Tuesday, October 07, 2014

Mad at the World, Harry Essex, 1955

Mad at the World war der letzte Film der Filmakers, Ida Lupinos Produktionsfirma. Harry Essex, der Regisseur, ist bekannter als Drehbuchautor, unter anderem schrieb er Kansas City Confidential. Mad at the World ist ein kleiner, kruder, toller noir, der sich als Problemfilm über juvenile delinquency tarnt und  von einem gewissen Estes Kevaufer, Senator of Tennessee, anmoderiert wird. Zunächst trägt Kevaufer eine Brille, wenn er zu sprechen beginnt, setzt er sie ab.



Danach übernimmt eine weitere Autoritätsfigur, eine Stimme aus dem Off. Sie gehört, lernt man später, einem Polizisten, aber erst einmal führt sie durch dokumentarische Bilder Chicagos, erzählt von Jugendkriminalität und davon, dass die Polizisten die Täter nicht töten, sondern verstehen wollen. Ein Film aus den Jahren, in denen Jugendlichkeit gerade erst erfunden war und noch für einige Verwirrung sorgte.



"Night in the city is the worst time". Aus der Dunkelheit des VHS-Rips schälen sich die Jugendlichen Delinquenten, wie Zombies suchen sie den Film heim, vertreiben den dokumentarischen Blick, die Wasserfontänen. Ab jetzt ist das ein Film, in dem Männer alleine auf Betten liegen, um nachzudenken, 



Auch die Jugendlichen sind nur Ablenkung, eigentlich geht es um Keefe Brasselle, den Mann mit der Stirnlocke und vor allem um Karen Sharpe, das girl next door mit dem expressiven Gesicht.


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"Look at them nails!"


Nach dem einzigen Kuss, der ihr gegönnt ist, stößt Stirnlocke sie weg. Es folgt ein ergreifender Dialog, von dem im Folgenden ihre Beiträge zitiert sind, von der ersten Verletzung zum hilflosen Kampf mit den Floskeln: eine nach dem anderen wird ausprobiert, keine lindert den Schmerz, und doch steht ihr nichts anderes zur Verfügung.

"Nobody ever wants to get rough with me, (but) they do. Boy, I sure got the wrong idea about you. Right from the start, right from the moment you came knocking at my door I got the wrong idea." / "It's an old story with me. I'm always seeing things in people that's never there. Wouldn't you think after this time I learned after all the kicking around I got? But I never learn." / "You feel nothing! Didn't you know how I was beginning to feel about you? You're no different than the rest of 'em! You only look different..." / "You talk big, but you say nothing! You didn't level with me and that's something I can't (let?) go!" "Mister, believe me! Don't go passing out no favors! There's enough good fish in the sea! Drop me a line some time... Bon voyage!"

Direkt danach, ihr größter Auftritt: Ein Tanz für die Kamera.












Ihre letzte Einstellung, eine tröstende Hand aus dem Off auf der Schulter.


Aber viel schöner ist dieses Bild, in der sich ein Schatten anders, härter, wie ein Schnitt über ihr Gesicht legt.

Tuesday, September 30, 2014

Outrage, Ida Lupino, 1950

Die langen Einstellungen bei Lupino bezeichnen nicht das Verstreichen von Zeit; es geht auch nicht nur darum, einen räumlichen Zusammenhang zu etablieren. Sondern darum, den Raum zu durchqueren.

Wie beginnt der Film (nach der Titelsequenz)? Ich hatte gedacht: mir einer Tasse, die auf einen Tresen gestellt und einem Mann zugeschoben wird. Aber das stimmt nicht. Zuerst ist der Tresen leer, eine zu beschreibende Fläche.


Dann kommt die Tasse, die schon vor dem Film in Bewegung ist, von rechts ins Bild geschossen.




Wenn der Mann die Tasse aufnimmt, sieht man im Hintergrund eine Frau, die aus der Tiefe des Bilds nach vorn, an den Tresen tritt.






Die Tasse in Bewegung gesetzt hat der Mann, der hinter dem Tresen steht und der erst jetzt langsam ins Bild sich schleicht.





Ein paar Szenen später vergewaltigt er, der unseren Blick aus dem Off gelenkt hat, die Frau. Diesmal durchmisst, bevor er sie verfolgt, sein Blick den Raum (denselben Raum).


Später, nach der Vergewaltigung: Raum, den es unter mütterlichem Blick zu durchqueren gilt. 





Dann zwischen die Menschen treten, die wie Aufziehfiguren wirken (das Aufgeräumte alter B-Movies, die Härte, die eine Welt ohne Assecoires ausstrahlt).







Der freie Raum befreit nicht, er lähmt.




Ein Schnitt rettet, schafft Orientierung, eine Achse, einen Fluchtpunkt.




Später nach einer Flucht entlang der x-Achse: sich abwenden, aufstehen, beiseite treten, in den Raum hinein, Abblende. Totale Identifikation der Regie mit den Gesten der Frau, mit ihrer körperlichen Integrität, die verteidigt, (immer) wieder hergestellt werden muss.








Die seltsamste Einstellung des Films, eine Art mehrfach invertierte Reprise der ersten. Es beginnt wieder mit einem Getränk. Zwei Punchschüsseln, vier soziale Trinker. Erst dann taucht die Frau auf, am Rand.







Sie wendet sich ein weiteres Mal ab, ihre Passage beginnt.






Irgendwann setzt sich auch die Kamera in Bewegung; aber die Kamera macht das, was die Frau nicht macht: sie betritt die Tanzfläche. Während die Frau im Hintergrund herumstromert, sich in die Mitte des Bildes eher schleicht oder stiehlt, als stellt (aber wer ist die andere, ältere Frau neben ihr?), rauschen die Tänzer an der Kamera vorbei, schießen immer unvermittelter ins Bild. 
















Der nüchternste Gegenschuss der Filmgeschichte. Alle Tricks, alle Flirts mit der Kamera sind vorbei. Es gibt nur die Frau und auf der anderen Seite ihres Blicks die Welt.