Tuesday, July 07, 2009

The Taking of Pelham 1 2 3, Tony Scott, 2009

Die komplexen soziopolitischen Verhandlungen des Originals sind verschwunden, statt dessen: Mann gegen Mann, Profi gegen Profi, der eine ein korrupter Familienmensch, der andere ein ehemaliger Börsenmakler (der Kommentar zur Finanzkrise: was für Typen nehmen nicht einfach nur Models, sondern "ass-models" mit zum Wochenendtrip nach Island? "wall street guys" natürlich), der eher zufällig - und nicht etwa grundsätzlich - ein Rad ab hat. Beide stehen deshalb auch eher zufällig auf unterschiedlichen Seiten. Lange Zeit spielt der Film in genau zwei Räumen, dem Kontrollraum der U-Bahngesellschaft auf der einen, der Fahrerkabine der entführten Bahn auf der anderen Seite. Die Entführungsopfer kommen - auch das ein Unterschied zum Original - fast gar nicht vor. Am Anfang unterhäkt sich einer per Webcam mit der Freundin, als diese anfängt, für ihn zu strippen, fährt der Zug in den Tunnel, die Verbindung wird unterbrochen. Danach: 109 Minuten stylisches Männerkino, reduziert auf zwei Räume und zwei Gegenspieler. Daniel Kasman beschreibt das visuelle Grundprinzip der ersten zwei Drittel des Films hier sehr genau: auf der einen Seite die Kamera, die im Halbkreis Denzel Washingtons Schreibtisch abfährt, auf der anderen Seite die tendenziell (wenn auch faktisch doch eher selten komplett) starren Einstellungen, die Travolta durch die Frontscheibe der U-Bahn oft nur schematisch zu fassen bekommen. (Freilich dreht sich dieses visuelle System gleichzeitig mit der dramatischen Logik zumindest einmal um). Die Stadt selber ist nur als Flash, im super-stylischen Vorspann, später dann als kurzer kinetischer Einschub, aufgehoben in Scotts painterly expressionism (der Hubschrauber, der in einer freeze-frame-Serie über den Wolkenkratzern schwebt, das Motorrad, das frontal auf den PKW knallt, der LKW, der frontal in den Polizeiwagen kracht), im Bild. Noch nicht einmal mehr dekonstruiert werden muss dieser urbane Raum vom Film; er ist es von Anfang an. Wie soll es auch anders bestellt sein um eine Stadt, die von James Gandolfini regiert wird. Der ist nicht die Witzfigur aus dem Original, sondern genauso postheroisch wie alle anderen Figuren des Films. Er sitzt dann mit Denzel Washington zwischen den Bildschirmen (wie bilderlos war doch die Welt im Jahr 1974, die Multiplikation der Bildschirme ist vielleicht die wichtigste Veränderung zwischen den beiden Filmen) und betreibt Realpolitik für eine soziale Totalität, die sich völlig abgelöst hat vom Individuum, die ganz und gar systemisch geworden ist. Nicht postindividualistisch ist das, was Tony Scott da entwirft, eher postsozial, kein Milieu, keine Identitätspolitik, keine Geschichte. The Taking of Pelham 1 2 3 ist sicherlich nicht Tony Scotts bester Film, aber interessant ist er in jedem Fall.

1 comment:

Stefan said...

Schönes, weil kurzes und prägnantes Review! Bin auch gespannt, wie man die Sache mit Handy und Co. geändert hat ... (wobei, Du sagtest ja bereits Funkloch) Ich freue mir auf Freitag! :-)