Monday, May 17, 2010

Finis Hominis, José Mojica Marins, 1971

Nach dem Cartesianischen Weltbild ist alle Schöpfung aufgehoben in Geist und Materie. Aber dann gibt es noch einen brasilianischen Film namens Finis Hominis aus dem Jahr 1971. Der eröffnet mit einem Prolog, der noch einmal das Cartesianische Erbe ausführt und dann ein wenig weiter treibt: Am Ende des Prologs erklärt der Film seine eigene Existenz zum Beweis für die Sinnhaftigkeit des Universums. Und wenig spricht dagegen, dass er das voll und ganz ernst meint.
Regisseur José Mojica Marins spielt wieder selbst die Hauptrolle. Diesmal gibt er nicht den De Sadeschen Klabautermann Coffin Joe, sondern eine - nunja - Erlöserfigur namens eben "Finis Hominis". Nach dem Prolog läuft Finis Hominis minutenlang nackt durch die Straßen und heilt ein paar Kranke am Wegesrand. Male frontal nudity gibt es - wenigstens in der unlängst veröffentlichen DVD-Version bei der Gelegenheit nicht. Dann hat er plötzlich orientalisch anmutende Seidengewänder an und einen Turban auf dem Kopf. Und wird zur Mediensensation, weil er Tote wiederbeleben kann und noch einiges mehr. In der Mitte des Films steht eine ekstatische und ekstatisch gefilmte Hippie-Orgie, die Meister Marins aber eiskalt beendet, indem er Goldmünzen in Richtung der Feiernden wirft.
Fünf-, sechs-, siebenmal setzt der Film ganz neu an, entwirft mal kleinere, mal größere, meistens absurde und gelegentlich völlig sinnbefreite Szenarien, in die dann irgendwann Marins als Finis Hominis hineinmarschiert und die Sache ins Reine bringt. Oder einfach nur Unsinn erzählt. Mal ist das ein einfacher Familienstreit, mal ein verhältnismäßig elaboriertes Trash-Melodram, in dessen Zentrum eine Frau steht, die beim Orgasmus weint und diese Tatsache bei der Beerdigung ihres Ehemanns einzusetzen weiß. Man findet schlicht und einfach keine Korrelation zwischen Zwecken und Mittel, zwischen Form und Inhalt, zwischen Narration und Exzess, die dieses textuelle Ungetüm bändigen könnte.
Marins' Coffin-Joe-Filme sind bei allem Eigensinn doch noch irgendwie in der Gothic-Horror-Tradition verankert. Finis Hominis nun ist eine komplett freischwebende Vision, eine ganz private, dezidiert nicht kunsthistorisch integrierte Surrealismus-Variante. Gesehen haben sollte man das schon. Die DVD steht im Videodrom.

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