Fast das gesamte überlieferte Werk eines Regisseurs an zwei Tagen, allein zwölf Filme (drei davon Langfilme) an diesem zweiten Tag der Retrospektive – das schafft eine schöne Form von Konzentration.
Das erste Programm versammelt Auftragsarbeiten und Reisefilme. Sanders Feeds, ein Imagefilm für einen Futtermittelhersteller, ist eher ein Kuriosum -das immerhin einige interessante Momentaufnahmen des urbanen, in den 1980er scheinbar ökonomisch aufstrebenden Nigeria enthält. Toll sind zwei Filme, die Balogun für das Rote Kreuz gedreht hat. Le Retour zeigt einen Gefangenenaustausch zwischen Äthiopien und Eritrea, offizielle Verabschiedungen, dann gelöste Gesichter im Flugzeug, dazu ein poetischer Off-Kommentar, der die jetzt endlich abgeschüttelten Schrecken der Vergangenheit noch einmal aufruft, um sie endgültig zu bannen.
Deutlich länger und ambitionierter: Destination Paix, ein Film über die Arbeit des Roten Kreuzes mit Kriegsgefangenen. Der erste Teil des Films ist eine globale Montage: Gefängnisse in Afrika, Lateinamerika und Südostasien werden besichtigt, dazwischen erzählen Funktionäre der Hilfsorganisation von hehren Idealen – vor dem Hintergrund des Genfer Sees mit seinen millionenschweren Ufergrundstücken und seiner auch sonst äußerst geldgesättigten Schweizerlichkeit. Dann brechen plötzlich Archivbilder in den Film ein: Balogun nutzt die Gelegenheit, an den nigerianischen Bürgerkrieg zu erinnern, an die kurze, blutige Geschichte Biafras.
Destination Barbados, der letzte Film des Programms, ist der erste (von zwei) digital projizierten: Eine Videoreportage über den calypso craze auf Barbados. Schöne Musik, die sich gut in den durchgehenden groove fast aller Balogun-Filme einfügt, schöne Songtexte, schöne Kostüme, ein Lied handelt von einem Esel.
Vor dem nächsten Langfilm eine weitere Auftragsarbeit: Pana – Une voix pou l’Afrique bewirbt eine neu gegründete panafrikanische Nachrichtenagentur. Cry Freedom von 1981 erzählt dann in exemplarischer Manier vom kolonialen Befreiungskampf und fühlt sich erst einmal komplett anders an als alles vorher gesehene. Die Handlung entwickelt sich in kurzen, ökonomischen Szenen, die Figuren bleiben strikt innerhalb des Korsetts, musikalische Abschweifungen fehlen fast völlig. Allerdings nur fast. Einmal tanzen und singen die Sympathisanten der Rebellen ausgiebig. Sie werden dann von den Militärs angegangen und gefragt: was soll das, was gibt es hier zu feiern? Und sie antworten: nichts, wir seind einfach nur glücklich. Vielleicht ist das eine Schlüsselszene im Werk: Ähnlich wie die korrupten Eliten in Ajani Ogun sieht auch das koloniale Regime überll nur Tauschwert und Kosten-Nutzen-Rechnungen. Nicht zulassen kann sie unzugerichtetes Beisammensein, sei es im Tanz oder in der Liebe.
Freilich gibt es einen Unterschied zwischen den kolonialen und den postkolonialen Unterdrückern; letztere müssen anerkennen, dass die, die sie unterdrücken, ihresgleichen sind. Die postkoloniale Gesellschaft ist eine der Aushandlung (zum Beispiel: eine der Aushandlung zwischen Musik und Humor), die koloniale war eine des Kampfs. Erst einmal müsse sie sich dafür entscheiden, wieder zu einem menschlichen Wesen zu werden, sagt einer der Rebellen zur blonden Frau eines Kolonialisten, die ahnt, dass um sie herum einiges nicht stimmt und einen faulen Humanismus predigt, aber am Ende nicht weiter denken kann als: Der Krieg macht unsere Ehe kaputt. – Ein Reiz des erkennbar billig produzierten, aber sehr schönen, mit sicherer Hand inszenierten Films ist dann aber gerade, dass die Kolonialherren nicht ins Monströse aufgeblasen, sondern zu B-Movie-Bösewichten mit rabiat gezogenen Scheiteln eingedampft werden.
Danach zwei weitere Dokumentationen, beide deutlich freier gebaut als die vorherigen. River Niger, Black Mother folgt dem Verlauf des Flusses des Titels, beginnt mit Schiffsimpressionen und flüchtigen Beobachtungen, biegt dann aber plötzlich ab: Ein Sänger trägt eine Ballade vor, die die Geschichte Malis reflektiert, Balogun montiert dazu Aufnahmen einer stilisierten, volkstheaterartigen Nachinszenierung. Ein wenig irritierend nur, dass die Stimme, die er dem Sänger in den Mund legt, offensichtlich nicht dessen eigene ist. Einen besonders tollen Off-Kommentar hat The Magic of Nigeria, ein weitgehend ungerichteter Film über traditionelle nigerianische Kunstproduktion. Was auch immer Kunst an Überschuss produzieren mag – es lohnt sich manchmal, das (nämlich: das Kunstwerk einerseits, seine Produktion andererseits) einfach nur aufzuzeichnen, es nicht gleich wieder kontextualisieren, katalogisieren, erklärbar machen zu wollen.
Das erste Programm versammelt Auftragsarbeiten und Reisefilme. Sanders Feeds, ein Imagefilm für einen Futtermittelhersteller, ist eher ein Kuriosum -das immerhin einige interessante Momentaufnahmen des urbanen, in den 1980er scheinbar ökonomisch aufstrebenden Nigeria enthält. Toll sind zwei Filme, die Balogun für das Rote Kreuz gedreht hat. Le Retour zeigt einen Gefangenenaustausch zwischen Äthiopien und Eritrea, offizielle Verabschiedungen, dann gelöste Gesichter im Flugzeug, dazu ein poetischer Off-Kommentar, der die jetzt endlich abgeschüttelten Schrecken der Vergangenheit noch einmal aufruft, um sie endgültig zu bannen.
Deutlich länger und ambitionierter: Destination Paix, ein Film über die Arbeit des Roten Kreuzes mit Kriegsgefangenen. Der erste Teil des Films ist eine globale Montage: Gefängnisse in Afrika, Lateinamerika und Südostasien werden besichtigt, dazwischen erzählen Funktionäre der Hilfsorganisation von hehren Idealen – vor dem Hintergrund des Genfer Sees mit seinen millionenschweren Ufergrundstücken und seiner auch sonst äußerst geldgesättigten Schweizerlichkeit. Dann brechen plötzlich Archivbilder in den Film ein: Balogun nutzt die Gelegenheit, an den nigerianischen Bürgerkrieg zu erinnern, an die kurze, blutige Geschichte Biafras.
Destination Barbados, der letzte Film des Programms, ist der erste (von zwei) digital projizierten: Eine Videoreportage über den calypso craze auf Barbados. Schöne Musik, die sich gut in den durchgehenden groove fast aller Balogun-Filme einfügt, schöne Songtexte, schöne Kostüme, ein Lied handelt von einem Esel.
Vor dem nächsten Langfilm eine weitere Auftragsarbeit: Pana – Une voix pou l’Afrique bewirbt eine neu gegründete panafrikanische Nachrichtenagentur. Cry Freedom von 1981 erzählt dann in exemplarischer Manier vom kolonialen Befreiungskampf und fühlt sich erst einmal komplett anders an als alles vorher gesehene. Die Handlung entwickelt sich in kurzen, ökonomischen Szenen, die Figuren bleiben strikt innerhalb des Korsetts, musikalische Abschweifungen fehlen fast völlig. Allerdings nur fast. Einmal tanzen und singen die Sympathisanten der Rebellen ausgiebig. Sie werden dann von den Militärs angegangen und gefragt: was soll das, was gibt es hier zu feiern? Und sie antworten: nichts, wir seind einfach nur glücklich. Vielleicht ist das eine Schlüsselszene im Werk: Ähnlich wie die korrupten Eliten in Ajani Ogun sieht auch das koloniale Regime überll nur Tauschwert und Kosten-Nutzen-Rechnungen. Nicht zulassen kann sie unzugerichtetes Beisammensein, sei es im Tanz oder in der Liebe.
Freilich gibt es einen Unterschied zwischen den kolonialen und den postkolonialen Unterdrückern; letztere müssen anerkennen, dass die, die sie unterdrücken, ihresgleichen sind. Die postkoloniale Gesellschaft ist eine der Aushandlung (zum Beispiel: eine der Aushandlung zwischen Musik und Humor), die koloniale war eine des Kampfs. Erst einmal müsse sie sich dafür entscheiden, wieder zu einem menschlichen Wesen zu werden, sagt einer der Rebellen zur blonden Frau eines Kolonialisten, die ahnt, dass um sie herum einiges nicht stimmt und einen faulen Humanismus predigt, aber am Ende nicht weiter denken kann als: Der Krieg macht unsere Ehe kaputt. – Ein Reiz des erkennbar billig produzierten, aber sehr schönen, mit sicherer Hand inszenierten Films ist dann aber gerade, dass die Kolonialherren nicht ins Monströse aufgeblasen, sondern zu B-Movie-Bösewichten mit rabiat gezogenen Scheiteln eingedampft werden.
Danach zwei weitere Dokumentationen, beide deutlich freier gebaut als die vorherigen. River Niger, Black Mother folgt dem Verlauf des Flusses des Titels, beginnt mit Schiffsimpressionen und flüchtigen Beobachtungen, biegt dann aber plötzlich ab: Ein Sänger trägt eine Ballade vor, die die Geschichte Malis reflektiert, Balogun montiert dazu Aufnahmen einer stilisierten, volkstheaterartigen Nachinszenierung. Ein wenig irritierend nur, dass die Stimme, die er dem Sänger in den Mund legt, offensichtlich nicht dessen eigene ist. Einen besonders tollen Off-Kommentar hat The Magic of Nigeria, ein weitgehend ungerichteter Film über traditionelle nigerianische Kunstproduktion. Was auch immer Kunst an Überschuss produzieren mag – es lohnt sich manchmal, das (nämlich: das Kunstwerk einerseits, seine Produktion andererseits) einfach nur aufzuzeichnen, es nicht gleich wieder kontextualisieren, katalogisieren, erklärbar machen zu wollen.
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