Monday, January 16, 2012

streng subjektiv

Im Folgenden der Versuch, eine facebook-Diskussion über Synchronisierung vs Untertitelung (leicht editiert für thematische Kohärenz und Lesbarkeit) in das offenere Blog-Format zurückzuführen. C und A sind Christoph und Andreas von den Eskalierenden Träumen. Ich selbst (L) vertrete, fürchte ich, eine etwas penetrant dogmatische Position. I can't help myself, sometimes.

C: Dennoch steht bisher ein monumentaler Aufsatz über die Vorzüge von Synchronisation (weit über den einzelnen Aspekt Brandtscher Verdrehungen hinweg) auf Eskalierende Träume aus. Ich habe gestern MALOMBRA gesehen, ein italienisches Melodram aus den 40iger Jahren. Niemals hätte ich das synchronisiert sehen wollen, und doch sehnte ich mir ständig eine Synchronisation (oder meine in der nahen Zukunft zu erwerbenden Italienisch-Kenntnisse) herbei. Filme in Vollbild sind es, die mit Untertiteln im, hm, "Heimkino" am meisten verlieren. Auch mit jahrelanger Untertitel-Routine im Gepäck.

L: dann muss man die untertitel solange auswendig lernen, bis man sie auswendig und deshalb abschalten kann (nicht, dass ich das schon einmal gemacht hätte, aber bei ozu gerate ich schon in versuchung). synchro = ein verbrechen. ausnahmen gibt es da keine.
‎"die einzige rechtfertigung für synchronisation (statt untertitelung) ist analphabetismus des publikums" habe ich einmal irgendwo gelesen. so weit (und es gibt ja kontexte, in denen das auch heute noch relevant ist) würde ich das natürlich auch einschränken wollen.

C: Wir sind schlussendlich offenbar beide sehr gefestigt in unserer Haltung dazu: Für dich ist Synchronisation grundsätzlich ein Verbrechen, für mich ist sie als grundsätzlich zweite Wahl nach der Originalfassung - sofern sich eine solche determinieren lässt, siehe "Europudding" der 60iger und 70iger Jahre - mit diversen kleinen Einschränkungen [eine gewisse Qualität wird etwa heutzutage generell nicht mehr erreicht] eine Option. Besonders dann, wenn sie mir seltene, nicht in untertitelten Fassungen erhältliche Filme zugänglich macht, möglicherweise sogar auf 35mm (ich habe viele Kinosichtungen in der Vergangenheit einzig und allein der Existenz deutscher Verleihfassungen zu verdanken - Filme, die ich sonst vielleicht nie so hätte sehen könne). Eine Synchronisation kann darüber hinaus bisweilen auch eine Belobigung als eigenes Kunstwerk rechtfertigen, wenn sie die spezifischen Qualitäten eines Films kongenial [streng subjektiv betrachtet, natürlich] ins Unermessliche übersteigert.

A: Mal ganz abgesehen von vielen Detailfragen, die mir schon bei diesem "Untertitel statt Syncho"-Punkt (den ich in der Regel und bei aktuellem Kino sogar sehr extrem teile, aber aus diversen Bedenken heraus keinesfalls so dogmatisch sehe) in den Sinn kommen, nur ein Aspekt: diese dogmatische Synchro-Ablehnung scheint mir stark auf einer grundsätzlich auteuristischen Kinosicht zu basieren, die mir persönlich zu vieles ausklammert. Es gibt eben nicht immer die finale künstlerische Vision, die gewahrt werden muss. Was ist mit Patchwork-Filmen, internationalen Ko-Produktionen (s. Christophs "Europudding"), schlichtweg Filmen ohne Originalton? Oder einem vermeintlichen "Originalton", der aber keiner künstlerischen Überwachung entspringt, sondern nur eigenhändiger liebloser Pfusch eines Auftragsstudios ist, der wiederum von versierten Synchronstudios zumindest in früheren Tagen mühelos in den Schatten gestellt wurde?
Was spricht eigentlich überhaupt dagegen, Synchronisation im Optimalfall nicht einfach auch als eigenständige künstlerische Schöpfung jenseits des Ausgangswerkes zu sehen? Und um nochmal auf das "auteuristische" zu kommen: wie geht man dann z.B. mit einer kolportierten Anekdote um, derzufolge am Set eines Spencer/Hill-Films die Beteiligten auch einfach irgendwann mal gar nicht mehr Dialoge gesprochen, sondern nur noch wahllos die Lippen bewegt haben, mit Verweis darauf, dass "es der Rainer in Berlin schon richten wird". Spätestens, wenn spezifischer sprachlicher Ausdruck gar nicht mehr fester oder von den Schöpfern offenkundig nicht als relevant erachteter Bestandteil eines Films ist, scheint mir eine dogmatische Synchro-Ablehnung (oder jedenfalls ihr Sinn und ihre vermeintlich unanfechtbare Legitimation) sehr in Frage gestellt. Das sind jetzt nur wenige angerissene Punkte. Ich hatte auch anlässlich eines wunderschönen Erlebnisses mit der massiv "verfälschten" deutschen Fassung von "Snuff" (aka "American Cannibale") im STB bereits mal versucht, die Thematik aus dieser Perspektive etwas anzureißen. Aber es steht da wohl tatsächlich noch ein tiefgreifenderer Grundsatztext aus, wie mir scheint.

L: naja, ein bisschen differenziere ich da auch: einen japanischen oder chinesischen film würde ich nie im leben synchronisiert sehen, selbst dann nicht, wenn mir dann ein meisterwerk für immer vorenthalten bliebe, bei den von anfang an ohne originalton gedrehten italienischen sachen finde ich es weniger schlimm - aber nur ein bisschen. ich möchte niemand die freude an synchros nehmen, ich kann mir auch noch andere gründe vorstellen, sie verteidigen zu wollen, zb biografische prägung, die in einer vorliebe für einzelne synchronsprecher oder eine art von synchronisierung resultiert. das ist alles völlig legitim, als kulturindustrielle praxis (im gegensatz zu kunstpraxis: natürlich gibt es großartige möglichkeiten, nichtoriginalen ton im film einzusetzen) bleibt synchronisation dennoch ein verbrechen.
mit auteurismus hat das meiner meinung nach nichts zu tun, sprache ist ja nicht nur sprache des auteurs, sondern einer ganzen kultur und auch wieder jedes einzelnen menschen, ob das nun der auf der leinwand ist oder ein anderer im tonstudio. wenn jemand auf die idee käme, auf der bildebene dasselbe zu machen (zb die gesichter in japanischen oder afrikanischen filmen umfärben, das dürfte digital ja kein problem mehr sein) wäre das geschrei groß - zurecht.das einzige, was in die richtung geht, ist nachträgliches einfärben von s/w-filmen, selbst das finde ich persönlich nicht so schlimm wie synchro. das mit den terrence hill filmen macht es für mich nur schlimmer: wenn filme von anfang an mit blick auf ihre verwurstung in deutschen synchronstudios gedreht werden, macht diese nicht mehr nur den deutschen kinomarkt, sondern das kino selbst kaputt.

A: Ich bin da in einer sehr ambivalenten Position, weil ich fast alle deiner Punkte völlig teile (gerade asiatische und erst recht neuere Filme ertrage ich in Synchro i.d.R. überhaupt nicht und meide sie konsequent, mit ein paar 60er/70er-Jahre-Ausnahmen; aber etwa auch Tsui Harks SÖLDNER KENNEN KEINE GNADE ist mir von einer üblen Quassel-Synchro völlig kaputt gemacht worden), und Synchros eben wirklich nur unter sehr speziellen Gesichtspunkten und eigentlich auch nur sehr speziellen Bereichen (v.a. 60er/70er Exploitation) verteidigen würde. Mitunter eben genau an den Punkten, in denen Film mehr oder weniger offensichtlich gar nicht als künstlerischer Ausdruck konzipiert ist (als solchen betrachten/rekonstruieren kann man ihn natürlich bis zu einem gewissen Punkt oder auch darüber hinaus trotzdem, klar). Wobei das sicherlich heikle Hill-Beispiel auch die Frage zulässt, ob es gerade bei so einer von vorn herein konzeptionellen Vorgehensweise nicht ein ähnlich legitimer Produktionsschritt ist, jemandem extern die Synchro anzuvertrauen, wie jemandem extern den Schnitt anzuvertrauen? Mir wird das mit "Verwurstung" etc. alles zu voreilig in vermeintlich eindeutige Zusammenhänge abgeschoben.
Warum Synchros bei Filmen ohne Originalton "nur ein bisschen weniger schlimm" sind bzw. worin der erhebliche Vorteil liegen soll bei einer "einheimischen" ebenfalls-Synchro, die trotz gleicher Sprache eben durchaus verfälschender sein kann, weil z.B. weniger am Dialogbuch orientiert, asychroner, andere Sprecher als Darsteller, andere Dialekte und so weiter - das erschließt sich mir nicht recht. Und gerade im Exploitationkino scheint mir Synchronisation eben im Optimalfall geradezu eine Komplementär-Funktion (warum nicht: erst schlachtet ein Film etwas aus, dann schlachtet ihn nochmal eine Synchro aus, formt daraus womöglich nochmal etwas neues, aufregenderes) einzunehmen, die etwas bergen und zur Geltung bringen kann, was durchaus im Film, in den Bildern angelegt ist, aber in einem wie auch immer gearteten "Original" noch nicht recht durchkommt. Der Gewinn durch Neu- und Komplementär-Kreationen kann in solchen Fällen den offenkundigen Verlust deutlich übersteigen, wie ich aus vielfacher Erfahrung zumindest in diesen sehr speziellen Bereichen für mich feststelle. Auch wenn das nicht der originären Funktion und Intention der Institution Synchro entspricht. Will sagen: d'accord, dass Synchronisation strukturell eine kulturindustrielle Praxis und Zurichtung von Kunstwerken ist.
Damit ist aber m.E. längst nicht alles über den Einzelfall gesagt, wo sie abgelöst davon ihrerseits gar als Kunstpraxis (or whatever) fungieren kann, wenn man den zugrunde liegende Film als 'found footage' und die Bearbeitung als experimentelle, DJ-artige Neugestaltung sieht. Das scheint den meisten offenbar nur denkbar, wenn es ein Experimentalfilmer mit erklärtem Kunstwillen macht. Vielleicht erlaube ich mir da eine zu romantische, naive Vorstellung (und natürlich massiv anti-intentionalistisch), die sich aber mit so mancher Seh- und Hörerfahrung deckt. Mir ist das also auch mit den leichten Differenzierungen noch klar zu absolut und zu pauschal.

C: Und trotzdem lässt der Materialfetischismus dich antik-steife Synchronfassungen alter Hollywood-Filme ertragen, Andi. Das ist eine *wirkliche* Zurichtung.

A: Häufig weniger als bei aktuellen Filmen, imho. Aber das ist dann wohl Präferenzenfrage. Das sind auch durchaus keine Fälle, wo ich Synchros an sich verteidigen wollte. Gewiss nicht, sie fungieren da rein als Notlösungen. Wobei du da eben schon einen Punkt aufwirfst (dass Synchro, die nun einmal eben da ist, rückwirkend auch so manchen Film erst zugänglich machen kann), der kürzlich bei Jochen anlässlich der Eurowestern im Zeughauskino aufkam. Ich glaube du hattest da nicht mehr geantwortet, Lukas, da würde mich aber schon interessieren, wie du die Situation siehst, wenn eben gerade in musealen und/oder geförderten Kontexten die sicherlich unumstrittene Leitlinie O-Bild-und-O-Ton (= OV/OmU-Filmkopie i.d.R.) nicht umsetzbar ist, weil der Film entweder einzig als synchronisierte Filmkopie oder nur auf anderem Medium verfügbar ist. Was tun? Strikt ganz bleiben lassen (schon in geförderten Kontexten wird man da auf manches verzichten müssen, in nicht geförderten Kontexten hingegen würde es Repertoire-technisch mit so einem Dogma in vielen Bereichen äußerst düster aussehen)? Sychronisierte Filmkopie? Oder wie dort im Fall von Leones 2. "Dollar"-Film auf OV-Blu-Ray ausweichen? Im Falle guter Kopie und nicht völlig inakzeptabler Synchro (beim "Dollar"-Film finde ich sie durchaus passabel) sehe ich eigentlich nur die Filmkopie als Option. Dort hat man zumindest O-Bild und damit ein Kino-arteigenes Medium, das sich nicht zuhause reproduzieren lässt. Schaue ich mir dann auch als Zuschauer ggf. gerne mal an. Blu-Ray hat zwar O-Sprache, aber weder O-Bild noch wirklich O-Ton, und ist obendrein komplett zuhause reproduzierbar. Wüsste ich als Zuschauer nicht, warum ich dafür ins Kino gehen sollte, gerade in musealem Kontext. Bei solchen konkreten Problemstellungen würde mich deine Position ja tatsächlich mal genauer interessieren.
Und was ich im vorigen Beitrag sagen wollte, ist, dass es neben dem Fall einer klarer Beschädigung durch Synchronisation (der Großteil) oder eines zwar beschädigenden, aber über Umwege doch wiederum manches hinüber rettenden Falls (früher häufiger, heute rar) es m.E. auch diesen dritten Fall gibt, zugespitzt: manchmal übersteigt die Kunst (or whatever) einer Synchronisation die Kunst eines Films. Eben gerade im Exploitation-Bereich. Ein öder Film wird plötzlich unterhaltsam oder unterhaltsamer. Eine inspirierte Synchro rettet einen uninspirierten Film. Ein unspektakulärer Film wird plötzlich mit strahlendem Irrwitz aufgeladen. Solche Fälle sind nicht die Regel, aber es gibt sie wiederum zu häufig, um sie zu ignorieren. Man muss sie nun auch nicht alle unbedingt mögen, klar. Film ist dann vielleicht auch nicht mehr geschlossenes System, sondern als Ergebnis ähnlich (ich polemisiere ein bisschen) Videokunst oder Performance ein Grenzgänger-Produkt. Man erfreut sich dann eben an einer Neubearbeitung statt eines "Originals" (bei Patchwork-Filmen etc. wird sowieso alles noch viel durchlässiger), warum nicht? Synchro als das, wozu sie installiert wurde, ist durchweg unerfreulich, d'accord. Mein Punkt ist nur, dass damit nicht auch jeder Einzelfall automatisch gleich unerfreulich ist, sofern man sich da jenseits der berechtigten Systemkritik auch für die einzelne Binnenperspektive öffnet.

L: ich denke, dass wir teilweise etwas aneinander vorbeireden, andreas, aber das wirst du vermutlich selbst gemerkt haben: wenn jemand sich (zb) exploitationfilme auf diese spezielle art wiederaneignen möchte, soll er das machen. ich selber habe bei den schrägen filmen oft genug deutsch synchronisierten schlock gesehen, aber darunter war noch nicht einen einzigen film, den ich nicht lieber im original gesehen hätte und ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, wie eine synchronspur auch nur theoretisch interessanter sein könnte als ein xbeliebiger film. vielleicht fehlt mir einfach der zugang zu dieser speziellen rezeptionsweise, ich gönne ihn aber jedem, der ihn findet. wo wir uns sicher unterschieden: für mich ist die sprachfassung fast immer wichtiger als mein eigener materialfetischismus. ich würde mir tatsächlich niemals einen hollywoodfilm (es sei denn ich muss, in pressevorführungen) oder einen japanischen film, den ich zu hause in was für einer schäbigen datei auch immer omu sehen könnte, im kino synchronisiert antun. nie wieder 35mm könnte ich mir viel eher vorstellen als ab jetzt nur noch synchro (wäre natürlich beides eine katastrophe...). das gilt, um auf deine frage zu sprechen zu kommen, auch für leone: niemals, da gehört die italienische sprache dazu, sonst könnte man gleich auch eastwood rausschneiden. was die zeughausreihe zu den eurowestern angeht, verstehe ich das sowieso nicht: es existieren durchaus eine ganze reihe ostblockwestern in omu-kopien, einige davon habe ich letztes jahr in rotterdam gesehen, ich kann mir auch kaum vorstellen, dass da wahnsinnig teure rechte drauf liegen. warum die da jetzt dieses defazeug abspielen ist mir ein rätsel. und zu den nachsynchronisationen: das betrifft ja nicht nur europudding und obskure exploitationfilme. das hongkongkino wurde noch bis weit in die neunziger fast komplett nachsynchronisiert, in italien wurden nicht nur abseitige genreproduktionen, sondern auch klassische autorenfilme en masse nachsynchronisiert. sind fellini- oder tsui-hark-filme in deutscher synchro dann also auch ok? für mich ist originalton ("die echte stimme des echten menschen") in der frage zweitrangig, es geht um die differenz der sprachen selbst, die man unbedingt respektieren muss.

A: Stimmt (re: vorbeireden), nachdem ich ursprünglich gar keine große Diskussion im Sinn hatte, bin ich gleich auf die Spezialfälle eingestiegen, die du wiederum als Rezeptionsweise, die eben nicht die deine ist, zugestanden hast. Ich schätze, da gibt es auch durchaus Überschneidungen zum weiter oben angesprochene "Trash"-Phänomen (wie gesagt aber entschieden abgegrenzt von einer rein herablassenden Betrachtung, die sich heute leider meist das Wort "Trash" einverleibt hat), die meines Wissen auch nicht dein Fall ist. Muss ja auch nicht, da kann letztlich eben keiner aus seiner Haut. Als ich jedoch kürzlich THE HARD WAY in deiner Sichtungsliste sah, der bei dir in OV scheinbar ziemlich mäßig weg kam, den Christoph und ich wiederum in Synchro aber sehr genossen haben, schien mir das unsere Tonspur-Wahl zu bestätigen, eben nach der Devise, den Zugang zu wählen, der den Film (dann eben nicht mehr als sowieso nie wirklich komplett existierende "originale Einheit" begriffen) am besten zur Entfaltung bringt. Was natürlich nicht heißt, dass er dir synchronisiert auch besser gefallen hätte. Das ist dann halt wirklich auch stark eine Frage des individuellen Zugangs.

Abseits solcher Spezialfälle wäre es mir zwar vermutlich auch lieber, wenn es Synchronisation nie gegeben hätte, da es sie aber nun eben gibt, wäge ich im Einzelfall schon oft zwischen verschiedenen Kompromissen ab. Bei jüngeren Filmen der letzten Jahrzehnte würde ich sofort mitgehen und verzichte da in der Tat lieber auf 35mm/O-Bild als auf O-Sprache und handhabe das ohnehin fast ausnahmslos so. Bei den 50er bis 80er Jahren halte ich die Trefferquote von akzeptablen, manchmal sogar sehr gelungenen Synchronisationen für deutlich höher. Und dann beginnt schon die Abwägung. Auch wenn ich Film tatsächlich (jenseits des Stummfilms) nicht als reine Bildkunst pauschalisieren wollte, nehme ich für das originale Bild in manchen Fällen gerne Abstriche bei Teilen des Tons (eben der Sprache) in Kauf. Insbesondere gilt das z.B. bei Filmen mit ohnehin sehr wenig Sprache oder nicht ohne weiteres reproduzierbaren Bildcharakteristiken (Technicolor, Agfacolor, 3D, 70mm usw.). Dass ich damit wohl in der Minderheit bin (und echte Synchro-Verfechter wiederum auch nochmal ganz anders argumentieren würden), zeigt ja im Grunde schon, dass der Begriff "OV" mit allergrößter Selbstverständlichkeit immer nur auf den Ton, im Grunde eben sogar nur die Sprache, bezogen wird. Da mag ich nun das Gegenextrem sein. Aber es gibt eben schon die Fälle, wo ein Film oder jedenfalls meine Rezeption durch nicht-originales/verfälschendes Bild stärker als durch nicht-originalen/verfälschenden Ton/Sprache beschädigt wird, und mir dann der Respekt vor dem Bild dem Respekt vor der Sprache wichtiger ist. Gerade eben auch in musealem Kontext, auch wenn es natürlich eine heikle und unerfreuliche Abwägung bleibt.

Der Leone ist aber wirklich ein interessanter Fall: ich bin mir gar nicht sicher, ob und was da überhaupt in irgendeiner Form als "Originalsprache" anzusehen wäre - das Zeughaus gibt, und zeigt ihn ja offenkundig genau deswegen nur digital, "engl. OF" an, auch auf den Heimmedien scheint er nur so verfügbar. Ein zwar vielleicht hinter der Kamera italienisch dominiertes, aber letztlich internationales Team dreht in italienisch-spanisch-deutscher Koproduktion mit englischsprachigem US-Hauptdarsteller und italienisch-, deutsch-, spranischsprachigen weiteren Darstellern in Spanien einen Film. Wo siehst du da den allein italienischen Eastwood begründet? In der Regie-Persona? Mir scheint da zu sehr eine nationale bzw. sprachräumliche Eindeutigkeit und Einordnung gesucht zu werden, die in einer derartigen Konstellation einfach nicht da ist. In solchen Fällen mag dann am Set jeder in seiner Sprache oder stumm agiert zu haben, und jedes Produktionsland stellt halt dann seine Sprachfassung her, oft eben (beim Leone weiß ich's nicht) ohne spezielle "künstlerische Überwachung" in einem der Länder. Gerade, wenn's dann richtig in die Fließbandproduktion geht, umso mehr.

Ganz ausgeklammert blieben bislang die Einschränkungen am Werk, die eben auch Untertitel vornehmen (und die ich trotz meiner eigenen eindeutigen Präferenz hinterfragenswert finde). Der nicht unerhebliche Eingriff ins Bild selbst, aber auch die damit einher gehende Manipulation des Zuschauerblicks. Und dann ist es natürlich auch einfach ein mitunter massiver Unterschied, ob man etwas hört und auch hörend versteht, oder zwar hört, aber sich erst durch paralleles Lesen erschließt. Nachdem ich in einer Kombination der bekannten Godard- und De-Palma-Zitate vermutlich dazu neige, dass Film "Wahrheit durch Lüge" ist, fände ich die Hypothese, dass durch den Umweg Synchronisation eben wieder das Verstehen/Erleben/Wirken durch Hören statt Hören/Lesen ermöglicht wird und man dadurch womöglich wieder näher an der ursprünglichen Wirkung dran ist, wie sie letztlich nur der Muttersprachler in der OV hat, schon ganz spannend. Leider ist für mich der Störeffekt einer Synchro dann meist doch zu hoch, um das wirklich so vertreten und verfolgen zu können. In diesem Punkt wäre jetzt wohl tatsächlich ein wirklicher Synchro-Verfechter, am besten mit wahrnehmungspsychologischem Hintergrund, gefragt...

L: wie das zeughaus dazu kommt, die englische sprachfassung als eine ov auszugeben, weiß ich nicht. die entstand zwei jahre nach dem original, aufgrund der großen erfolge der ersten beiden filme in italien. ich kenne diese spezielle englischesynchronfassung nicht, aber ich habe ein paar andere italienische genrefilme auf englisch gesehen: das ist absolut unterirdisch, die amerikanischen synchronstudios sind (mangels erfahrung, vermutlich) schon den deutschen, erst recht den amerikanischen, hoffnungslos unterlegen. warum das zeughaus ausgerechnet diese version zeigt, weiß ich nicht. die deutschen synchrofassungen sind allerdings, was sie dann gleich doppelt disqualifiziert, allesamt geschnitten. es hilft nichts: Per qualche dollaro in più ist ein italienischer film und solange der nicht omu läuft, schaue ich ihn mir nicht im kino an.

A: Prinzipiell gebe ich dir völlig recht, was die meist außerordentliche Lausigkeit amerikanischer Synchronfassung angeht. In dem Fall scheint es schon nochmal etwas anderes zu sein. Die Filme sind mir schon häufiger als "englisches Original" in Programm von Kinematheken begegnet, auf DVD und Blu-Ray gibt es überall nur englische (sowie spanische und deutsche) Fassungen, eine italienische nur in Italien und dort ohne Untertitel. Da wird es schwer, wirklich diese OmU, so sie denn eine ist, zu sehen. Bei den ersten beiden Dollar-Filmen lasse ich es mal so stehen, spätestens beim dritten und vor allem bei Leones viertem amerikanisch Co-produziertem Western (LIED VOM TOD/C'ERA UNA VOLTA) scheint sich die Auffassung einer englischen OV durchgesetzt zu haben. Lässt du auch dort jeweils einzig italienisch gelten? Insgesamt mag es bei Leone ohnehin noch einfacher sein, weil man im Zweifelsfall Auteurismus walten lassen kann. Spätestens aber z.B. bei den Filmen, die Jess Franco unter teils kruden Umständen in England, Frankreich oder der Schweiz runtergekurbelt hat und die dann irgendwo vertont wurden, dürftest du mit einer eindeutigen nationalen Zuordnung nicht mehr weit kommen.

L: dass man zumindest einige der leone-western durchaus omu findet, wenn man sich die richtigen "märkte" anschaut, brauche ich dir wohl nicht zu sagen... dass die marktmechanismen und das rechtechaos dafür sorgen, dass vier der besten italowestern ansonsten international nur in unwürdigen versionen zugägnglich sind, verdeutlicht ja nur noch einmal, was für ein verbrechen synchronisation darstellt. mir geht es nicht um nationale zuschreibungen, sprachen sind nicht eigentum von nationen, sondern lebendige semantische systeme, die kultur, identität (jeweils samt ihrer überschreitung) und denken prägen.
und auch die zensurfrage: zu der tatsache, dass so ziemlich alle englisch- bzw deutschsprachigen filmkopien der dollartrilogie (sowohl, glaube ich, auch der beiden anderen italowestern leones) zum teil empfindlich gekürzt sind, müsste man sich ja auch verhalten, in der hinsicht ist die "originalfrage" noch eindeutiger. aber nunja, leone ist da nur ein aufhänger, bei dem ich mich nicht zu lange aufhalten möchte, ich bin kein besonderer fan oder kenner.

C: Das ist hier ja alles sehr (erfreulich) ausgeufert und da ich Andreas' Ausführungen weitgehend unterschreiben würde, nur noch einige lapidare Ergänzungen:
a) Englische Synchronfassungen italienischer Filme variieren sehr stark in ihrer Qualität (gelegentlich trifft man auch auf exzellente), was unter anderem daran liegt, dass viele dieser Filme nicht etwa in Amerika, sondern an Ort und Stelle in Rom (!) englisch synchronisiert wurden, mit den Muttersprachlern als Sprechern, derer man gerade habhaft werden konnte. Bekanntester Synchronregisseur englischer Sprachfassungen aus Italien ist heute der "legendäre" Nick Alexander. Tatsächlich scheinen mir die Synchronfassungen, die in den Staaten erstellt wurden, häufig den italienischen qualitativ überlegen (wenig überraschend), darüber hinaus existieren aber auch Synchronisationen, die sich aufgrund der Akzente und einer grundsätzlich anderen Modulierung stark nach britischer Arbeit anhören. Es ist undurchdringlich. Hierzu sei auch noch angemerkt, dass beispielsweise in italienisch-deutschen Koproduktionen dieser Zeit die deutschen Darsteller sich selbstverständlich (fast immer) nur in der deutschen Fassung selbst synchronisiert haben, was zu zwei jeweils zu 50 % "originalen" Sprachfassungen führt, wenn man so will. Ein Extrembeispiel ist in dieser Hinsicht Antonio Margheritis (Voila!) SCHREIE IN DER NACHT, bei dem m. E. beide Fassungen als gleichwertige Originalfassungen gelten müssen.
b) Ich teile, wie gesagt, Andreas' Ausführungen weitgehend, doch angesichts eben selbiger möchte nicht unerwähnt lassen, dass er in der Verfechtung selbiger bisweilen doch auch eher dogmatisch vorgeht: Exploitation- und Genrefilme der 70iger und 80iger verlieren für ihn nicht selten an Reiz, wenn sie nicht in einer deutschen Fassung vorliegen, vieles mit Sleaze-Bezug gewinnt durch eine Eindeutschung offenbar an Reiz (ich empfahl ihm unter diesem Gesichtspunkt schon mehrmals die schmierigen Romane von Richard Laymon, die ich auf Englisch las - er fragte mich prompt, ob sie denn auch auf Deutsch übersetzt worden wären) und im Rahmen meiner kürzlich erwähnten Italowestern-Reihe hätte es sich angeboten, in dieses von Andreas ebenfalls sehr geschätzten Genre auch einmal gemeinsam einzutauchen, doch meiner Erinnerung nach scheiterte dieses Vorhaben zwei Mal aufgrund unterschiedlicher Sprachfassungs-Präferenzen und einmal aufgrund unterschiedlich ausgeprägtem Materialpurismus (Stichwort: O-Bild) - ich ziehe es inzwischen vor, diese Filme auf italienisch mit Untertiteln zu sehen, wenn möglich, Andreas auf Deutsch. Nun ist es ja nicht so, dass die italienischen Synchronisationen der Filme nicht auch sehr "kernig" wären, aber die deutschen Fassungen setzen dieser Markigkeit meist noch die Krone auf (was ich inzwischen i. d. R. als äußerst penetrant und teutonisch empfinde).
c) Last but not least halte auch die Überlegung hinter "Der nicht unerhebliche Eingriff ins Bild selbst, aber auch die damit einher gehende Manipulation des Zuschauerblicks. Und dann ist es natürlich auch einfach ein mitunter massiver Unterschied, ob man etwas hört und auch hörend versteht, oder zwar hört, aber sich erst durch paralleles Lesen erschließt." für essentiell und gleichbedeutend mit allen geäußerten Argumenten gegen Synchronisation. Als jemand, der aus eigener Entscheidung seit Jahren einen Großteil aller gesichteten Filme im OmU sieht, habe ich mich, so schnell ich sie inzwischen auch lese (da ich selbst schon einige Filme untertitelt habe und es genau wissen wollte, unterzog ich mich einmal einer bewussten Beobachtung: Wie schnell lese ich Untertitel unterschiedlichen Umfangs?) immer noch nicht an die Verkrüppelung des Seherlebnisses gewöhnt, die Untertitel ab einer bestimmten "Dialogdichte" auslösen - und werde mich daran vermutlich auch nie gewöhnen. Die Sekundenbruchteile (oder auch, im Falle von umfangreichen Untertiteln, ein bis drei Sekunden), in denen meine Augen nach unten flackern, sind ein unwiederbringlicher Verlust, der m. E. sehr schwer wiegen kann. Es hat in der Vergangenheit drei, vier Extremfälle bei Sichtungen auf DVD gegeben, in denen ich aus purer Überforderung (das Lesen der Untertitel und eine für mich unerlässliche, intensive Erschließung der Bilder zu vereinbaren) auf die deutsche Synchronfassung gewechselt habe, so sehr es mich auch schmerzte. Je mehr sich ein Film über die Bildebene "mitteilt" (schreckliches Wort, mir fällt gerade nichts Besseres ein), desto penetranter und unliebsamer wird dieses kurze Flackern nach unten. Obwohl ich die Beeinträchtigung einer (mäßigen!) Synchronisation subjektiv als schwerwiegender empfinde, bin ich grundsätzlich der Ansicht, dass Untertitel keinesfalls eine glückliche, sondern lediglich eine notwendige Alternative sind, die m. E. etwas tedenziell (unfreiwillig) Cinephobes an sich hat. Dennoch ist Synchronisation ein so zweischneidiges Schwert, dass ich sie (die Untertitel), notgedrungen, vorziehe. Was nun die instinktiv empfundene, möglicherweise größere Nähe und Unmittelbarkeit von Gesprochenem und zugleich Verstandenem angeht - ich kann das ausgezeichnet nachvollziehen, empfinde das häufig auch selbst so. Trotzdem: OmU ist meine Präferenz, es gibt aber Filme, bei denen ich einzig oder vor allem aus diesem Grund (Nähe, Unmittelbarkeit) glücklich bin, sie synchronisiert gesehen zu haben.
Mir ist noch ein skandalöses Pro-Synchro-Argument eingefallen, das gewiß nicht deine Fürsprache finden wird, Lukas: In Deutschland erhalten häufig Filme, denen in synchronisationsfreien Untertitel-Ländern nur kümmerliche Mini-Releases vergönnt sind, in einem Rahmen, den nur die Synchronisation ermöglicht. Natürlich neigt sich diese Feststellung besonders mit Blick auf die Gegenwart eher ins Wirtschaftliche denn ins Cineastische, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in Deutschland Filme (ob das nun Filme sind, die unsereins im Kino sehen möchte, sei mal dahingestellt) flächendeckend anlaufen, die etwa im englischsprachigen Raum (über den Rest der Welt bin ich leider diesbezüglich nicht ausreichend informiert) nur mit einer Handvoll Kopien starten und dann durch die Off-Kinos lediglich der Großstädte tingeln (wo sie meist nichts verloren haben, diese Filme, die in Deutschland dank Synchronisation flächendeckend anlaufen. Ausnahmen bestätigen allerdings diese Regel zu oft, um es zu ignorieren, m. E.)
Die Kehrseite der Medaille ist freilich wiederum die Untertitelphobie der Deutschen, die sich im Wesentlichen von der vielzitierten amerikanischen wohl kaum unterscheidet - und ambitionierten Kleinstarts idealistischer Verleiher, die sich allerdings keine Synchronisation leisten können oder wollen, einen großen Felsbrocken in den Weg legt.

7 comments:

Patrick Thülig said...

Eine super interessante Diskussion, die in meinem Bekanntenkreis auch öfter mal zu Stande kommt, jedoch nciht auf so einem hohen Niveau. Ich bin bei der ganzen Sache eher auf Lukas Seite, dh ich verfolge ebenfalls eine strikte Anti-Synchro Politik. Allerdings gibt es bei mir Ausnahmen bei Kindheitsfilmen von mir. Diese haben sich teilweise mit ihrer Synchro in mein Gehirn gebrannt, so dass ich diese akzeptieren kann, will und muss. Beispiel hierfür sind die oben angesprochenen Spencer/Hill Filme.
Ich finde aber auch, dass Christoph und Andreas ein gutes Argument haben, was die Beeinträchtigung des Seherlebnisses und die Ästhetik des Bildes durch Untertitel angeht. Auch ein O-Bild soll und muss weiterhin erstrebenswert sein. Doch meine Prioritäten liegen da ähnlich wie bei Lukas. O-Ton vor O-Bild!

Was die Zeughauskinoreihe der Eurowestern angeht (habe zur Zeit der Planung der Reihe dort Praktikum gemacht), so muss man ja immer noch sagen, dass sich Cinegraph für diese Reihe verantwortlich zeichnet. Das Zeughauskino richtet diese Reihe lediglich in Kooperation aus.

wie oben angesprochen, eine super diskussion und ein immer interessant bleibendes Thema.

gruß Patrick

Sano said...

Wollte dir eigentlich sofort und instinktiv unumwunden rechtgeben, und habe diese Diskussion mit Christoph Und Andreas schon zigmal geführt (als bereits längere Zeit dogmatischer Untertitelverfechter, und auch schon zu vergangenen Zeiten, als die beiden noch weitaus unkritischer Synchronisationen befürworteten), muss aber nach durchlesen der gesamten, teilweise sehr elaborierten Feststellungen, sagen, dass ich alles von Andreas unterschreiben würde, um trotzdem (gleiche Ansichten können eben doch auch zu unterschiedlichen Endresultaten führen) eher bei dir rauszukommen. Liege wohl irgendwo zwischen dir und Andreas. Aber wie man dann auch den späteren Antworten von Christoph entnehmen kann, scheint ihr drei euch sowieso in einem sehr sehr ähnlichen Radius zu bewegen, in dem dann Nuancen den Ausschlag geben. Leider wird dieses Thema- meiner Meinung nach überhaupt eines der wichtigsten Themen wenn es um Filmbetrachtung geht - aber weiterhin (zumindest hierzulande) konsequent ignoriert, bzw. viel zu selten thematisiert.

Da ich aus Jugoslawien stamme, wo Untertitel (und auch jetzt noch in den nachfolgestaaten) völlig essentiell waren, habe ich da natürlich nochmal einen anderen Zugang, als jemand der nur in Deutschland aufgewachsen ist. Bei der leidigen Frage, was denn "die Zuschauer" besser finden, ist zum Beispiel interessant und meiner Meinung nach sehr aufschlussreich, dass laut einer Umfrage die ich vor Ewigkeiten mal gelesen habe in Deutschland 90% für die Synchronisation sind, und nur ca. 10% eine generelle Untertitelung begrüßen würden, in Slowenien hingegen (dem Ex-jugoslawischen Staat dem ich entstamme, und in dem ich mich immer wieder gerne aufhalte) die Ergebnisse genau gegenteilig ausfielen. Da sind dann 90% für Untertitelung und nur 10% hätten nichts gegen eine Änderung der gängigen Praxis richtung Synchronisation. Das heißt für mich also: Die Leute wollen es so, wie sie es gwöhnt sind. Und dise leidige Diskussion (was will der Zuschauer, etc., pp.) war/ist für mich dadurch vom Tisch. Da die meisten länder der Welt aber sowieso (und der Grund ist dabei nicht ausschlaggebend, sondern eben die schlichte tatsache) untertiteln, ist Synchronisation nur ein marginales Problem für einige wenige Länder der Welt. Dumm nur, dass wir eben in einem dieser wenigen Länder leben. In diesem Kontext finde ich es als erklärter Materialfetischist dann eben genauso segensreich wie du (das erschließe ich jetzt mal aus deinen Kommentaren), dass es so etwas wie Video, DVD, usw. gegeben hat, und es uns vergönnt ist inzwischen auch hierzulande zumindest zu Hause Filme in ihrer Originalsprache anschauen zu können.

Sano said...

Was ich aber persönlich (auch nochmal) betonen möchte, da es auch für mich gilt:

-Synchronisationen sind immer eigenständige und -wertige Kunstwerke/Fassungen eines Films.

- Synchronisationen können (gefühlt) "besser sein als Originalfassungen (habe schon zahlreiche Synchronfassungen gesehen, die für mich(!) die Qualität des Films nochmal erhöht haben - und nicht nur im Exploitation und Unterhaltungsbereich, sondern auch im Autorenkino, wenn man diese Begriffe in dieser Diskussion schon verwenden will)

- Es gibt Filme, die eben nicht verschiedene Synchronisationen, sondern verschieden Originaltonspuren haben. Tendiere in manchen 60er, 70er Koporduktionen mit mehreren Sprachfassungen zu der Überzeugung von mehreren gleichrangigen Tonfassungen zu sprechen, die alle "das" Original sind. Das heißt, hier hätten wir meiner Meinung nach Fälle, die eher in die Richtung der unterschiedlichen Sprachfassungen der 30er Jahre gehen, und manchmal darauf hinauslaufen, dass es mehrere Filme gibt, die man sich anschauen kann. Vergleichbar auch mit der Sprachversion von Hitchcocks "Blackmail" und der Stummfilmfassung. Das sind für mich zwei gleichwertige und eigenständige Filme. Das Wort "Fassung" klingt da manchmal schon zu abwertend. Manchmal gibt es eben nicht den Fall, dass eine bestehende Tonspur (nach)synchronisiert wurde, sondern dass von vornherein mehrere Tonspuren konzipiert worden sind (und ich meine nicht nur aus Sicht der Auswertung) Leones Dollarfilme sehe ich jedoch nicht in der Art. Da ist für mich eindeutig die italienische Spur die Originale.

Diese drei Punkte (zugegeben: der dritte war schon etwas zu ausführlich angerissen), bedeuten aber für mich eben NICHT, dass Synchronisation dadurch in Ordnung geht, sie genauso legitim ist wie Untertitelung, etc. pp., da ich dennoch Untertitel vorziehe. Also sogar lieber einen schlechten "originalen" Film, als einen "guten" neuvertonten. Da es aber Synchronisationen nunmal gibt (schade, dass es sich kulturhistorisch so entwickelt hat, aber es ist nunmal so), muss ich mich gezwungenermaßen mit Ihnen beschäftigen.

Wichtig ist denke ich, dass einem eine Veränderung/Verfälschung bewusst ist, und dass man sich klarmacht, dass man einen Film, so man ihn synchronisiert gesehen hat, nicht wirklich gesehen hat (Ja, gesehen!), genauso wie man einen Film, so man ihn nicht vom Originalmaterial gesehen hat (egal wie brillant die Übertragung auf ein anderes (Heim)Medium auch vonstatten gegangen ist (Stichwort Blu-Ray und ähnliches) ebenso nicht wirklich gesehen hat. Also in beiden Fällen von einer Kenntnis des Originären/ursprünglichen/intendierten Werkes nicht die rede sein kann. Da Film aber als reproduzierbares Medium (das inzwischen ja auch Digital, Video und anderes umfasst) sowieso darauf ausgelegt ist, häufig in Annäherungen an ein Original gesehen zu werden(und eine abgenudelte x-te Kopie mit verblassten Farben, schlechter Tonspur und fehlenden Szenen, dem Original dann teilweise weniger entspricht als eine mittelmäßige DVD) finde ich diese Problematik wiederum auch nicht so schlimm, wie sie hier vielleicht erscheint, und wie man nach meinen Erläuterungen annehmen könnte.

Sano said...

Ich ziehe also Untertitelungen als kleineres Übel (genauso wie gute digitale- oder Videoaufzeichnungen) der Synchronisation meist vor. Wenn ich jedoch einen Film sehen möchte, der nur synchronisiert vorliegt (ähnliches gilt für einen Film der ohne Untertitel in einer mir nicht verständlichen Sprache vorliegt), dann ist das manchmal leider sie einzige Option. Filme deshalb generell nicht anzuschauen halte ich (eben angesichts des Reproduktions- und Annäherungscharakter des Mediums an sich) für übertrieben. Und Synchronisationen sind manchmal eben auch nicht minderwertige (und dennoch eigenständige) Kunstwerke, sondern manchmal sogar das beste an einem Film. Das das dann natürlich ein anderer Film ist ist klar. Dieser andere Film hat aber ebenso seine Berechtigung. womit wir auch wieder bei der Remixgeschichte und bei den sonstigen Techniken des experimentellen, avantgardistischen Kinos sind, das "so was" wohl schon immer ungestraft durfte, und dessen Macher ja sogar teilweise deshalb gefeiert worden sind. Andreas sieht da meiner Meinung nach zurecht, dass da ungerechtfertigt mit zweierlei Maß gemessen wird. In dieser Hinsicht müsste man meiner Meinung nach z.B. einen Godfrey Ho auch genau so behandeln wie einen martin Arnold. Aber das nur als Nebenbemerkung.

Abschließend bleibt für mich noch darauf hinzuweisen (siehe wiederum Andreas, der meiner Meinung nach wohl so ziemlich alle relevanten Punkte bereits erwähnt oder angerissen hat), dass noch seltener als über das Thema Synchro/Untertitelung über das Thema einer angemessenen untertitelung diskutiert wird. Denn unabhängig von der Tatsache, dass Untertitel vom Filmbild ablenken und ein eigenes Filmbild erzeugen (und auch ich mich, wie Christoph, nach inzwischen wohl schon über 5000 untertitelt gesehenen Filmen wohl nie ganz daran werde gewöhnen können, dass meine Augen immerzu zwischen Bild und Schrift wandern müssen), sind 80% der mir untergekommenen Untertitel meist teilweise inadäquat bis völlig unzulänglich gewesen. Das scheint sich in meinen Augen inzwischen erst durch die in den 90ern zahlreich augekommene Fansub-Szene geändert zu haben. Wenn ich da an manch fest untertitelte 70er Jahre Kopie denke, wird mir Angst und Bange.

Aber das wäre wieder eine andere Diskussion.

So, hoffe ich habe nicht allzuviel Redundantes von mir gegeben. Musste den Kommentar wegen Überlänge auch aufteilen. Und meine Rechtschreibung und Grammatik hält sicher einiges zu wünschen übrig. Aber ihr habts ja so gewollt. :-D Wenn ihr die Diskussion schlicht auf Facebook belassen hättet, hätte ich mich sicher nicht dazu geäußert. Aber ich bin dankbar, dass das Thema Lukas wichtig genug erscheint, es in einen eigenen Beitrag umzumünzen. ;-)

bekay said...

In unserer Filmforen-Diskussion gleichen Themas habe ich dann - nach Lesen eurer elaborierten Gedanken - mein Fazit formuliert, welches ich mal hierher kopiere:

Ich meine, dass alles Wichtige zum Thema wenn schon nicht gesagt, so doch wenigstens angerissen wurde. Aber mich bestätigt das Gespräch in meiner Annahme, dass jeder geschaute Film immer ein anderer ist. Von und in was er sich unterscheidet, kann variieren - dass er es tut, ist unzweifelhaft. Und da ich die Dogmatiken und Fetische nicht teile, die in eurer Diskussion angesprochen werden, kann ich leider zu keiner klaren Position oder eben einem Vorzug in der Frage Omu vs. Synchro kommen. Beide Methoden sind Verbrechen und reine Notlösungen, beide sind Möglichkeiten und Befreiungsschläge, beide sind kulturelle Praktiken...

Christoph said...

"Beide Methoden sind Verbrechen und reine Notlösungen, beide sind Möglichkeiten und Befreiungsschläge, beide sind kulturelle Praktiken..."

Wenn mir einige Detailfragen angesichts von Lukas' "provozierender" Dogmatik nicht am Herzen gelegen hätten, wäre sinngemäß genau diese Feststellung mein endgültiges Statement gewesen (nur eben vielleicht nicht ganz so kompakt, ich bin selten kompakt). Sehe ich ganz, genau, so. Leider. Mit anderen Worten: Die cineastische Verständnissituation ist im Grunde ausweglos.

Lukas Foerster said...

Vielleicht noch eine Sache, die ich noch nicht losgeworden bin: Für mich haben Originalfassungen nichtdeutschsprachiger Filme auch ganz direkt einen ästhetischen Mehrwert: nichtdeutsche Spachen nehme ich viel direkter als sound wahr, als mir das im Deutschen möglich wäre, wo der sound tendenziell immer schon von der Bedeutung zugedeckt ist. (Gerne würde ich, aber das ist natürlich off topic, auch deutsch gelegentlich so wahrnehmen können wie jemand, der die Sprache nicht versteht, aber leider ist einem in dieser Hinsicht paradoxerweise die eigene Sprache die fremdste, an ihre "Materialität" kommt man einfach nicht mehr heran.)