Thursday, September 07, 2006

David Holtzman's Diary, Jim McBride, 1967

Das Genre der Mockumentaries hat seine Ursprünge in der Stummfilmzeit (frühestes mir bekanntestes Beispiel ist der wunderbare Häxan), doch bis heute blieb diese Form, zumindest wenn man quantitative Maßstäbe anlegt, eine Spielwiese für periphere Autorenfilmer und oft überambitionierte Filmschüler, eine Ansammlung vereinzelter Werke, die nicht allzu viel Entwicklungslinien aufweisen und oft genug antreten, die Filmform aus dem nichts revolutionieren zu wollen. Selbstverständlich gelingt dies selten bis nie, doch das Scheitern am eigenen Anspruch produziert zuweilen Abfallprodukte, die durchaus bestauenenswert sind.
So auch David Holtzman's Diary, das Erstligswerk eines Mannes, der auch später keine Risiken scheute und in den Siebziger Jahren immerhin ein Remake von A bout de souffle drehte (das ich unbedingt auch mal sehen muss). DHD greift das Cinema-Verite Konzept auf, genauerr gesagt dessen vielleicht vollendetste Ausprägung, den Tagebuchfilm. Das gefilmte Fake-Tagebuch eines fiktiven, cinephilen 60ies Dandy samt hipper Frisur und Modell-Freundin, welches Jim McBride entwirft, weiss anfangs durchaus zu überzeugen. Die Godard-Zitate sind angemessen unangemessen, die "Ideen" des Protagonisten verweisen auf genau die Art von unreflektierter Kulturkritik, die auch - wenngleich in ganz anderer und letztlich natürlich viel schönerer Art - aus den Originalen des New Yorker Undergrounds spricht: Zerlegung des Fernsehprogramms durch Zeitrafferfunktion, politisches Radioprogramm über Bildern des New Yorker Subproletariats etc.
Dass das Ganze dann letztlich doch nicht allzu gut funktioniert, oder zumindest nicht in der intendierten Art und Weise, liegt daran, dass McBride diese Sequenzen - und auch die überraschend ehrlich erscheinenden Aufnahmen der Freundin - in einen fatalistischen Medienkritik-cum-Vulgärexistenzialismus Plot einbaut. Bereits nach einem Drittel des Films ist klar, worauf das Ganze hinausläuft: die mediale Verdopplung des eigenen Lebens wird zur Obsession und zerstört innerhalb kürzester Zeit die gesamte Lebensgrundlage des Filmenden, der irgendwann nur noch stammelnd vor der Kamera sitzt, nicht einmal mehr fähig sein eigenes Leiden zu beenden. Dieser zielgerichtete Niedergang ist als technische Fingerübung zwar gut umgesetzt, bleibt jedoch stets als eben diese, im Grunde auch recht narzisstische, Fingerübung erkennbar.
So ist DHD dann letztlich doch nur ein amüsantes Zeitdokument und keine produktive Auseinandersetzung mit Cinema Verite, radikalem Autorenkino oder gar dem Filmbild als solchem.

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