Eine ganz ganz vorsichtige Filmempfehlung: All diejenigen, die erstens wissen möchten, was aus dem Neuen Deutschen Film im Allgemeinen und dem Erbe Fassbinders im Besonderen geworden ist und zweitens einen Hang zum Abseitigen verspüren, sei Ulli Lommels (im allerweitesten Sinne) Neo-Noir Absolute Evil empfohlen. Lommel war Fassbinderweggefährte und -darsteller, seine frühe Regiearbeit Die Zärtlichkeit der Wölfe ist ein kleiner Klassiker des deutschen Films der Siebziger Jahre. In den Achtziger Jahren versank Lommel – nach dem erfolgreichen Mainstreamhorrorfilm The Boogeyman – in der Obskurität bzw in der Welt des Direct-to-video-Trashs, aus der er seither alle paar Jahre einmal wieder auftaucht. Zuletzt mit einem Daniel-Küblböck-Film, jetzt im Panorama der Berlinale.
Zunächst: Den vorangestellten Titel „für RWF“ sollte man erst einmal möglichst schnell vergessen.
Raf McCanee fährt mit einem glänzenden Sportwagen durch Amerika. Raf McCane ist ein Privatdetektiv, der ursprünglich angeheuert wurde, den Mann zu finden, der Savannah Millers (Carolyn Neff) Vater getötet hat. Oder so ähnlich. Wer genau sein Auftraggeber ist, spielt nicht wirklich eine Rolle. Wenn es überhaupt um etwas geht in diesem Film, dann um einen Gestus, der jeder narrativen Folgerichtigkeit vorgeordnet ist. Cooper Lee Baines heißt ihr Lover und gespielt wird er von einem Mann mit dem wunderbaren Namen Rusty Joiner.
Savannah hat den Mann, der ihren Vater getötet hat, schließlich selbst gefunden. Sie hat ihn dann aber nicht getötet, sondern sich in ihn verliebt. Eine ziemlich tolle C-Movie Romanze ist das und sie findet als solche vor allem in heruntergekommenen Motels statt. Dann tauchen finstere Gestalten auf mit Waffen in den Händen.
Möchte man Absolute Evil und seinen Regisseur Ulli Lommel etwas abgewinnen, so muss man sich zu allererst von Andrew Sarris' Diktum verabschieden: "A great director has to at least be a good director". Wenn Ulli Lommel ein auteur ist, dann nicht auf der Grundlage seiner handwerklichen Fähigkeiten.
Die Regie scheitert selbst in an sich übersichtlichen Situationen daran, eine klassische Actionsequenz in eine kohärente Serie aus Ursache-Wirkung-Relationen aufzulösen. Und die Kontinuitätsfehler machen auch vor der Hautfarbe der Hauptfigur nicht halt.
Sicherlich wäre es falsch, solche Schlampereien positiv zu wenden und als Stil stark machen zu wollen. Eher ist es vielleicht so, dass sich der Film um Kategorien des Handwerklichen schlicht und einfach nicht schert, dass da einer an seinem ganz privaten, kleinen Projekt arbeitet, das sich dann eher zufällig als Genrekino materialisiert hat.
Lommel erzählt seine an sich recht effektive Pulp-Geschichte auf die denkbar uneffektivste Art und Weise. Einerseits nimmt er ihre Auflösung vorweg, andererseits werden hinterher alle Plotpoints, die zu dieser Auflösung beitragen und die man schon im vorhinein blind konstruieren kann, fein säuberlich abgearbeitet. Diese scheinbare Unbeholfenheit schafft Raum für anderes.
Es gibt zunächst seltsame Investitionen in Nebenfiguren und -handlungen, die handlungstechnisch völlig überflüssig sind. Ein Polizist, der nur in einer einzigen Szene auftaucht, wird mit Rembrandt-Monografien, "The Newyorker"-Sammelbänden und Beethovens "Für Elise" auf der Tonspur mit dem Holzhammer als dekadenter Bildungsbürger nicht unbedingt diffamiert (dann wären diese Zeichen ja doch wieder auf die Handlung rückbindbar) sondern erst einmal nur gekennzeichnet, ohne dass aus dieser Kennzeichnung viel folgen würde. Später hält Lommel es für notwendig, einer Gruppe von Afroamerikanern eine Ghettoklischee-Biografie auf den Leib zu dichten: Früher waren sie Gangster, jetzt rappen sie lieber. Das bleibt ein Dialogsatz, die Jungs tauchen danach nie wieder auf.
Immer wieder tauchen in Absolute Evil derartig freischwebende Zeichen auf, Bilder und Dialoge, die nicht auf das zurückgebunden werden können, was Lommel durch sie zu erzählen vorgibt. Insofern ist der Film das genaue Gegenteil des klassischen B-Pictures, das sich ganz auf seinen narrativen Kern zurückzieht. Viele dieser Bilder und Dialoge sehen aus wie verschobene Archetypen des amerikanischen Genrekinos. Sorgfältig inszeniert fallen sie aus dem hölzernen Rest des Films heraus. Motels, Sonnenuntergänge, Sonnenbrillen, Highways, Hochglanz, Horizontlinien. Und natürlich David Carradine. Der sitzt im Rollstauhl und schwadroniert.
Was das alles soll? So direkt vermag ich das beim besten Willen nicht zu sagen. Aber irgendwo hinter all dem Chaos scheint sich eine nicht uninteressante Autorenposition zu verbergen. Und so habe ich zwar nicht unbändige Lust, aber doch ernsthaft Interesse bekommen, mich demnächst in der wunderbaren Welt des Ulli Lommel weiter umzutun.
4 comments:
bei den expeditionen ins lommel-land wäre ich auf jeden fall dabei!
grüße
thomas
DANIEL DER ZAUBERER, ein verstecktes Kleinod, ein Leckerbissen für jeden Cineasten. Ich besitze sogar die DVD.
Absolute Evil werde ich mir wohl auch noch anschauen müssen.
Muss sagen, dass ich wirklich und wahrhaftig und jetzt mal ganz im Ernst -luftanhalten- Daniel der Zauberer ziemlich gut fand. Daher danke für deine, wenn auch zurückhaltende, Empfehlung von lommelsjüngstem Streich.
Ich besitze wirklich die DVD!
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