Wilson Yips S.P.L. ist in meiner nicht mehr allzu deutlichen
Erinnerung ein geradliniger Actionfilm mit ausgedehnten, knüppelharten, ein
wenig videospielartig inszenierten Kampfszenen. Nicht in jeder Hinsicht
altmodisch und auch nicht komplett durchnostalgisiert, aber doch deutlich
wertkonservativ, auf analoge Prügeltugenden Wert legend.
Und vor allem kein Film, der auf sein Sequel vorbereitet.
S.P.L. II: A Time for Consequences hat mich umgehauen wie kein anderer
Actionfilm, wie überhaupt kaum ein anderer neuer Film zuletzt. Cheang Pou-Sois
Fortsetzung (die sich vom älteren Film eh nur den Titel leiht, und zwei
Darsteller, die in neuen Rollen auftreten) ist keine Hommage an das, sondern
eine durch und durch zeitgenössische Aktualisierung des Hongkong-Actionkinos
der frühen 1990er. Ein Film, der es noch einmal wagt, Actionkino opernartig und
emotional maximal überdimensioniert zu denken, der dabei aber von einer sehr
gegenwärtigen Zerrissenheit geprägt ist.
Zerrissene Körper, zweifach zerrissen, sowohl äußerlich als
auch innerlich - und innerlich streng genommen auch wieder doppelt: dem einen
entnehmen Organhändler die Innereien, dem anderen bricht darüber das Herz. Natürlich
werden die Körper vor allem in den ohne Einschränkungen großartigen Kampfszenen
labil. Einerseits gibt es da eine Serie unglaublich exzessiver Plansequenzen,
strategische Kamerabewegungen, die von den menschlichen Wahrnehmungsdimensionen
weitgehend (wenn auch natürlich nicht komplett) abstrahieren und zum Beispiel
auch durch Wände gleiten, wodurch sich die Kämpfe in bewegliche Körperskulpturen
verwandeln; und andererseits gibt es Exzesse völlig anderer Art,
unwahrscheinliche (und aus der Perspektive klassischer Actionfilmästhetik:
unökonomische) Emphasen auf isolierte, lokale Aggressionen.
Wu Jing, Simon Yam, Tony Jaa, Louis Koo: Jeder explodiert
anders, jeden zerreißt es anders, aus anderen Gründen, mit anderer Wucht. Die
Verbindung stiftet keine Heldenreise, keine einzelne, individuelle Perspektive
(kein einziger Körper mehr, der ganz ist, der im Laufe des Films
zusammengesetzt wird; alle sind immer schon im Zerfallen begriffen), unter die
alle anderen subsummiert werden. Die Instanz des Erzählers verbirgt sich nicht,
auch sie leistet Arbeit: Wie bekommt man diese vier großen Gewalten (und die
unzähligen kleinen) gemeinsam in einen Film, in eine Geschichte? Vermittels
zweierlei Techniken: Techniken des Kinoerzählens (Rückblenden,
Parallelmontagen) und, wichtiger noch, Kommunikationstechnologie.
Ein Smartphoneactionfilm. Die neuen, schlauen Telefone sind
nicht nur, wie ihre Vorgänger, in der Lage, Menschen gleichzeitig vonenander zu
trennen und miteinander zu verbindend; sie zerlegen die Menschen außerdem in
ihre Einzelteile. Auf dem Bildschirm der Smartphones werden die Menschen ein
drittes Mal zerrissen, datenförmig gemacht. Allerdings: Weder lässt der Film
technoeuphorisch das neue Fleisch hochleben, noch sehnt er sich nach
Echtzeitkommunikation zurück. Er zeigt einfach nur, wie’s ist: Die Smartphones
sind Scharniere, die nicht mehr ganze Menschen miteinander verbinden, sondern
nur noch mal mehr, mal weniger vollständige Körper- und Selbstbilder zueinander
in (nichtlineare) Beziehung setzen. S.P.L.
II: A Time for Consequences führt vor, was passiert, wenn man dieses
Körper-Technik-Mobile in eine vorbehalt- und fixpunktlose Bewegung versetzt:
all hell breaks loose.
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