Totenschiff, Georg Tressler, 1959
Der Film startete zunächst mit der falschen, ich glaube tatsächlich der letzten Filmrolle: eine dieser infernalischen Szenen im Bauch des Totenschiffes, schweißüberströmte Männer schaufeln mit verzerrten Gesichtern Kohle ins Feuer, oben geht eine Luke auf, jemand brüllt antreibend herunter, einer der Schaufler wirft daraufhin ein Stück Kohle nach oben, dem Hetzer und auch der Kamera entgegen. Dann geht etwas schief, ein Schmerzensschrei und gleichzeitig wird der Fehler im Vorführraum bemerkt, das Licht geht wieder an. Ein falscher Anfang in der Hölle, der sich über den bald folgenden richtigen Anfang legt und den ich dann auf mich / auf den Seemann Horst Buchholz zukommen sehe: wenn er am Anfang von einer Prostituierten um seinen Pass geprellt wird und gleichzeitig sein Schiff verpasst, in einer schönen, wortlosen Montagesequenz, die sich am Fragmenthaften von Erleben orientiert und auch noch, wenn er dann weiter "nach Süden" zieht, nach Frankreich.
Die schönste Sequenz dieses tollen Films spielt da: eine kleine Romanze, die von Anfang an um ihre Vergeblichkeit weiß. Das Wissen liegt im Blick auf die Gleise, die sich in den Horizont ziehen, ins Nirgendwo. (Man könnte an dieser Stelle an andere Gleise erinnern, die im deutschen Kino der Fünfziger zweifellos fehlten und denen es sich im Grunde bis heute nicht gestellt hat; aber was folgt daraus für diesen einen Film?) Buchholz bekommt von der jungen Elke Sommer ein Abendessen serviert und hantiert bei dieser Gelegenheit forsch mit dem Baguette. Später dann Elke Sommers Hände um Horst Buchholz' von der Kamera umkreisten Hals, den Händen gelten auch seine letzten Liebkosungen beim Abschied und wenn er dann mit dem Zug noch einmal an ihr vorbeifahren muss, betastet sie sich mit ihnen ihr eigenes Gesicht, ein entgleitendes Gefühl unter vielen im Film.
Ich kenne die Vorlage von B. Traven nicht. In den Momenten, in denen der Film "literarischer" wirkt, geht es viel um den verlorenen Pass und den existenzialistischen Wunsch, "wieder Mensch sein" zu dürfen. Aber viel Raum erhält das alles nicht, dazu ist "Das Totenschiff" viel zu sehr fiebriges Bewegungs- und unreines Genrekino, ein Film, der vielleicht nicht so recht weiß, wohin er will, der aber fest entschlossen ist, auf dem Weg dorthin möglichst viel zu erleben; in der namenlosen nordafrikanischen Stadt zum Beispiel, in der unten, im Hafen, die immerzu von einem kläffenden musikalischen Motiv eingeführte "Yorikke" droht und im Hinterland nichts zu sehen ist außer kahlen Bergen und wo in den Häusern dazwischen Mörder gedungen werden, die dann aber den Blick über die Pistole hinweg nicht aushalten. Auf den Blick folgt dann ein resigniertes Gespräch zwischen Buchholz und dem schief unter der Mütze hervorschauenden Adorf. Die dunkelhaarigen Mädchen, die vorher noch lockten, mit den Blicken der Seemänner spielten, sind längst wieder verschwunden. Ein Film zum Nacherzählen, ein Abenteuerfilm.
Die schönste Sequenz dieses tollen Films spielt da: eine kleine Romanze, die von Anfang an um ihre Vergeblichkeit weiß. Das Wissen liegt im Blick auf die Gleise, die sich in den Horizont ziehen, ins Nirgendwo. (Man könnte an dieser Stelle an andere Gleise erinnern, die im deutschen Kino der Fünfziger zweifellos fehlten und denen es sich im Grunde bis heute nicht gestellt hat; aber was folgt daraus für diesen einen Film?) Buchholz bekommt von der jungen Elke Sommer ein Abendessen serviert und hantiert bei dieser Gelegenheit forsch mit dem Baguette. Später dann Elke Sommers Hände um Horst Buchholz' von der Kamera umkreisten Hals, den Händen gelten auch seine letzten Liebkosungen beim Abschied und wenn er dann mit dem Zug noch einmal an ihr vorbeifahren muss, betastet sie sich mit ihnen ihr eigenes Gesicht, ein entgleitendes Gefühl unter vielen im Film.
Ich kenne die Vorlage von B. Traven nicht. In den Momenten, in denen der Film "literarischer" wirkt, geht es viel um den verlorenen Pass und den existenzialistischen Wunsch, "wieder Mensch sein" zu dürfen. Aber viel Raum erhält das alles nicht, dazu ist "Das Totenschiff" viel zu sehr fiebriges Bewegungs- und unreines Genrekino, ein Film, der vielleicht nicht so recht weiß, wohin er will, der aber fest entschlossen ist, auf dem Weg dorthin möglichst viel zu erleben; in der namenlosen nordafrikanischen Stadt zum Beispiel, in der unten, im Hafen, die immerzu von einem kläffenden musikalischen Motiv eingeführte "Yorikke" droht und im Hinterland nichts zu sehen ist außer kahlen Bergen und wo in den Häusern dazwischen Mörder gedungen werden, die dann aber den Blick über die Pistole hinweg nicht aushalten. Auf den Blick folgt dann ein resigniertes Gespräch zwischen Buchholz und dem schief unter der Mütze hervorschauenden Adorf. Die dunkelhaarigen Mädchen, die vorher noch lockten, mit den Blicken der Seemänner spielten, sind längst wieder verschwunden. Ein Film zum Nacherzählen, ein Abenteuerfilm.
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