Cuba, une odyssée africaine, Jihan El-Tahri, 2007
Knapp drei Jahrzehnte post/neokoloniale Verwicklungen in Japan bereitet die Ägypterin Jihan El-Tahri auf und nutzt dabei als Fokus das kubanische Engagement auf dem Kontinent, von Ches unglücklichem Kongoausflug zwecks Unterstützung Kabilas über die logistische Hilfen für Amilcar Cabral in Guinnea-Bissau bis zur massiven militärischen Präsenz im Angola der Achtziger Jahre. Produziert con unter anderem BBC und Arte entwickelt die Regisseurin ihr Material als größtenteils lineares Narrativ, durchzogen von kleinere und größeren Spannungsbögen. Geschichte ist auch in Cuba, une odyssée africaine die Geschichte großer Männer. Aber die Tatsache, dass in diesem Fall die meisten dieser großen Männer keine weißen Männer sind, ist beileibe nicht zu vernachlässigen. Cuba, une odyssée africaine mag kein besonders avanciertes Verständnis von Geschichtsschreibung zugrunde liegen (angesichts der beteiligten Produzenten verwundert das nicht), doch in diesem Fall rechtfertigt das Anliegen die Mittel - unzulässig manipulativ ist der Film ohnehin nicht, technisch bleibt alles dezent, der Voice-Over-Kommentar beschränkt sich aufs Faktische, die Interviewaussagen werden weder eindeutig be-, noch widerlegt.
Die Interviews sind es denn auch, die, neben raren Archivaufnahmen, den besonderen Reiz des Films ausmachen. Zahlreiche Überlebende beider (oder besser: aller denn bei aller Linearität taucht der Film doch tief ein ins Dickicht der postkolonialen Akronyme) Seiten erzählen erstaunlich freimütig über die Vergangenheit, ein ehemaliger CIA-Agent, der zu Zeiten Lumumbas / Mobutus im Kongo stationiert war, äußert sich, per Plastikschlauch mit Sauerstoff versorgt, ganz besonders freimütig.
Am Ende wird von verschiedenen Zeitzeugen und schließlich auch vom Voice-Over-Kommentar gefordert, das kubanische Engagement in Afrika neu zu bewerten, in seinen proklamierten Zielen ernst zu nehmen und gemäß seiner beachtlichen Erfolge zu würdigen. Angesichts der enormen Fülle an solide aufbereitetem Material, das El-Tahri präsentiert, dürfte ein Einspruch gegen diese Forderung schwierig werden.
Le sourire du serpent, Mama Keita, 2007
Fast der ganze Film spielt innerhalb einer Nacht und an einer Bushaltestelle in der industriellen Wüste irgendwo in der französischen Provinz. Dort muss sich die osteuropäische Prostituierte Marion mit dem illegalen afrikanischen Einwanderer Adama zusammentun, um die Nacht zu überstehen. Bald beginnen beide zu ahnen, dass sie nicht alleine sind.
Lange bleiben sie im Ungewissen und auch der Film lässt bis kurz vor Schluss offen, was Wahnvorstellung der drogensüchtigen Marion ist und was nicht. Tolle Einbrüche des Fantastischen in den Low-Budget-Handkamerarealismus des restlichen Flms sind das, wilde Kamerafahrten unterlegt mit effektiven Synthesizerklängen. An dem Film gefällt gerade diese Ambiguität: Einerseits ist Le sourire du serpent durchaus ein Horrorfilm, andererseits verweigert er sich der Dynamik des Genres und funktioniert, trotz Beschränkung von erzählter Zeit und Handlungsraum, eher anekdotisch.
Immer wieder neue Konstellationen entwirft Mama Keita zwischen Marion und Adama, immer wieder neue Bilder gewinnt er der Bushaltestelle und den paar sie umgebenden Straßen ab. Wie sich zwei Ausgestoßene in einer denbar feindseligen Umgebung zueinander verhalten können und was die Klischees des Horrorfilms (unter anderem eine schwarze Katze) dem hinzuzufügen haben, das erprobt der Film in verschiedenen Variationen. Es macht Freude, ihm dabei zuzusehen.
Misterios de ultratumba, Fernando Mendez, 1959
Ein klassischer Horrorfilm aus Mexiko mit einem wilden Plot, dessen Einzelheiten hier nichts zur Sache tun. Es geht um Spiritismus und verrückte Wissenschaftler hauptsächlich. Wichtiger ist der Schauplatz: Misterios de ultratumba spielt über weite Strecken in einer psychiatrischen Klinik.
Diese wird durchzogen von seltsamen Gestalten und wogenden Schatten. Eine Patientin hat einen hysterischen Anfall nach dem nächsten und kann nur beruhigt werden mithilfe einer Spieluhr. Sobald diese erklingt, fängt sie an, selig zu Lächeln und folgt dem Gerät blind und glücklich. Wenn die Spieluhr verstummt, schlägt sie alles kurz und klein.
Die Psychiatrie ist ein Laboratorium aus exaltierten Tönen und exaltierten Schatten. Misterios de ultratumba orientiert sich optisch am expressionistischen deutschen Stummfilm und zwar so deutlich, wie ich es ansonsten noch bei fast keinem Tonfilm gesehen habe (direkte Hommagen a la Guy Maddin ausgenommen). In der mexikanischen Psychiatrie wird jede Szene neu zusammengesetzt aus wilden Tönen und Bildern, die oft miteinander konfligieren und nicht einmal mehr im Ansatz eine vorgängige Welt voraus setzen. Alles wird expressiv, alles hat Bedeutung, jede Motivierung ist möglich (die psychologische, die narrative, die metaphysische) außer der realistischen.
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