"Don't close that door until i get over to that window", sagt Steve McQueen / Tom Horn zum Sheriff. Sich an das letzte verbleibende Stück Freiheit klammern; während der paar Schritte durch die Zelle die Freiheit im Rücken haben, nicht das Gitter. Das Fenster ist natürlich auch vergittert. Und es hat ein ähnliches Format wie die Cinemascope-Leinwand. Kino als Ersatz für die verlorengegangene Erfahrung der ganzen Welt, der Blick ist immer schon melancholisch, artikuliert immer schon ein "zu spät". Ein Gedanke: Wenn es noch Einlasser vor den Kinosälen gäbe (in der Türkei zum Beispiel gibt es sie noch), könnte man sie auch bitten: "Schließen Sie nicht die Tür, bevor der Film angefangen hat". So wie es ist, ist man verdammt dazu, einige Minuten reizdepraviert im Dunkel auszuharren. Der moderne Mensch allerdings ist kein Tom Horn, er kommt damit klar, wenn die Welt ausgesperrt wird. Er hat kein wirkliches Sehnsuchtsverhältnis mehr zur Welt und setzt sich deswegen im Kino nach hinten, hält Abstand, will die Leinwand auch nicht mehr so recht als Welt nehmen, interessiert sich nicht für das, was am Kino Freiheit ist, sondern erfreut sich an deren Einschränkungen (schaut Tom Tykwer und Lars von Trier statt Malick). Tom Horn säße im Kino immer in der ersten Reihe.
Ein eleganter Spätwestern, inszeniert von einem Fernsehroutinier, dem Hauptdarsteller sieht man in seinem zweitletzten Filmauftritt seine schwere Krankheit an. Neues zu erzählen hat Tom Horn nicht, aber vielleicht hat mir gerade das gefallen: kein Versuch, einen letzten großen Western zu drehen. Statt dessen: noch einmal einen kleinen Western drehen, als ginge das noch, als gäbe es noch eine Kontinuität, in die man sich einschreiben könne. Mit Figuren, die etwas verloren in der Cinemascope-Prärie herumstehen, mit einigen herben Blutspritzern und einem Filmende, das Robert Bresson nicht schlüssiger hätte inszenieren können. Der Tod ist mechanisch berechnet, Erlösung bringt nur die Schrift, beziehungsweise die Geschichtsschreibung.
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Steve McQueen mag der "king of cool" sein, aber er ist nicht nur in diesem Film (fast noch mehr zB in seinem allerletzten, dem ansonsten freilich deutlich schwächeren The Hunter) auf seltsam uncoole Art cool. Amerikanische Kino-Coolness (siehe zum Beispiel auch Eastwood, etwa in Bronco Billy, einem anderen sehr schönen 1980er-Film, aber auch in Buddy van Horns dilletantischer Proll-Komödie Any Which Way You Can) ist immer unrein, der Souveränität ist anzusehen, dass sie antrainiert ist, dass sie in jeder Szene neu aktualisiert werden muss, dass sie eine tiefer liegende Unsicherheit verbirgt, die doch immer wieder, in kleinen Gesten und Bewegungen, hervorbricht. Ich habe die amerikanische Film-Coolness viel lieber als die europäische; die ist zwar bei der amerikanischen abgeschaut (Melville, Delon), aber nur als Effekt; sie erstarrt in der Tendenz zur Pose. Auch die Pose kann brüchig werden, aber durchsichtig wird sie dann nur auf ihre filmische Inszenierung, mit dem Star selber und mit seinem Körper hat diese Art von Coolness von Anfang an wenig zu tun (deswegen ist Eastwood auch selbst in seinen schwächeren eigenen Filmen ein besserer Schauspieler als bei Leone).
1 comment:
Zu den Beobachtungen zur Coolness. Vor Bologna hätte ich der Unterscheidung US/europäische Coolness wohl so zugestimmt, Mastroianni etwa in "L'assassino" aber auch in den Antonioni-Filmen scheint mir dem aber zu widersprechen. Gerade in den Filmen der späten 1950er, frühen 1960er Jahre scheint er mir beinahe der coolste europäische Schauspieler zu sein. Viel schauspielerischer als Delon und auf keine so proletarische Maskulinität festgelegt wie Belmondo. Die Mastroianni-Linie setzt sich in gewisser Weise mit anderen hervorragenden Schauspielern des italienischen Films fort, allen voran Gian Maria Volonté.
Ist die Linie also vielleicht US-Coolness vs. french Coolness? Oder ist das italienische Kino ein Ausreißer? Das deutsche Kino, das außer Buchholz und Frank nicht viel zu Coolness zu sagen hat, ist da meines Wissens wenig hilfreich für die Antwort...
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