Die 4 großen Rossellini-Bergman Filme erscheinen zuallererst als 4 Auseinandersetzungen mit dem menschlichen Blick. Die großartige Schlusssequenz in Stromboli stellt eine Art transzendentalen, mysthischen Blick dar, einen Blick, der noch einmal versucht, Körper und Welt (in Gott) zu vereinigen, eine letzte Anstrengung, die im Grunde schon über ihr Scheitern weiß. Stromboli versucht, den Blick noch einmal als natürliche Verlängerung des Körpers zu begreifen (um dadurch im deleuzschen Sinne - und es fällt schwer, diese Filme nicht mit Deleuze zu lesen, so sehr erklären sich in diesem Falle Film und Theorie gegenseitig - die Handlungsfähigkeit, die sensomotorischen Ansschlüsse aufrecht zu erhalten, die Fortsetzung des Blicks in Bewegung und Aktion zu sichern), eines Körpers jedoch, der bereits zu Beginn hinter Stacheldraht gefangen ist und im Folgenden einer Serie von Schockzuständen ausgesetzt wird, die ihn endgültig von seiner Lebenswelt entfremden. Der finale Zusammenbruch auf dem Stromboli (Produkt und Versuch der Überwindung einer langen Reihe kleiner Zusammenbrüche) ist ein letzter, extatischer Versuch der Wiedervereinigung.
Der Blick in Europa '51 hat eine neue Dimension erhalten, da er von anfang an entkörperlicht ist. Bergmans analytischer Blick fällt auf Orte, zu welchen sie von Anfang an keinen Zugang hat, keine körperliche Verbindung aufbauen kann, weil sie entweder nicht nur einer anderen sozialen Schicht, sondern einem anderen Zeitalter anzugehören scheinen (die Arbeiterunterkünfte), oder ohnehin schon Orte reiner Gedanken sind (die Kirche, die Fabrik mit ihren übermenschlichen, grausamen Arbeitsprozessen). Zwangsläufig ist ihr Zusammenbruch auch nie ein Körperlicher, sondern einer des Denkens. Keine Wellen körperlicher Schocks, sondern ein urplötzlicher Zusammenbruch des intellektuellen Bezugssystems zur Welt. Wieder wird dieser Zusammenbruch vermittelt durch Bergmans Starpersona. Auf den Tod ihres Sohnes weiß sie nicht anders zu reagieren als mithilfe der konventionalisierten Hollywoodgesten, den vors Gesicht geschlagenen Händen, dem aufs Sofa von ihrem Mann abgewandt niedergeworfenen Oberkörper.
In den Momenten des reinen Blicks werden die Blickobjekte von der Kamera freigestellt, der Film verliert für einige Augenblicke sein menschliches Zentrum und nimmt einen transhumanen Beobachterstandpunkt ein, im Falle des seltsam isoliert in den Himmel ragenden Arbeiterwohnblocks genauso wie in der Fabrik oder der Kirche. In letzterer schreibt eine Überblendung die Ornamente des Altars auf Bergmans Gesichtszüge ein, in der Fabrik wird sie durch eine eisensteinsche Montage mit der unerbittlichen Logik der kapitalistischen Mechanik konfrontiert. Die Kamera unterstützt die Entfremdungswirkung eines rein intellektuellen Blicks, eines Blicks, der wenig später in Viaggo in Italia seine radikalste Ausprägung im rein touristischen Blick finden wird.
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