Thursday, February 26, 2015

tribute to Ein Tag im Leben des Kinos

1.29 Uhr


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1.30 Uhr


Beides aus John Badham: Nick of Time (1995)

Ekkehard Knörer hatte "Ein Tag im Leben des Kinos" 2007 begonnen. Jahre später entstand eine Kunstszenenblockbusteradaption.

Wednesday, February 25, 2015

Rahmungen

Fuzen no tomoshibi / Danger Stalks Near, Keisuke Kinoshita, 1957
Kono ten no niji / The Eternal Rainbow, Keisuke Kinoshota, 1958

Die mal melodramatisch-sentimental, mal satirisch-komisch flektierten (die erste Flektion ist mir ohne jeden Zweifel die liebere) Beziehungsgeschichten, aus denen das Werk Kinoshitas hauptsächlich besteht, haben etwas Modularisches. In zweierlei Hinsicht: Einerseits sind die Beziehungsgeflechte (intern) modularisch aufgebaut, lassen sich scheinbar nach Belieben erweitern, durch Anbauten, Spiegelungen, Abspaltungen, hier ein hinzugefügter begehrlicher Blick, dort eine weitere kratzbürstige Tante. Andererseits machen sie sich selbst auch (extern) modularisch verfügbar: Sie lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise in die Kinoshita-Filme einbauen. Das filmisch ausformulierte Beziehungsgeflecht alleine macht noch keinen Film (bzw natürlich auch: noch kein Produkt), es braucht wenigstens vorher einen Vorspann und hinterher das schöne japanische Schriftzeichen für "Ende". Manchmal gibt es zusätzlich andere, extravagantere Rahmungen.

In Danger Stalks Near besteht die Rahmung aus drei Jungs (aus drei denkbar harmlosen, milchbubihaften Jungs), die ein Haus ausspionieren, das sie auszurauben planen. Nur: Immer dann, wenn sie gerade loslegen wollen, weil zum Beispiel eine Person das Haus verlassen hat, trifft eine weitere, andere Person ein. Dass es im Film nicht eigentlich um die Jungs geht, merkt man schnell. Stattdessen geht es um die Hausbewohner, bzw vor allem um die über drei Generationen verteilten, sich gegenseitig das Leben zur Hölle machenden, alle sozialen Gesten ohne Umschweife in Yen-Beträge umrechnenden  Hausbewohnerinnen. Zumindest in der ersten halben Stunde schneidet Kinoshita trotzdem immer wieder nach draußen: Eine Panoramaaufnahme des Hauses, dem sich schon wieder irgendeine Verwandtschaft geschäftigten Schrittes nähert. Dann ein Kommentar der Jungs: Mist, schon wieder nichts. Gedacht ist das wohl als gesellschaftssatirische Pointe: Das Kleinbürgertum beutet sich gegenseitig derart erbarmungslos aus, dass es auf die vergleichsweise naiven, unschuldigen Banditen gar nicht angewiesen ist. Besser gefällt mir die narratologische Pointe: Der narrative drive besiegt die kriminelle Energie, dem Raubzug kommt immer wieder ein neues Kapitel der modularen Fortsetzungserzählung in die Quere. Oder machen die Jungs einfach eine andere Art von Beute? Andere Lesart: Das Erzählen - vielleicht: das Kino - hat seinen Ort im neugierigen Aufschub der Begehrensbefriedigung ("ich habe Hunger", meint einer sogar einmal, und trotzdem schaut er weiter zu), im interessierten Verzicht...

The Eternal Rainbow gehört zu den außergewöhnlichsten Arbeiten Kinoshitas. Der Film beginnt mit einer gut zehnminütigen dokumentarischen Passage über Stahlherstellung. Noch bevor auch nur eine einzige fiktionale Person eingeführt ist, lernt man so einiges über Funktion und Mechanik von Hochöfen, über die verschiedenen verwendeten Maschinen, über die Arbeitsschritte, die nötig sind, um eine amorphe organische Masse erst in eine rot glühende, dampfende Masse zu verwandeln, und diese anschließend in diverse harte, kompakte Objekte umzuformen. Zwischendurch fokussiert der Film mal hier, mal da einzelne Arbeiter, aber es dauert eine ganze Weile, bis tatsächlich einer als handelnde Figur individualisiert wird. Die Fiktion nimmt schließlich doch noch Überhand; allerdings wird sie auch im Weiteren immer wieder für kurze Maschinenportraits unterbrochen. Zufällig hatte ich kurz vor The Eternal Rainbow King Vidors An American Romance gesehen, einen anderen fiktionalen Film mit dokumentarischem Stahlindustrieüberschuss - allerdings verwendet Kinoshita das dokumentarische Material auf komplett andere Art und Weise. Bei Vidor sind die dokumentarischen Einschübe, die die Handlung unterbrechend kommentieren, Metaphern fürs aktive Handeln des homo oeconomicus. Die Tatsache, dass er Stahl "in Form bringen" kann, zeigt, dass der Mensch buchstäblich alles zu leisten in der Lage ist. Bei Kinoshita dagegen steht das Dokument am Anfang, als ein quasiobjekthaftes Monument, als ein Spektakel aus Stahl, Feuer und Mechanik, das den Menschen nicht er-, sondern entmächtigt. Die nicht nur sozialen, oft eher einer allgemeineren Moral verpflichteten Normen, an denen in Kinoshitas Werk die akkumulierenden Gefühlswogen sich Film für Film unbarmherzig brechen, sind in The Eternal Rainbow nicht wie sonst in den Figuren verankert, internalisiert, sondern haben für einmal eine äußerliche, sozusagen gesteigert physische Existenz gewonnen.

Thursday, February 19, 2015

Taking a Chance on Karlson 7

Ben, Phil Karlson, 1972

Dass Phil Karsons Ben um soviel unbekannter ist als sein von Michael Jackson gesungener Titelsong, ist schon deshalb unfair, weil der Film ein Making Of des Lieds zumindest enthält, in mancher Hinsicht vielleicht auch als Ganzes ist. Der Film zeigt, wie junge Danny die Angst vor seinem eigenen Tod und die Liebe zur Ratte Ben zu einem Lied amalgamiert - vermittelt meherer herzzerreißender Performances. Seinen Ausgang nimmt das alles in einem Marionettentheater: Zunächst läßt Danny da einen recht generischen Clown auftreten, der ein recht generisches Gute-Laune-Lied singt. Das Lied des Clowns lockt die Ratte an. Nach dem Auftritt erhält sie Brotrinde, freundet sich mit Danny an, beginnt mit ihm zu kommunizieren.

Das Ben-Lied komponiert Danny dann auf einem Klavier, wenig später spielt er der Ratte etwas auf seiner Mundharmonika vor, verausgabt sich dabei völlig (ein komplett unromantischer Selbstverlust in die Musik). Aber der Film kehrt noch ein zweites Mal zum Marionettentheater zurück: In einer der sonderbarsten Filmszenen, die ich in der letzten Zeit gesehen habe, performt eine von Danny gelenkte Rattenmarionette für die echte Ratte - nicht den "Ben"-Song, sondern den Clownsong vom Anfang und zwar auf Wunsch der lebendigen Ratte gleich zweimal. Der Film lässt sich komplett auf dieses Spektakel ein, vermittelt - per Montage - ein paar Minuten lang fast ausschließlich zwischen den beiden Ratten.






Ben ist ein auteurist statement der Sonderklasse. Seit Mitte der 1950er Jahre arbeitete sich Karlson, nicht in jedem Film, aber wieder und wieder, an einem einzigen Thema ab: Dem Kampf der zivilisatorischen Ordnungsmächte gegen das umgreifende, (eben stets nur auf den ersten Blick) amorphe Chaos. Die Härte und Tragik seiner Filme hängen mit einer unverhandelbaren Setzung zusammen: Die Ordnung muss sich am Ende durchsetzen, Kompromisse geben. In den meisten anderen Filmen heißt das: Selbstverständlich darf man Phoenix City, Chicago etc nicht dem Mob überlassen. In diesem Fall: Selbstverständlich ist die (Killer-)Rattenplage (die unter anderem, in einer Szene, die Robin Wood gefallen hätte - keine Ahnung, ob er den Film kannte - einen Supermarkt heimsucht, sich Regalmeter für Regalmeter über Frühstückscereals hermacht) zu beseitigen, koste es, was es wolle. Dass die ansonsten als ein soziales Übel gefasste Bedrohung durch das Chaos in Ben naturalisiert wird, führt keineswegs dazu, dass der Film sich dem faschistischen Impuls, der bei Karlson immer irgendwo lauert, vollständig ergeben würde. Ganz im Gegenteil: Etwas so düster Brutales, Seelenzerschmetterndes wie den Viertelstündigen Rattenholocaust, mit dem der Film endet, hat Karlson in seiner Karriere wohl kein zweites Mal inszeniert (ähnlich intensiv sind lediglich einige Passagen in Hell to Eternity). Das Ganze läuft auf eine Szene zu, in der die Sondereinsatzkräfte das Nest der Ratten mit mehreren Flammen- und Wasserwerfern attackieren. Karlson filmt das von oben, wie um noch einmal nachdrücklich zu sagen: no way out. 














Die fantastische Dimension des Films ändert daran nichts: Ben ist zwar gefühlsbegabt, aber eben auch ein Rattenhitler, der die Terrorherrschaft der Mächte des Chaos zu orchestrieren versucht. Das ist das Paradox, aus dem der Film nicht heraus kommt / nicht heraus will: Je alternativloser die Gewalt, umso mehr schmerzt sie. (Und ich glaube, es ist interessanter, sich diesem Schmerz zu stellen, als ihn im Sinne einer linken Kritik umzubiegen, die in den Bildern nur Metaphern für Vietnam etc sieht - man müsste den Film nicht einmal umbiegen, er legt genug Spuren aus in diese Richtung.)

Der Kampf zwischen Ordnung und Chaos muss zwar ein eindeutiges Ergebnis haben, aber gleichzeitig gibt es trotzdem stets eine vermittelnde Instanz. In den meisten Fällen ist das jemand, der aus der Armee des Chaos ausschert und von der Ordnungsmacht rekrutiert wird. Ben erweitert die Konstellation, beziehungsweise dreht sie fast um: Zwar beginnt die Titelratte, mit den Menschen zu interagieren, wichtiger ist jedoch Dannys Empathie für die Tiere - und ganz besonders wichtig ist sein Ausflug ins Rattenreich. Hier erst bekommt er eine emphatische Subjektive, hier lernt er den Blick aufs Erhabene (= auf das kathedralenartige Dach des Rattennests).

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Dialog eines jungen Liebespaars, das gerade Zeuge von Dannys Verschwinden im Rattenreich wurde:

"Am I completely out of touch with reality?"
"Yeah, me too"

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Der Auteurismus ist für mich nicht deshalb der schönste Zugang zum Kino, weil er es mir erlaubt, Autorenhandschriften zu katalogisieren. Sondern weil er mir meine eigene, ihm vorausgehende Faszination für Filme wie Ben erklärt, erweitert.

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Für alle, die immer noch nicht überzeugt sind: Ein paar Screenshots aus der Fitnessclub-Szene:




Berlinale 2015 ranking

***** An American Romance, King Vidor, 1944
***** The River, Jean Renoir, 1951
***** Show Boat, George Sidney, 1951
***** The Shepherd of the Hills, Henry Hathaway, 1941
***** Leave Her to Heaven, John M. Stahl, 1945
***** The Naked Spur, Anthony Mann, 1953
***** She Wore a Yellow Ribbon, John Ford, 1949
***** Niagara, Henry Hathaway, 1953
***** Balikbayan #1 Memories of Overdevelopment Redux III, Kidlat Tahimik, 2015
***** Knight of Cups, Terrence Malick, 2015
***** Black Narcissus, Michael Powell / Emeric Pressburger, 1947
***** Orchard Street, Ken Jacobs, 1955
***** Anne of the Indies, Jacques Tourneur, 1951
***** Blood and Sand, Rouben Mamoulian, 1941
***** Broken Arrow, Delmer Daves, 1950
***** Gentlemen Prefer Blondes, Howard Hawks, 1953
***** Las ninas Quispe, Sebastian Sepulveda, 2013
***** Singin' in the Rain, Stanley Donen / Gene Kelly, 1952
***** Der Geldkomplex, Juan Rodriganez, 2015
***** Scaramouche, George Sidney, 1952
***** Flotel Europa, Vladimir Tomic, 2015
**** Taxi, Jafar Panahi, 2015
**** Viaggio nella dopo-storia, Vincent Dieutre, 2015
**** Cyclobs Observes the Celestial Bodies, Ken Jacobs, 2014
**** The Voice of Water, Masashi Yamamoto, 2014
**** Ototo, Kon Ichikawa, 1960
**** Queen of Earth, Alex Ross Perry, 2015
**** Redskin, Victor Schertzinger, 1929
**** Histoire de Judas, Rabah Ameur-Zaimeche, 2015
**** Aferim!, Radu Jude, 2015
**** La Cucaracha, Lloyd Corrigan, 1934
**** Atom Heart Mother, Ali Ahmadzade, 2015
**** Ivanhoe, Richard Thorpe, 1952
**** An Actor's Revenge, Kon Ichikawa, 1963
**** Suenan los androides, Ion de Sosa
**** The Forbidden Room, Guy Maddin, 2015
**** This Happy Breed, David Lean, 1944
**** The Three Musketeers, George Sidney, 1948
*** Le dos Rouge, Antoine Barraud, 2015
*** Ned Rifle, Hal Hartley, 2015
*** Enjo, Kon Ichikawa, 1958
*** The Boda Boda Thieves, Yes! That's Us, 2015
*** Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen, 2015
*** La mujer de barro, Sergio Castro San Martin, 2015
*** Sweethearts, W.S. van Dyke, 1938
*** As Hiper Mulheres, Carlos Fausta / Leonardo Sette / Takuma Kuikuro, 2011
*** Big Father, Small Father and Other Stories, Dang Di Phan, 2015
** The Garden of Allah, Richard Boleslawski, 1936
** Hedi Schneider steckt fest, Sonja Heiss, 2015
** Counting, Jem Cohen, 2015
** Exotica, Erotica, Etc., Evangelia Kranioti, 2015
** Nasty Baby, Sebastian Silva, 2015
** Blanche Fury, Marc Allegret, 1948
** The Toll of the Sea, Chester M. Franklin, 1922
** Beira-Mar, Filipe Matzenbacher / Marcio Reolon, 2015
** Queen of the Desert, Werner Herzog, 2015
* Have You Ever Killed a Bear? Or Becoming Jalila, Marwa Arsanios, 2014
* La nuit et l'enfant, David Yon, 2015
* Bankilal, Maria Dolores Arias Martinez, 2013
* Mar, Dominga Sotomayor Castillo, 2014
* H., Rania Attieh, Daniel Garcia, 2014
* El Club, Pablo Larrain, 2015

italics: rewatches

Thursday, February 12, 2015

Lexikon des anderen Films 1: Vanessa, Hubert Frank, 1977

Auf der Tonspur lockt die ohrwurmverdächtige Titelmelodie: “Vanessa… Vanessa”. Die derart beschworene Vanessa wurde gestern noch in der lustfeindlichen deutschen Klosterschule gepiesackt, heute lümmelt sie sich großartig dekadent an einem Hongkonger Sandstrand in einen atemberaubend stylischen Baststuhl. Kleider hat sie, wie auch sonst zumeist, keine an. An Sex hat sie trotzdem nicht allzu viel interesse, die ist einfach nur, wie der Film, der nach ihr benannt ist: neugierig auf die Welt - und die Kleider wären doch nur der Neugier im Weg.

Hubert Franks Vanessa ist eine erotische Seventies-Extravaganz sondergleichen, ein Softporno-Weltpanorama von Sternbergscher Eleganz, in dem auch wilde Tiere und Autofahrten vor nebelverhangenen Traumlandkulissen ihren Platz haben. Der konventionellen Filmgeschichte mag ein Film wie Vanessa nicht viel mehr sein als eines unter vielen Emmanuelle-Rip-Offs, dem Markt nicht mehr als Futter für die wenigen verbliebenen Late-Night-Erotika-Sendeplätze. Zu seinem Recht kommen (das heißt: als Klassiker einer unsichtbaren, anderen, aufregenderen Filmgeschichte gefeiert werden) kann ein Film wie Vanessa nur auf einer, und da stimmt die Bezeichnung für einmal tatsächlich, Liebhaberveranstaltung wie den Nürnberger Hofbauerkongressen.

Thursday, February 05, 2015

Berlinale 2015

The African Queen
Ivanhoe
Redskin
The River
The Shepherd of the Hills
Singin' in the Rain
The Toll of the Sea
La Cucaracha