Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Michael Manns Thief, am 15.05. im Österreichischen Filmmuseum.
Christian Petzold hat einmal, bezogen auf zwei ganz andere Filme, die Spekulation angestellt, dass Heist-Filme, also Filme, die von Berufsverbrechern handeln, die einen Coup planen und ausführen, immer auch Filme sind, die ihren eigenen Herstellungsprozess thematisieren. In dem Sinne nämlich, dass das Filme über spezialisierte Profis sind, die für einen begrenzten Zeitraum und für ein einzelnes Projekt zusammenarbeiten und am Ende im Idealfall mit mehr Geld dastehen als vorher. Auch wir haben in den Sichtungen für die Reihe immer wieder nach Momenten gesucht, in dem das Kino der Achtziger Jahre sich auf die eine oder andere Art ein Bild von sich selbst macht. Und in der Tat scheint Thief, ein Heist-Film von Michael Mann, aus dieser Perspektive besonders interessant. Denn man kann in ihn nicht nur seine eigene Produktionswirklichkeit, sondern gewissermaßen eine ganze Filmgeschichtsschreibung hineinlesen.
Zu Beginn ist Frank, die Hauptfigur des Films, ein krimineller Unternehmer in eigener Sache, der frei über seine Arbeitszeit, aber auch zum Beispiel über sein Liebesleben verfügt. Angetrieben von einem Bild, das die Fetischstruktur des Kapitalismus auf Postkartengröße zusammenfasst, begibt er sich nicht nur beruflich in ein Abhängigkeitsverhältnis, sondern ordnet auch sein Privatleben der Warenform unter - das ist kein reading, für das ich mich hier weit aus dem Fenster lehnen muss, sondern ein Diskurs, den der Film ganz plakativ auf seiner Oberfläche führt.
Und damit entspricht die Erzählbewegung des Films jener Erzählung über das Kino der Achtziger Jahre, die davon ausgeht, dass die Freiheiten, die sich das Kino im Zuge von New Hollywood erkämpft hatte, in den Achtzigern schnell zugunsten einer sich konsolidierenden Industrie und ihrer Franchiselogik verschwindet; zugunsten einer Serie vorformatierter High-Concept-Spektakel, zwischen denen kaum noch Platz ist für das, was einmal aussah wie der neue amerikanische Autorenfilm. Man könnte diese Analogie in unterschiedliche Richtungen ausbauen und sich zum Beispiel auch fragen, was genau das für eine Freiheit war, die eine solche Filmgeschichte für die New Hollywood-Filme behauptet; ob das nicht schon immer eher die Freiheit jener Petit Bourgeoisie war, der Frank am Anfang von Thief ein auch nicht unbedingt sympathisches Gesicht leiht.
So oder so ist Thief ein hochreflexiver Film, der seinen Gangsterfilmplot von Anfang an, spätestens aber ab dem ersten Gespräch Franks mit seinem Auftraggeber, als orthodox marxistische Allegorie reformuliert. Und gleichzeitig ist der Film seinerseits ein durchoptimiertes, metallisch auf Hochglanz poliertes, zu den elektrischen Klängen von Tangerine Dream getaktetes Konsumprodukt, inszeniert von einem vormaligen Werberegisseur der bald darauf als Produzent der Fernsehserie Miami Vice den look der kulturindustriellen Achtziger entscheidend und nicht nur im Guten mitprägen sollte, seinerseits produziert von Jerry Bruckheimer, der heute vielen als die Verkörperung all dessen gilt, was im amerikanischen Kino der letzten 30 Jahre falsch gelaufen ist. Ich frage mich jedesmal, wenn ich den Film sehe, warum ich ihm das alles zusammen durchgehen lasse, was genau es ist, das den Film davor bewahrt, ein einfach nur besonders zynisches Stück postklassisches Hollywood-Konfektionskino zu sein.
Zum Teil ist das sicherlich der Verdienst Michael Manns. Mann kommt zwar von der Werbung, anders jedoch als einige andere Regisseure, die in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern über die commercials nach Hollywood kamen, wie zum Beispiel Adrian Lyne oder Alan Parker, verstand er sich von Anfang an und versteht sich eigentlich bis heute als Genreregisseur. Am Genrekino scheint ihn dabei zumindest auch eine gewisse Art von Professionalismus zu interessieren, die das Genrekino als Produktionsform prägt und die, wie das Petzold-Zitat andeutet, in einigen Genres auch thematisch wird. In Thief findet sich nicht nur eine nicht zu übersehene visuelle Parallelisierung von schwerindustrieller Arbeit und Räuberhandwerk; sondern vor allem eine fast schon dokumentarisch anmutende Aufmerksamkeit, die dem prozessualen Ablaufen des Coup entgegen gebracht wird.
Das eigentliche piece de resistance des Films ist aber sein Hauptdarsteller. James Caan ist, mit seiner kläffenden Stimme, seinem grobschlächtig-bulligen Auftreten ein Schauspieler des dreckigen Siebzigerjahre-Kinos. Die Achtziger waren ganz eindeutig nicht Caans Jahrzehnt, Thief blieb sein einziger wichtiger Film der Dekade, zwischen 1982 und 1987 drehte er gar keinen einzigen Film. Das hatte sicherlich eher private Gründe, es gab da unter anderem einen privaten Unglücksfall und wohl auch ein ausgewachsenes Drogenproblen, aber es ist gleichzeitig so, dass in der Zeit nicht viele Filme entstanden sind, in denen man sich einen Schauspieler wie Caan auch nur vorstellen hätte können.
Mit den muskulösen Helden des Eighties-Männerkinos hat er schon deshalb nichts zu schaffen, weil sich sein hartgesottenes Äußeres nie zur spiegelglatten Oberfläche verhärtet, sondern noch in dem Sinn eine “harte Schale” ist, als dass sie auf die in sie eingeschlossene, weiche Innerlichkeit stets mitverweist. In Thief trifft diese alte Form maskuliner Härte, die noch auf biografische und historische Prägung verweist und zum Beispiel auch von Willie Nelson verkörpert wird, der eine kleine, aber sehr zentrale Nebenrolle spielt, auf die neue Härte der geschichtslosen Oberflächen. Mehr als die vulgärmarxistischen Dialoge sind es die Spuren, die diese Konfrontation auf James Caans Gesicht einträgt, die Thief zu einem jener nebenbei bemerkt gar nicht einmal so seltenen Filme machen, in denen das Hollywoodkino mehr über sich selbst verstanden zu haben scheint als seine schärfsten Kritiker.
1 comment:
Das ist wohl der Film, den ich am allerliebsten im Rahmen Eurer Reihe im FM gesehen hätte.. :/
Vielleicht schaffe ich es im Juni dann doch noch, vorbeizuschauen..
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