Die Sequenz gehört sicherlich zu den ganz großen Tanzszenen der letzten Jahren: Andreas Müller bewegt sich langsam, unsicher zu Robbie Williams "Feel", die Kamera bleibt nahe an ihm, zeigt jedoch nur Rücken und Hinterkopf, das eigentliche Affektbild wird verweigert. Der Tanz entsteht nicht als Ventil für überschüssige motorische Energie in einer intellektuell, sozial oder (im zweiten Beispiel) textuell überdeterminierten Welt wie in Beau Travail oder Napoleon Dynamite. Der Tänzer lässt für einen Moment die Affekte, die sein Leben tagtäglich bestimmen, ohne dass er ihnen verbal beikommen würde, in Bewegung übergehen, kanalisiert sie und wird dadurch tatsächlich handlungsfähig.
In der Tat sind es die Differenzen verschiedener Sprachsysteme, die einen Teil des Reizes dieses zauberhaften Filmes ausmachen. Die Gesrpräche der Liebenden sind nie ganz frei von Stilisierungen, unbewussten und bewussten Zwängen und stehen in hartem Kontrast mit den glasklar beobachteten, im besten Sinne naturalistischen Gespräche der Laiendarsteller im öffentlichen Raum. Eine seltsame Verschränkung: Grisebachs Figuren sind anfangs in der Öffentlichkeit scheinbar bei sich selbst, im Privaten jedoch durch Zwänge aller Art beschränkt und zu wenig mehr als zu gestammelten Liebeserklärungen fähig. Nicht nur auf sprachlicher Ebene: die Feuerwehrmänner nehmen ihre Plätze auf dem Betriebsausflug mit einer großartigen Selbstverständlichkeit ein, während Sex oder ein gemeinsmes Frühstück zu zweit hart erarbeitet werden muss.
"I just wanna feel" bedeutet für Markus den Beginn eines Versuchs, aus dieser pervertierten bürgerlichen Logik auszusteigen, ein Versuch, der vielleicht nicht so hoffnungslos ist, wie es angesichts des Handlungsverlaufs erscheinen mag. Das Kindergespäch am Ende eröffnet einen utopischen Ausblick auf eine Gesellschaft, aus der Affekte produktiv und qualfrei erwachsen können.
Das wunderbare an Sehnsucht ist, dass Szenen wie oben beschriebener Tanz organisch aus der Gesamtheit des Films entstehen, ohne Erkennbaren Stilwillen. Auch alle kunstfilmerischen Anwandlungen, die der eine oder andere ausmachen mag, sind logische Bestandteile des gesamten Werkes und nie Angeberei oder Versuche, "Atmosphäre" durch simple Addition "atmosphärischer Bilder" entstehen zu lassen (vielleicht eine der schlimmsten Krankheiten des Arthaus-Kinos). In vieler Hinsicht gelingt Grisebach vieles in Vollendung, was bei ihren Kollegen der Neuen Berliner Schule noch oft etwas unbeholfen, gewollt und nur halb gekonnt, wirkt.
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