Dass Alan J. Pakula nach seiner Paranoia-Trilogie (Klute, The Parallax View, All the President's Men) nur noch uninteressante Konfektionsware gedreht habe, ist ein, scheint mir, weitverbreitetes Vorurteil, das dringend überdacht oder wenigstens überprüft werden sollte. Rollover ist sicherlich nicht sein bester Film, aber einer, der eines ganz sicher nicht ist: glatt. Vielleicht der inoffizielle vierte Paranoiafilm, das Basstardkind der kanonischen Pakula-Filmografie, das auf dem Dachboden wohnt und dort eingeschlossen wird, wenn Besuch kommt.
Ein eiskalter, modernistischer Hochfinanzthriller, ernsthaft und von nicht geringer Komplexität, viele Fachbegriffe aus der Börse spielen eine Rolle, sie werden so ausführlich erläutert, dass der Laie mitkommt, aber auch so zügig, dass er sich ein wenig anstrengen muss. Im Grunde wird im Film eine von Anfang an ziemlich abstrakte Problematik auf eine noch abstraktere abgeleitet. Zunächst hat eine Bank finanzielle Schwierigkeiten, ein großer Firmenzusammenschluss ebenfalls, gemeinsam wollen sie sich mithilfe einer Investition in eine "spanische Fabrik" (die natürlich nicht ein einziges Mal tatsächlich im Film auftaucht - Rollover spielt fast ausschließlich in verglasten Hochhäusern und den entsprechenden Appartments) gesunden. Gleichzeitig geschieht ein Mord, der am Ende auf das eigentliche Problem verweist: den instabilen Dollarkurs. Der von Schein und Münze abstrahierte Geldwert steht hinter den Intrigen des Films.
Bank und Firmenzusammenschluss werden personalisiert und schließlich durch eine Romanze zusammengebunden, aber schon das Casting verhindert, dass aus den Personalisierungskonventionen des narrativen Spielfilms eine individualisierende Reduktion abstrakter Zusammenhänge folgt: Kris Kristofferson (ohne Bart erst kaum zu erkennen, aber die tiefe, kalt dröhnende Stimme verrät ihn umso nachdrücklicher) und Jane Fonda ("an ex-movie-star, coastin into the sunset" - doppelt gestählt durch Kulturindustrie und Hochfinanz) erstarren in Posen selbst noch in der Verführungsszene, passen sich perfekt ein in die abstrakten Räume, durch die sie sich bewegen. Nicht Mensch gegen System, sondern zwei gut funktionierende Räder eines Systems, die erkennen müssen, dass ihr altes, verhältnismäßig übersichtliches System längst in ein anderes, komplexeres kollabiert ist, in eines, das sich um seine Räder weitaus weniger schert und das nicht mehr personalisiert, höchstens mit ein paar rassistischen Klischees (die Araber sind schuld) angedeutet werden kann. Dass es kein Außen mehr gibt, wird in Rollover nicht mehr, wie in The Parallax View, in großen modernistischen Gesten offenbar, es ist von Anfang an Voraussetzung von Plot und Schauspiel; auch von der Bildästhetik: immer wieder die Hochhäuserfronten bei Nacht, die geordneten Lichterreihen, die auf den Abstraktionsprozess und seinen technischen Agenten, das Digitale verweisen.
Ein sonderbarer Film ist Rollover: Kalte, harte Finanzmechanik in ökonomischen Einstellungen, dazwischen immer wieder stilistische Exzesse, ein Mord, der Argento abgeschaut sein könnte, Plansequenzen wie bei De Palma, zwei lange Schwenks über die New Yorker Börse, komplex gebaut ist vor allem die zweite, die Kamera dreht sich zweimal um die eigene Achse und zeigt zwei völlig unterschiedliche Szenarien. Am Ende zehn Minuten "Revolution", das System bricht zusammen, Roosevelts depression-speech wird zitiert, es kommt doch noch zu einer Versöhnung, die fast wieder die ist von Herz und Hirn, das einzige wirklich falsche Bild in Rollover ist das allerletzte. Ich weiß noch nicht so recht, wie sehr es dem gesamten Film schadet.
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