Land of Scarecrows / Heosuabideuleui ddang, Roh Gyeong-Tae, 2008
Panasiatisches Kunstkino gone bad. Panasiatisch schon programmatisch, der Film spielt zwischen Südkorea und den Philippinen: Transgendermann + Performancekünstler aus Südkorea holt Braut aus den Philippinen, die wiederum in Korea dann einen anderen kennenlernt, der gebürtiger Philippino ist. Dazwischen tauchen Fische mit Menschenköpfen auf und Müll wird in den Boden gekippt. Die Einstellungen sind lang, die Räume diskontinuierlich, geredet wird wenig und wenn doch, dann Blödsinn. Die These ist bestenfalls, dass Südostasien z.Z. ebenso krumm und schief zusammenwächst (vielleicht via der Wirtschaftszone ASEAN + 3, die als regionales Gegengewicht zu den bilateralen Verträgen der einzelnen Nationalstaaten mit den USA in den Startlöchern steht) wie auch Mensch, Tier und Pflanze immer krummer und schiefer durcheinander wachsen. In der einzigen lustigen Szene des Films beginnt ein diesem krummen und schiefen Treiben überdrüssiger Priester seinen agitierten Monolog so ungefähr mit den Worten "Everything fucks everything".
Wahrscheinlich will der Film das krumme und schiefe queertheoretisch als neue Norm einsetzen und affirmieren. Nicht nur Transgender, sondern auch Hunde mit zwei Köpfen und radioaktiv verseuchte Gurken. Das Problem ist natürlich nicht, dass der Film dem agitierten Priester widersprechen möchte, sondern dass er eben das nicht auf die Reihe bekommt. Denn Leider bleibt der Versuch mit schöner Regelmäßigkeit einerseits in der beharrlichen Diskursverweigerung seiner erkaltet-modernistischen Ästhetik und andererseits in den prätentiösesten Klischeebildern stecken. Man kennt das: Da läuft ein Mann in einer Totalen eine ansonsten menschenleere Straße herunter, auf die Kamera zu. Meistens ist dann auch noch schlechtes Wetter. Er hat nichts zu sagen und tut es dann auch nicht.
Im Forum tut man sich doch manchmal schwer, Gegenargumente wider die pauschalen, populistischen Attacken aufs "Festivalkino" zu finden.
Kan door huid heen / Can Go Through Skin , Esther Rots, 2008
Body Cinema gone (nicht ganz so) bad. Erst trennt Marieke sich von ihrem Freund, dann wird sie, nachdem sie gerade noch dabei war, voller Energie neue Dates aufzutun, in der eigenen Wohnung überfallen und um ein Haar ermordet. Bald flieht sie aufs Land, in ein einsames, heruntergekommenes Bauernhaus. Dort schläft sie im Küchenschrank und wird anfangs von jedem Geräusch fast zu Tode erschreckt, vor allem dann, wenn hinter dem Geräusch eine männliche Geräuschquelle zu vermuten ist.
Kan door huid heen möchte mit aller Kraft eins werden mit den Affekten Mariekes. Der Film ist nicht einfach nur aus ihrer Perspektive erzählt, sondern erschrickt, hofft, freut sich und halluziniert mit ihr. Selten wählt Rots den optischen Point of View, eher geht es darum, die Sensationen gleichzeitig via Kamera (und via Tonspur) zu erleben und in Mariekes Körperlichkeit nachvollziehen zu können. Rifka Lodeizen geht dabei als Hauptdarstellerin volles Risiko. Über weite Strecken des Films bleibt sie alleine im Bild, sie schreit, tobt und macht, dass es eine Art hat. Der Film springt ihr noch jedesmal bei und verdoppelt respektive literalisiert, was er seiner Hauptdarstellerin im Kopf herumspuken lässt. Den Angreifer fantasiert sie sich in das Bauernhaus, gefesselt an einen Balken und ihr ausgeliefert, der Film liefert die entsprechenden Bilder.
Etwas ungelenk wirken diese Exzesse des Körperlichen oft, aber nicht halb so ungelenk wie die fürchterlichen Norah-Jones-Imitate auf der Tonspur, schauderliche Indie-Popsongs, die gleich noch einmal in ihren Texten verdoppelt, was schon davor zwei, drei und vierfach in Bild und Ton gesetzt wurde, zwar nur drei an der Zahl, aber das sind schon drei zuviel. Wo die interessanteren Body-Filme auf Brüche setzen, die zwischen Körperlichkeit und filmischer Materialität aufscheinen, versucht Kan door huid heen die totale Synthese und landet damit bei einer doch recht reaktionären Form.
Rots möchte Intensitäten gegeneinander schneiden anstatt Plotpoints, doch die frenetischen Montagen während Mariekes Effektexzessen sehen eher aus wie schlecht gemachte Musikvideos. Am Ende wird dieses Musikvideo dann auch inhaltlich reichlich reaktionär, wenn Marieke und der Film ihre Ruhe so schlicht wie einfach in den Armen eines zufällig anwesenden neuen Mannes finden.
Friday, January 23, 2009
Saturday, January 17, 2009
Berlinale 2009: Mental, Kazuhiro Soda, 2008
"Teilnehmende Beobachtungen" nennt Kazuhiro Soda seine Dokumentarfilme, die zu den interessanteren Entdeckungen des Forums in den letzten Jahren gehören. Diese Selbstbeschreibung verweist weniger auf einen ethnologischen Impetus, denn auf einen spezifischen Ethos des Blicks. Es geht, genauer gesagt, um eine Mischform aus Teilnahme und Beobachtung. Die subjektive Investition des Dokumentarfilmers in seinen Gegenstand soll nicht geleugnet, sondern produktiv gemacht werden, ohne gleichzeitig das abstrahierende Moment der Beobachtung, die dem Kamerablick inhärente Distanzierung von eben diesem Gegenstand, zu verleugnen (der Kamerablick ist weniger an und für sich schon Distanz, als dass er, vermittelt durch die Projektion, Distanz schafft, räumliche wie zeitliche).
Sodas Erstling, Campaign, war 2007 im Forum zu sehen und portraitierte Wahlkampf eines von den innerparteilichen Machtstrukturen sichtlich überforderten Provinzpolitiker der japanischen Dauer-Regierungspartei LDP. Das neue Werk heißt Mental und widmet sich einer ambulanten psychiatrischen Klinik in Okayama.
Eine kleine Klink ist das, ein Privatunternehmen, das hauptsächlich von einem einzigen Arzt und seinem Idealismus gestemmt wird. Die Klinik ist die letzte Anlaufstelle für Intensivpatienten, die teilweise seit Jahren hospitalisiert sind und nicht mehr weiter wissen. Eine Patientin zeigt Soda ihre gigantische Medikamentenpalette. An die hundert Tabletten für einen einzigen Tag.
Soda portraitiert einige Miniunternehmen, die von der Klinik gegründet wurden und den Patienten nicht nur eine regelmäßige Beschäftigung und damit einen strukturierten Tagesablauf ermöglichen sollen, sondern diesen gleichzeitig auch ein geringes Einkommen einbringen, welches sie bitter nötig haben. Immer wieder kommt in Mental das Gespräch auf Geld. Ein Patient meint einmal, das eben dieses Geld oft die beste Medizin für Psychiatriepatienten sei. Spätestens beim Anblick der ärmlichen Behausungen, in denen er und seine Leidensgenossen leben, ist man geneigt, ihm Recht zu geben.
Die ökonomischen Zwänge betreffen nicht nur die Patienten, sondern die gesamte Institution. Freimütig gestehen die Angestellten ein, dass die finanzielle Situation schwierig ist und dass sie selber mehr verdienen, als ihr Chef, dessen spärliches Gehalt unter Sozialhilfeniveau liegt. Schnell wird klar, dass Soda mit Mental primär keinen Film über Psychatrie in Japan im Allgemeinen gedreht hat, genauso wenig, wie Campaign ein Film über den japanischen Wahlkampf im Allgemeinen war. Zwar funktionieren beide Filme auch auf dieser Ebene, freilich war der Titelheld aus Campaign alles andere als ein typischer LDP-Politiker und noch weniger ist das portraitierte Krankenhaus in Mental ein typisches Beispiel für Psychiatrie in Japan. Mental ist getragen von einer tiefen Sympathie für den Gegenstand, für den alten Arzt, der in seinen Behandlungsgesprächen den Patienten immer wieder lustige Schematas ihrer Psyche bzw ihres Gesamten Lebenswegs aufzeichnet, einerseits und für die Patienten und ihre Geschichten andererseits.
Der Film verzichtet auf Abstraktionen, um den Dargestellten einen Rest an Subjektivität zu belassen durch ein nicht besonders ungewöhnliches, aber doch genau geplantes dokumentarisches Setting. Kazuhiro Soda taucht selber in seinen Filmen zwar auf der Tonspur, aber nicht im Bild auf. Die Anwesenheit der Kamera wird zwar selten thematisiert, sie wird jedoch auch nie zum Problem. Statt dessen positioniert sich die Kamera in kleinen Gesten zu ihrem Material. Wenn eine Patientin auf dem Hof vor der Klinik sitzt und erzählt, dass sie diesen Ort gerne aufsuche wegen den Bäumen über ihr, gleitet der Kamerablick sanft nach oben in ihre Blickrichtung, in Richtung der Bäume. Ein anderer Patient inszeniert eine kleine Show für die Kamera. Er erzählt poetische Anekdoten und unternimmt hhilosophische Exkurse. Irgendwann unterbricht er seinen Monolog und ruft "Cut!". Die Kamera gehorcht dieser Aufforderung zwar nicht sofort, aber doch nach ein paar Sekunden. Dieser spezielle Ethos des Blicks ist dem Film mindestens ebenso wichtig wie eventuelle Erkenntnisgewinne.
Sodas Kamera macht keinen Unterschied zwischen Patienten und Pflegekräften. Ob damit nun, wie wohl mancher behaupten wird, unbedingt der Unterschied zwischen psychisch erkrankten und gesunden Menschen infrage gestellt werden soll, möchte ich bezweifeln. Das sähe für mich eher so aus, als wolle man eine europäische Diskussion von außen auf diesen Film pfropfen. Eher geht es darum - und das sagt der Film auch recht explizit - den Sichtschutz zwischen dem funktionierenden Japan und dem Japan, das aus dem Takt geraten ist, niederzureißen, einen Sichtschutz, der nur schützen kann, weil er selbst ebenfalls unsichtbar ist. Ein Großteil dieses Sichtschutzes ist rein materiell-ökonomischer Natur. Und insbesondere dieser Teil des Sichtschutzes gelangt in Mental sehr eindrucksvoll ans Tageslicht.
Sodas Erstling, Campaign, war 2007 im Forum zu sehen und portraitierte Wahlkampf eines von den innerparteilichen Machtstrukturen sichtlich überforderten Provinzpolitiker der japanischen Dauer-Regierungspartei LDP. Das neue Werk heißt Mental und widmet sich einer ambulanten psychiatrischen Klinik in Okayama.
Eine kleine Klink ist das, ein Privatunternehmen, das hauptsächlich von einem einzigen Arzt und seinem Idealismus gestemmt wird. Die Klinik ist die letzte Anlaufstelle für Intensivpatienten, die teilweise seit Jahren hospitalisiert sind und nicht mehr weiter wissen. Eine Patientin zeigt Soda ihre gigantische Medikamentenpalette. An die hundert Tabletten für einen einzigen Tag.
Soda portraitiert einige Miniunternehmen, die von der Klinik gegründet wurden und den Patienten nicht nur eine regelmäßige Beschäftigung und damit einen strukturierten Tagesablauf ermöglichen sollen, sondern diesen gleichzeitig auch ein geringes Einkommen einbringen, welches sie bitter nötig haben. Immer wieder kommt in Mental das Gespräch auf Geld. Ein Patient meint einmal, das eben dieses Geld oft die beste Medizin für Psychiatriepatienten sei. Spätestens beim Anblick der ärmlichen Behausungen, in denen er und seine Leidensgenossen leben, ist man geneigt, ihm Recht zu geben.
Die ökonomischen Zwänge betreffen nicht nur die Patienten, sondern die gesamte Institution. Freimütig gestehen die Angestellten ein, dass die finanzielle Situation schwierig ist und dass sie selber mehr verdienen, als ihr Chef, dessen spärliches Gehalt unter Sozialhilfeniveau liegt. Schnell wird klar, dass Soda mit Mental primär keinen Film über Psychatrie in Japan im Allgemeinen gedreht hat, genauso wenig, wie Campaign ein Film über den japanischen Wahlkampf im Allgemeinen war. Zwar funktionieren beide Filme auch auf dieser Ebene, freilich war der Titelheld aus Campaign alles andere als ein typischer LDP-Politiker und noch weniger ist das portraitierte Krankenhaus in Mental ein typisches Beispiel für Psychiatrie in Japan. Mental ist getragen von einer tiefen Sympathie für den Gegenstand, für den alten Arzt, der in seinen Behandlungsgesprächen den Patienten immer wieder lustige Schematas ihrer Psyche bzw ihres Gesamten Lebenswegs aufzeichnet, einerseits und für die Patienten und ihre Geschichten andererseits.
Der Film verzichtet auf Abstraktionen, um den Dargestellten einen Rest an Subjektivität zu belassen durch ein nicht besonders ungewöhnliches, aber doch genau geplantes dokumentarisches Setting. Kazuhiro Soda taucht selber in seinen Filmen zwar auf der Tonspur, aber nicht im Bild auf. Die Anwesenheit der Kamera wird zwar selten thematisiert, sie wird jedoch auch nie zum Problem. Statt dessen positioniert sich die Kamera in kleinen Gesten zu ihrem Material. Wenn eine Patientin auf dem Hof vor der Klinik sitzt und erzählt, dass sie diesen Ort gerne aufsuche wegen den Bäumen über ihr, gleitet der Kamerablick sanft nach oben in ihre Blickrichtung, in Richtung der Bäume. Ein anderer Patient inszeniert eine kleine Show für die Kamera. Er erzählt poetische Anekdoten und unternimmt hhilosophische Exkurse. Irgendwann unterbricht er seinen Monolog und ruft "Cut!". Die Kamera gehorcht dieser Aufforderung zwar nicht sofort, aber doch nach ein paar Sekunden. Dieser spezielle Ethos des Blicks ist dem Film mindestens ebenso wichtig wie eventuelle Erkenntnisgewinne.
Sodas Kamera macht keinen Unterschied zwischen Patienten und Pflegekräften. Ob damit nun, wie wohl mancher behaupten wird, unbedingt der Unterschied zwischen psychisch erkrankten und gesunden Menschen infrage gestellt werden soll, möchte ich bezweifeln. Das sähe für mich eher so aus, als wolle man eine europäische Diskussion von außen auf diesen Film pfropfen. Eher geht es darum - und das sagt der Film auch recht explizit - den Sichtschutz zwischen dem funktionierenden Japan und dem Japan, das aus dem Takt geraten ist, niederzureißen, einen Sichtschutz, der nur schützen kann, weil er selbst ebenfalls unsichtbar ist. Ein Großteil dieses Sichtschutzes ist rein materiell-ökonomischer Natur. Und insbesondere dieser Teil des Sichtschutzes gelangt in Mental sehr eindrucksvoll ans Tageslicht.
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Tuesday, January 13, 2009
Berlinale 2009: Calimucho, Eugenie Jansen, 2008
Filme, die ihre eigene Form halb reflektieren, sind manchmal ärgerlicher als solche, die dies ganz unterlassen. Der holländische Wanderzirkusfilm Calimucho findet für seine festivaltypische Mischung aus Zeichen des Dokumentarischen und des Fiktionalen genau eine halbwegs originelle Trope: Zunächst zeigt der Film eine scheinbar neutral beobachtende Totale, dann tritt im Vordergrund eine Figur ins Bild mit dem Rücken zu Kamera und diese heftet sich dann dieser Figur an die Fersen, erkundet den zuvor etablierten Raum in unsicheren, nervösen Bewegungen, die von ferne an Rosetta erinnern. Beim ersten Mal ist diese Idee tatsächlich halbwegs wirkungsvoll, wenn ein Zirkusangestellter sich dem Oberklassewagen des Zirkusbesitzers nähert, der von dieser Näherung sichtlich wenig begeistert ist. Beim dritten Mal ist dieselbe Technik freilich schon deutlich weniger effektiv.
Vor allem aber gibt es für jede dieser Szenen zehn andere, in denen Jansen einfach nur in Großaufnahme die Laienhaftigkeit ihrer Darsteller ausstellt und mit aufgedrängten Intimitäten auf die Nerven geht. Und zusätzlich hält der Film, von dem mir niemand erklären kann, was er auf einem auch nur halbwegs ambitionierten Festival zu suchen hat, es für nötig, seine Erzählung, die sehr vage nicht nur mit zerbrochenen Familien, sondern auch mit Rassismus zu tun hat, aber das ist eigentlich egal, selbstreflexiv zu brechen, indem er sie von einer Schlagerkapelle kommentieren lässt. Das alles trieft neben allem anderen, was man dem Film vorwerfen kann und muss, auch noch vor berechnender Lakonie (alles Dokumentarische verschwindet in Lakonie, alles Fiktionale in gefakter Intimität), die darin gipfelt, dass die Hauptfigur der Schlagerkapelle am Ende den Strom abdreht. Mit dem Film würde man schon weitaus früher gerne genauso verfahren.
Vor allem aber gibt es für jede dieser Szenen zehn andere, in denen Jansen einfach nur in Großaufnahme die Laienhaftigkeit ihrer Darsteller ausstellt und mit aufgedrängten Intimitäten auf die Nerven geht. Und zusätzlich hält der Film, von dem mir niemand erklären kann, was er auf einem auch nur halbwegs ambitionierten Festival zu suchen hat, es für nötig, seine Erzählung, die sehr vage nicht nur mit zerbrochenen Familien, sondern auch mit Rassismus zu tun hat, aber das ist eigentlich egal, selbstreflexiv zu brechen, indem er sie von einer Schlagerkapelle kommentieren lässt. Das alles trieft neben allem anderen, was man dem Film vorwerfen kann und muss, auch noch vor berechnender Lakonie (alles Dokumentarische verschwindet in Lakonie, alles Fiktionale in gefakter Intimität), die darin gipfelt, dass die Hauptfigur der Schlagerkapelle am Ende den Strom abdreht. Mit dem Film würde man schon weitaus früher gerne genauso verfahren.
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Wednesday, January 07, 2009
Battlestar Galactica 4.10
Die Schlusssequenz des mid season finals der vierten und letzten Staffel einer der großartigsten Fernsehserien unserer Zeit gehört zu den ganz großen Wundern des Erzählfernsehens. Ich kann hier keine Einzelheiten beschreiben, denn jede solche wäre zwangsläufig angesichts der Bedeutung der Szene für das Gesamtwerk ein riesengroßer Spoiler.
Der besondere Reiz dieser Sequenz liegt glaube ich darin, dass in ihr die Erzählung für einen kurzen Moment fast zum Stillstand kommt, dass aber die kleinen, präzisen narrativen Marker, die doch gesetzt werden, in den gigantischen Tiefen der Gesamterzählung multiple Resonanzen auslösen. Im hypernarrativen Erzählfernsehen neuerer Art (manch einer spricht in Bezug auf Lost oder auch BSG nicht unbegründet von Narration als special effect) stellen solche narrative Leerstellen eine Attraktion ganz besonderer Art dar und paradoxerweise erreicht die Erzählkunst des Quality TV gerade in ihnen ihre größte Brillianz.
Die vielleicht immer noch großartigste Leerstelle dieser Art findet sich natürlich am Ende der allerletzten Sopranos-Episode. Die Entsprechung in BSG 4.10 weist, wie die gesamte Serie, nicht ganz dieselbe kühl analytische Brillianz auf (und ist auch in keiner Weise zynisch), hat aber mindestens ebensoviel emotionalen impact.
Am 16.1. startet dann die zweite Hälfte der vierten Staffel, im Sommer folgt noch ein Fernsehfilm. Ab ende nächster Woche werde ich selber mich wieder auf die Flucht vor Spoilern begeben müssen, denn da ich gerade bei dieser Serie nicht auf suboptimale Formate zurückgreifen möchte, werde ich auf die DVD warten und die erscheint frühestens Ende des Jahres.
Der besondere Reiz dieser Sequenz liegt glaube ich darin, dass in ihr die Erzählung für einen kurzen Moment fast zum Stillstand kommt, dass aber die kleinen, präzisen narrativen Marker, die doch gesetzt werden, in den gigantischen Tiefen der Gesamterzählung multiple Resonanzen auslösen. Im hypernarrativen Erzählfernsehen neuerer Art (manch einer spricht in Bezug auf Lost oder auch BSG nicht unbegründet von Narration als special effect) stellen solche narrative Leerstellen eine Attraktion ganz besonderer Art dar und paradoxerweise erreicht die Erzählkunst des Quality TV gerade in ihnen ihre größte Brillianz.
Die vielleicht immer noch großartigste Leerstelle dieser Art findet sich natürlich am Ende der allerletzten Sopranos-Episode. Die Entsprechung in BSG 4.10 weist, wie die gesamte Serie, nicht ganz dieselbe kühl analytische Brillianz auf (und ist auch in keiner Weise zynisch), hat aber mindestens ebensoviel emotionalen impact.
Am 16.1. startet dann die zweite Hälfte der vierten Staffel, im Sommer folgt noch ein Fernsehfilm. Ab ende nächster Woche werde ich selber mich wieder auf die Flucht vor Spoilern begeben müssen, denn da ich gerade bei dieser Serie nicht auf suboptimale Formate zurückgreifen möchte, werde ich auf die DVD warten und die erscheint frühestens Ende des Jahres.
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Sunday, January 04, 2009
Susuz yaz, Metin Erksan, 1964
Susuz yaz, Metin Erksan, 1964
Osman und Hassan, ein Brüderpaar in der Türkei, auf dem Land. Es geht um Wasser und um eine Frau. In welcher Reihenfolge, das wird nie ganz geklärt.
Das Wasser entspringt vom herrschaftlichen Grundstück der beiden Brüder und fließt von dort weiter in das Tal herunter, wo die Bauern aus dem Dorf ebenfalls ihre Felder bewässern müssen. Nun stellt sich die Frage, ob das Wasser Allgemeingut ist, oder ob die Brüder ein Besitzrecht haben. Die Obrigkeit schafft keine Klarheit, im Grunde geht es auch nicht um juristische Differenzierung, sondern um eine harte Opposition: Auf der einen Seite stehen die (nach eigenem Bekunden) trägen, hilflosen Feldarbeiter, die sich mit dem begnügen, was sie vorfinden und lediglich den Status quo bewahren wollen, auf der anderen Seite steht Osman, dem die Natur eine immer schon formbare ist, Material, das es zu bearbeiten - und vor allem sich anzueignen gilt. Eine quasifeudale Ordnung trifft auf einen Protokapitalisten.
Osmans Bruder Hassan, ein verträumter Idealist, würde gerne Frieden schließen mit den übrigen Bauern, doch sein Bruder lässt ihn nicht. Dafür bekommt Hassan die Frau, Bahar. Mithilfe von Osman entreißt er sie einer Familie aus dem Dorf, die sich genauso wenig dagegen zu wehren vermag, wie die Bauern etwas gegen den Staudamm anrichten können, den Osman ihnen vor die Nase gesetzt hat und der ihnen ihre Lebensgrundlage zu entziehen droht. Um die Besitzrechte an Bahar und an dem Wasser hinter dem Staudamm geht es dann immer wieder und in immer neuen Konstellationen.
Freilich wandelt sich Osmans Energie, sobald Hassan und Bahar sich fast vor seiner Nase miteinander vergnügen. Osman selbst ist Witwer und die ungeheure Energie, mit der er seinen Hof gegen die Dorfbewohner verteidigt, wird immer deutlicher umkodiert zur Kompensation sexueller Frustration. Einmal schneidet Erksan, der nicht nur in dieser Szene mit bunuelscher Präzision zu Werke geht, direkt vom neidischen Schlüssellochblick Osmans zur nächsten Szene, in der er mit einer Axt auf einen Baum eindrischt.
Erol Tas spielt seine Paraderolle, den Bösewicht, voller Innbrunst und lässt keinen Exzess aus, nicht einmal (freilich nur dezent angedeutet) Sodomie. Nach einem Schlangenbiss findet er schließlich eine Möglichkeit, zu Bahar vorzustoßen:
Osman und Hassan, ein Brüderpaar in der Türkei, auf dem Land. Es geht um Wasser und um eine Frau. In welcher Reihenfolge, das wird nie ganz geklärt.
Das Wasser entspringt vom herrschaftlichen Grundstück der beiden Brüder und fließt von dort weiter in das Tal herunter, wo die Bauern aus dem Dorf ebenfalls ihre Felder bewässern müssen. Nun stellt sich die Frage, ob das Wasser Allgemeingut ist, oder ob die Brüder ein Besitzrecht haben. Die Obrigkeit schafft keine Klarheit, im Grunde geht es auch nicht um juristische Differenzierung, sondern um eine harte Opposition: Auf der einen Seite stehen die (nach eigenem Bekunden) trägen, hilflosen Feldarbeiter, die sich mit dem begnügen, was sie vorfinden und lediglich den Status quo bewahren wollen, auf der anderen Seite steht Osman, dem die Natur eine immer schon formbare ist, Material, das es zu bearbeiten - und vor allem sich anzueignen gilt. Eine quasifeudale Ordnung trifft auf einen Protokapitalisten.
Osmans Bruder Hassan, ein verträumter Idealist, würde gerne Frieden schließen mit den übrigen Bauern, doch sein Bruder lässt ihn nicht. Dafür bekommt Hassan die Frau, Bahar. Mithilfe von Osman entreißt er sie einer Familie aus dem Dorf, die sich genauso wenig dagegen zu wehren vermag, wie die Bauern etwas gegen den Staudamm anrichten können, den Osman ihnen vor die Nase gesetzt hat und der ihnen ihre Lebensgrundlage zu entziehen droht. Um die Besitzrechte an Bahar und an dem Wasser hinter dem Staudamm geht es dann immer wieder und in immer neuen Konstellationen.
Freilich wandelt sich Osmans Energie, sobald Hassan und Bahar sich fast vor seiner Nase miteinander vergnügen. Osman selbst ist Witwer und die ungeheure Energie, mit der er seinen Hof gegen die Dorfbewohner verteidigt, wird immer deutlicher umkodiert zur Kompensation sexueller Frustration. Einmal schneidet Erksan, der nicht nur in dieser Szene mit bunuelscher Präzision zu Werke geht, direkt vom neidischen Schlüssellochblick Osmans zur nächsten Szene, in der er mit einer Axt auf einen Baum eindrischt.
Erol Tas spielt seine Paraderolle, den Bösewicht, voller Innbrunst und lässt keinen Exzess aus, nicht einmal (freilich nur dezent angedeutet) Sodomie. Nach einem Schlangenbiss findet er schließlich eine Möglichkeit, zu Bahar vorzustoßen:
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Top 20 + 1
1 Death in the Land of the Encantos (Lav Diaz)
2 Melancholia (Lav Diaz)
3 Le voyage de ballon rouge (Hou Hsiao-hsien)
4 Serras da desordem (Andrea Tonacci)
4 United Red Army (Wakamatsu)
5 La mujer sin cabeza (Lucrecia Martel)
6 We Own the Night (James Gray)
7 Aleksandra (Alexander Sokurov)
8 Profit Motive and the Whispering Wind (John Gianvito)
9 La frontiere de l'aube (Philippe Garrel)
10 RR (James Benning)
11 Jerichow (Christian Petzold)
12 Le silence de Lorna (Dardennes)
13 Manila in the Claws of Darkness (Khavn) added attraction: performance cum Publikumsbeschimpfung by Olaf Möller @ Viennale
14 Gomorrah (Matteo Garrone)
15 L'heure d'ete (Olivier Assayas)
16 Step Brothers (Adam McKay)
17 Night and Day (Hong Sang-soo)
18 Jumper (Doug Liman)
19 Like a Dragon (Takashi Miike)
20 Mad Detective (Johnny To)
Deutschlandstart Top 10
1 We Own the Night
2 RR
3 Le silence de Lorna
4 Gomorrah
5 Step Brothers
6 Jumper
7 You Don't Mess With the Zohan (Dennis Dugan)
8 Cassandra's Dream (Woody Allen)
9 Before the Devil Knows You're Dead (Sidney Lumet)
10 National Treasure: Book of Secrets (Jon Turteltaub)
Unerträglich:
1 Little Miss Sunshine
2 Free Rainer
3 Fast Food Nation
4 Red Road
5 mehr und mehr auch: Paranoid Park
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6 We Own the Night (James Gray)
7 Aleksandra (Alexander Sokurov)
8 Profit Motive and the Whispering Wind (John Gianvito)
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10 RR (James Benning)
11 Jerichow (Christian Petzold)
12 Le silence de Lorna (Dardennes)
13 Manila in the Claws of Darkness (Khavn) added attraction: performance cum Publikumsbeschimpfung by Olaf Möller @ Viennale
14 Gomorrah (Matteo Garrone)
15 L'heure d'ete (Olivier Assayas)
16 Step Brothers (Adam McKay)
17 Night and Day (Hong Sang-soo)
18 Jumper (Doug Liman)
19 Like a Dragon (Takashi Miike)
20 Mad Detective (Johnny To)
Deutschlandstart Top 10
1 We Own the Night
2 RR
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5 Step Brothers
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8 Cassandra's Dream (Woody Allen)
9 Before the Devil Knows You're Dead (Sidney Lumet)
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