Angesichts dreier neuer Hollywoodfilme, von mit zufällig in sehr kurzen Abständen gesehen, lässt sich die Frage, wie denn der Mainstreamfilm sich entwickeln könnte, ausgezeichnet behandeln. Will man einen gemeinsamen Nennen, bzw Fluchtpunkt finden, ist vor allem der Einsatz digitaler Techniken zu beachten und ihre Funktionsverschiebung, weg vom ausgestellten Effekt, hin zum Ornament. Erstes Zwischenresultat meinerseits: es blubbert, und zwar gewaltig.
Tony Scotts Domino ist sicherlich der sympatischste der drei Filme, eine rücksichtslose, aber selbstverständlich vollkommen naive und harmlose Actionkomödie, die mit pumpendem Gangsta-Soundtrack und Post-Mtv Cutting zumindest in einzelnen Abschnitten fast alles richtig macht. Verschiedenste Bildtypen werden wild ineinander montiert und erzeugen zumindest in den besten Momenten ein vom Plot denkbar weit entferntes hypnotisches Ensemble, dessen Organisationsprinzip aus der wechselseitigen Anziehung und Abstoßung der einzelnen Elemente zu bestehen scheint. Scott versucht gar nicht mehr, die Nebensächlichkeit der Handlungsebene zu kaschieren, die wichtigsten Plotpoints werden dem Zuschauer, der daran interessiert ist (ich wars nicht) mithilfe funktionaler Grafiken beigebracht. Diese innerhalb des Mainstreamkinos doch auch heute noch überraschend radikale Absage an das Kontinuitätsmodell korrespondiert mit dem anarchischen, auf größtmöglichste Heterogenität setzenden Montagemodell, sowohl auf der Bild- als auch auf der Tonebene. Zugegeben, der Film hat auch jede Menge Schwächen und deutlich mehr Sequenzen, die eben nicht nach obigem Prinzip funkäcnieren. Dennoch kann Domino als Beispiel gelten für den Bereich des Kinos, der seine Lektion aus MTV und dem Hong-Kong Film gelernt hat und sich anfühlt wie der kleinste gemeinsame Nenner aus "Viva La Bam", Hype Williams und Naked Killer.
Doch die neuen Gestaltungsmöglichkeiten können auch zu ganz anderen Zwecken gebraucht werden. Ein diesbezüglicher Ansatz kann man in Rob Marshalls Asienschnulze Memoirs of a Geisha beobachten. Ganz abgesehen von kolonialistisch/imperialistischen Fragestellungen, welchen sich der Film natürlich nicht entziehen kann, ist auch sein bildästhetisches Konzept fragwürdig. Der größte Teil des Films geht sowieso unter in dem Krieg, den amerikanische Kadrierung mit japanischer Ausstattung führt, doch in einigen Sequenzen ist tatsächlich ein spezifischer Stilwillen zu spüren. Und zwar in den Szenen, die im Garten spielen, in wundervoll bunten Farben, eingebettet in spiuegelnde Teiche und sanft rauschende Sträucher... Zugegeben, es sieht wirklich fantastisch aus, (wenn es auch immer noch nicht mehr bieten kann als eine sehnsüchtige Erinnerung an den Beginn von House of Flying Daggers, diese atemberaubenste Filmszene der letzten Jahre). Interessant ist jedoch der genaue Präsentationsmodus. Der Hintergrund wird oftmals so bearbeitet, dass das Bild wirklich exakt die impressionistische Malerei (bzw deren klischeeisierte Seerosenbilder etc) zu reproduzieren scheint, bevor es sich wieder in anderen - gleichfalls spektakulären Optiken auflöst. In Memoirs of a Geisha wird die digitale Technik also vorrangig dazu benutzt, neue Dimensionen des Kunsthandwerks zu erkunden. Dies ist natürlich auch keine neue Entwicklung, siehe etwa Mathilde, doch die Nonchalance, mit der Marshall in einem vorgeblich asiatischen Film eine europäische Kunsttraditionen in ihren konventionalisiertesten Ikonographien verwurstet, scheint mir doch in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Die neue Freiheit in der ikonischen Ausgestaltung des Bildraums kann ohne Zweifel auch in einem Sammelsurium piktorialer Klischees enden, die wieder weit hinter die postmoderne Intertextualität zurück reicht.
Als vorläufiger Höhepunkt des neuen hollywoodianischen Ästhetizismus ist jedoch Marc Fosters Stay zu werten, ein inhaltlich recht öder, weil/obwohl verworrener Mysterythriler, dem es gelingt, die neuartigen ästhetischen Techniken tatsächlich in das Zentrum des Textes zu stellen (im Gegensatz zu Geisha, wo diese letzten Endes doch nur eine Nebenrolle spielen) und diesen dennoch im Rahmen der vom Narrativ dominierten Signifikantenketten zu belassen (im Gegensatz zum deterritorialisierten Domino). Der Anteil digital nachbearbeiteter Bilder ist wahrscheinlich noch höer als in Domino (wenn er nicht in beiden Fällen bereits bei 100% liegt), doch die Technik geht eine (unheinvolle?) Allianz mit den Filmcharakteren ein. Die stilisierten, jeder Dreidimensionalität beraubten Hintergründe - selbst eine Treppe verwandelt sich in Sekundenbruchteilen in ein abstraktes Muster - erscheinen als Funktionen der Figuren, bzw. deren Innerlichkeit und so als Strukturnotwendigkeit des Films. Am Ende, in den letzten Einstellungen, ist das Bild von digitalen Schlieren überzogen, die aber seltsamerweise davor zurückschrecken zu scheinen, die Filmfiguren zu konsumieren, die ja eigentlich aus anderem Stoff sind, anachronistisch.
Wie auch immer man zu dem Film stehen mag (ich mag ihn nicht): Stay ist sicherlich unter den drei besprochenen Filmen derjenige, anhand welchem sich am ehesten Aussagen über das Kino der Zukunft treffen lassen. Während Domino eine Ästhetik kultiviert, die doch etwas zu anarchisch ist, um dauerhaft im Mainstream bestand zu haben und Marshalls vulgär kunstgeschichtlicher Ansatz ist wohl nur in begrenztem Maße fruchtbar zu machen. In Stay dagegen behält die Menschheit auf groteke Weise die Deutungshoheit, die digitalen Welten werden wieder auf den Status von Projektionen zurück gebunden und damit rein funktional. Dieses Konzeot dürfte anschlussfähig genug sein.
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