Tuesday, September 24, 2013

Todd-AO-70mm-Festival 2013: ratings

*****Goya - oder Der arge Weg der Erkenntnis, Konrad Wolf, 1971
*****Chitty Chitty Bang Bang, Ken Hughes, 1968
****Seven Brides for Seven Brothers, Stanley Donen, 1954
****Spartacus, Stanley Kubrick, 1960
****Close Encounters of the Third Kind, Steven Spielberg, 1977

Seltsam, wie man da ganz unverstellt sehen kann, wie im letzten Filmdrittel die Blockbustermethode über den bis dahin eigensinnigen und ziemlich schönen Film hereinbricht. Die New-Hollywood-Intimität und -Zerrissenheit hält der Film irgendwann nicht mehr aus und er beginnt, mit aller Macht, sie in überdeterminiertes Bewegungskino umzubiegen: Es gibt wirklich eine Verschwörung des Militärs, die in endlosen Verfolgungsjagden resultiert; und auch Spielberg Face, der Blick aus dem Film heraus, ins außerweltliche Leuchten, hält Spielberg irgendwann nicht mehr in seiner ursprünglichen Radikalität aus. Das Außen muss zurückblicken.

***Defa 70, Werner Bergmann, 1967
**Khartoum, Basil Dearden, 1966 (Projektion/Kopie: *****)
**Du bist min - Ein deutsches Tagebuch, Andrew & Annelie Thorndike, 1969
*The Great Waltz, Andrew L. Stone, 1972
*Orpheus in der Unterwelt, Horst Bonnet, 1975
*Le grand bleu, Luc Besson, 1988

Monday, September 23, 2013

Hofbauerkongress: Barbara - Wild wie das Meer, Frank Wisbar, 1961

Mein Kongress-Lieblingsfilm: Ein entfesseltes Melodram, ein einziger, nur ganz an der Oberfläche unterkühlt anmutender Gefühlsexzess, fast unbehauen hineingestellt ins noch etwas steife deutsche Nachkriegskino und auch in die noch etwas steife deutsche Sprache der frühen Sechziger.

Barbara kann man nur übers Meer erreichen; und auch dann muss man noch einmal eine mehrtägige Fahrt übers Land auf sich nehmen, bis in den hintersten Winkel der Färöer. Da, am Ende der Welt, lebt sie, die von den anderen Insulanern begehrt, verflucht und verteufelt wird, eigentlich ein kleinbürgerliches Leben in einem adretten Landarzthaus, kann sich nicht einmal gegen die Kontrollblicke des Gärtners wehren. Das Freie, Ekstatische, wild-Romantische und das Beengte, Kleine, Angepasste stehen oft eng beieinander in Barbara; und immer stehen sie so beieinander, wie man es handlungslogisch / küchenpsychologisch keineswegs erwarten würde.

Erst wenn man einen freimütig mit seinen Figuren umgehenden Film wie Barbara sieht, merkt man, wie sehr in den meisten anderen Filmen alles immer schon entschieden ist. In Barbara kann man mehrmals direkt dabei zusehen, wie die Figuren sich umentscheiden, wie sie erst das Eine tun wollen, und dann plötzlich und ohne, dass man bis ins Letzte nachvollziehen könnte, wie es dazu gekommen ist, genau das Andere tun: Barbara kann man dabei zusehen, wie sie das Aufbegehren gegen den Ehemann sein lässt und ihm plötzlich in die Arme fällt, obwohl er sie unangemessen einengt. Ein Schock ist das, weil das in dem Moment nichts von Taktik oder gequält-sich-dem-Schicksal-ergeben hat, weil sie dabei nichts zurückhält, weil sie sich vollständig ergibt. Wenn sie dann später ihre Jugendliebe nach einigen Widerständen küsst, mit ihm bald abhaut und dann schließlich ein „Leben jenseits der konventionellen Moral“ zwischen zwei Männern führt, bis sie vor einem kalten Ofen fast erfriert, streicht das die vorherige Umarmung nicht aus; sie galt, in letzter Instanz, nie einem einzelnen Mann.


Ob Dominik Graf Barbara gesehen hat, bevor er Der Felsen, seinen eigenen Inselfilm, gedreht hat? Zumindest habe ich jetzt einen würdigen Vorgängerfilm entdeckt.

Wednesday, September 18, 2013

Hofbauerkongress: Franco

Eugenie (Historia de una perversion) / Lolita am Scheideweg, Jess Franco, 1980

Eine De-Sade-Verflimung, vermutlich sehr frei, die Handlung verschwindet allerdings eh völlig zwischen den Totalen der bizarren Architektur, in der Franco seine Frauen platziert und der Haut ohne Rahmung dazwischen. Das Mittlere, die Körper, die sich nicht mehr zur Kamera oder zueinander, sondern zu einer Geschichte verhalten, interessiert den Film kein bisschen.

Sandfiguren am Strand: nackte Frauen in Posen, die gleichzeitig aufreizend und entspannt wirken und die vom Film hernach "eingeholt" werden müssen: am Strand haben die Frauen schon die richtige Art schlaftrunkener Eleganz, die echten Frauen müssen erst noch dazu gebracht werden. Dass eine der echten Frauen die Sandfrauen am Ende kaputt macht, passt natürlich nicht so ganz zu einer solchen Lesart, aber einerseits ist das halt die wundervolle Franco-Inkonsequenz; andererseits stellen die fleischlichen Frauen vielleicht mit diesem Ende ihre Unabhängigkeit wieder her: Projektionsfläche und Fetischobjekt zu sein ist ja okay, was aber nicht geht, ist, diese Projektionen und Fetische stillzustellen, einzumauern. 

Denn in Franco-Filmen haben die Frauen nichts Statueskes (die Männer manchmal schon, wenn sie sonnenbebrillt in die Ferne blicken), sie sind ständig unterwegs, kommen näher, entziehen sich wieder. Erst recht in Eugenie, einem der schönsten Franco-Filme, die ich bisher gesehen habe: Da kommt ihnen die Kamera oft extrem nahe, fokussiert auf ein sich bewegendes Schulterblatt, das sich hinter der Haut abzeichnet, auf einen Mund, der sich öffnet. Fetischobjekte, die sich von pornografischen Fixiderungen lösen, Haut ohne Rahmung, aber deshalb noch lange nicht bloße Natur, mal behängt Franco die Haut mit silbernem Schmuck, mal drapiert er vor ihr Vorhänge; jede Frau ein eigener Bildraum, ein eigenes ästhetisches System.

Les avaleuses / Entfesselte Begierde, Jess Franco, 1973

Den zweiten Franco-Film des Kongresses kannte ich schon, ich mochte ihn beim ersten Ansehen überhaupt nicht, beim zweiten nicht viel mehr. Wieder fühlte ich mich regelrecht angegangen von Lina Romays Vagina, erschlagen außerdem von einem Bettpfosten, der in einer der Romay-Betträkelszene eine zentrale Rolle spielt und der in meiner Erinnerung die Hälfte des ganzen Films eingenommen hatte, was natürlich Blödsinn ist - die entsrechende Szene dauert kaum fünf Minuten. Vielleicht liegt es daran, dass die Kamera in Les avaleuses die Frauen immer ganz besitzen möchte, aus einer Entfernung, die Kontrolle verspricht: leicht von oben blickt sie auf die Betten, wenn sie ihnen näher auf den Leib rückt, dann nur, indem sie ihnen direkt zwischen die Beine zoomt. Aggressiv fühlt sich das nicht an, aber doch etwas fantasielos.

Wednesday, September 11, 2013

Entertainment

(Spoiler ahead, I guess...)
Besonders schön fand ich an Soderberghs schönem Behind the Candelabra die letzte Szene, ein reines Erinnerungsbild: Scott Thorson / Matt Damon besucht die Beerdigung Liberaces; als der Priester in monotoner Stimme zum Gebet auffordert, verschwindet das Kirchen-interieur und eine Show-Bühne erscheint. Liberace hat einen letzten Auftritt, komplett mit Nebelschwaden, Luxuslimousine und Tänzerinnen. Soderbergh zeigt den Auftritt frontal, hauptsächlich in Totalen, tritt in dieser Hommage komplett hinter ein Erinnerungsbild, aber auch hinter die Idee einer bestimmten Art von Entertainment zurück, der er für einmal den gesamten Bildraum überlässt. Wenn Liberace am Ende der Bühne entschwebt, lässt Soderbergh die Seile, an denen er befestigt ist, nicht einmal leicht durchscheinen.
...
Dass er den Film in der letzten Einstellung wieder für sich reklamiert, mit einem Umschnitt auf Damons Gesicht, auf dass man eben gerade keine Spuren des Erlebten in den chirurgisch zurechtoperierten Zügen finde, einem jener besserwisserischen Soderbergh-Schnitte, von denen es in Behind the Candelabra sonst so erstaunlich wenige gibt, hat mir dann gar nicht mehr so viel ausgemacht. Sollte das der neue, der Quality-TV-Soderbergh sein, könnte ich mich vielleicht doch noch mit ihm anfreunden.

more cukor

A Double Life



Wild Is the Wind




Keeper of the Flame




Wednesday, September 04, 2013

from the outside

Gerade habe ich entdeckt, dass David Phelps in dem wundervollen Capricci-Cukor-Buch ausführlich über genau jene Einstellungen geschrieben hat, die ich gestern hier eingestellt hatte:

(...) and in the most escalated moments of hysteria, one chases the other into the foreground, both facing forward as if trapped against the screen, their despair assured by the comprehension that, this close to the camera, there's nowhere to go (...) Still framesattest to Cukor's newfound love for the motiv in subsequent films [after Edward, My Son] - one charakter jammed against the camera without recourse from the harassment of a charakter just behind. (...) What Cukor seems out to capture, then, is the fluctuations rather than anything like idealistic poses (...) the confrontation of the charakters with their own buried emotions and outer torments becomes a confrontation directly with the camera too (...) what we watch is less an unmasking than its opposite, a measured sort of suppression seen from the outside (...)

Tuesday, September 03, 2013

Drifter

Diesen wunderbaren Blogeintrag hatte ich gelesen, kurz bevor ich nach Locarno aufgebrochen war, wo ich dann weniger anderes als Cukor-Filme gesehen habe. Nicht aufgefallen wären mir sonst vermutlich die in fast jedem seiner Filme auftauchenden Einstellungen - unten nur eine kleine Auswahl - in denen zwei Figuren sich, gestaffelt, zur Kamera drehen. Beide verlieren für einen Moment den Halt aneinander und in der Fiktion, manchmal blicken sie dann ihr Außen, die Kamera, direkt an, manchmal, und das sind fast die schöneren Szenen, lassen sie ihren Blick über sie hinweg huschen, weisen auch noch diesen letzten hingeworfenen Anker zurück. 

Born Yesterday, 1950





Wild Is the Wind, 1957





A Double Life, 1947





The Model and the Marriage Broker, 1951



A Life of Her Own, 1950



The Corn Is Green, 1979



The Marrying Kind, 1952



Edward, My Son, 1949



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Heller in Pink Tights, 1960