Friday, July 03, 2009
Un lac, Philippe Grandrieux, 2008
Wie der kleine Junge auf den Schultern seines Bruders (?) sitzend über den zugefrorenen See getragen wird, wie die Kamera an sein Gesicht im heranfährt, wie dieses Gesaicht dem kalten Wind trotzt und offen bleibt für Sinneseindrücke aller Art (der Bruder (?) ruft in den Wald hinein, während er den Kleinen trägt - warum ruft er?): Vielleicht ist das das Bild, in dem Un lac sich selbst figuriert als eine möglichst-aber-doch-nie-ganz unmittelbare Erfahrungsform, als eine Erfahrungsform eben, die zwar auf ein Minimum an Distanz aus ist, die aber gleichzeitig nicht auf eigenen Füßen steht, sondern sich leiten lässt. Das Publikum gedacht als Kind? Wie bei Metz? Oder, anders und viel interessanter, wie bei Cavell? Vielleicht figuriert der Film in dieser Szene aber nicht nur sich selbst, sondern das Filmen überhaupt. Der Bruder ist Grandrieux, der Kleine die Kamera, eine Kamera, deren kindlichen, unmittelbar somatischen (photochemischen?) Kontakt mit der Welt der Film fürs Kino, das gefangen ist nicht nur in seiner Syntax, sondern schon im mimetischen Prinzip selbst (nicht: im fotografischen, Un lac bleibt gerade im Angriff auf das mimetische Prinzip strikt fotografisch), zurückgewinnen will. Auch das befriedigt nicht ganz, denn ein rein regressives Kino ist das grandrieuxsche nie. Kamera / Kind filmt nur, was Grandrieux will und was der will, das bleibt stets hinreichend erratisch, gesucht wird im eben auch präsprachlichen (dieser Aspekt regt mich dann doch immer wieder auf, nicht nur bei Grandrieux, sondern in weiten Teilen des Kinos der Sensation) nie, nicht einmal im Wald, die Vereinfachung, die Rückführung des Sozialen aufs Kreatürliche (das Soziale bleibt als zwischenmenschliches, wenn auch nicht als politisches und es bleibt problematisch, wird zwar transformiert, schwindet aber nicht). Aber was sucht der Film dann?
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